Zu schnell unterwegs
Nach dem schweren Sturz Mario Scheibers im Training für die Weltcup-Abfahrt in Chamonix, wo Hans Grugger 2005 seinen zweiten von insgesamt vier Weltcup-Siegen gefeiert hatte, stellt sich die Frage: Gibt es leichte Abfahrtsstrecken? Zahlreiche Unfälle in Chamonix belegen, dass die Strecke „La Verte“ zumindest nicht ungefährlich ist.
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„Wir sind zurück auf der Autobahn“, lästerte Hermann Maier schon vor zehn Jahren, als der Weltcup von Kitzbühel nach Chamonix übersiedelt war. Dabei hatte er mit den Tücken der Gleiterstrecke drei Jahre zuvor Bekanntschaft gemacht, wobei er sich einen Speichenbruch einhandelte und damit die Chance auf ein WM-Ticket in Sestriere verspielte. Nach nur 15 Fahrsekunden war Maier damals ins Netz abgeflogen. Seinen späteren Durchbruch konnte der Unfall nicht verhindern.

GEPA/Andreas Pranter
Hermann Maier gewann in Chamonix im Jänner 2000.
Ob Maier, Günther Mader, Josef Strobl oder aktuell eben Scheiber: In Chamonix wurden in der Vergangenheit zahlreiche Skifahrer überrascht und abgeworfen. Aber nicht nur Abfahrer zählten zu den Opfern, selbst Slalomstar Mario Matt stürzte hier schwer, er wurde im Abfahrtstraining 2005 brutal von der Strecke geworfen. Danach rappelte er sich hoch, richtete die Skibrille und fuhr ins Ziel. Von schweren Blessuren war Matt verschont geblieben. Prellungen am ganzen Körper fielen da nicht ins Gewicht.
Unsanft abgeworfen
Schlimmer erwischte es den US-Amerikaner Bryon Friedman, obwohl Chamonix vom Schwierigkeitsgrad her nicht mit der berüchtigten Streif in Kitzbühel vergleichbar ist. Friedman zog sich bei seinem schweren Sturz mehrere Brüche im rechten Bein und der linken Hand zu. Noch am selben Tage wurde der damals 24-Jährige im Krankenhaus Sallanches operiert. Verlassen konnte er das Spital erst nach Tagen. Die aufgrund des hohen Tempos extrem weiten Sprünge forderten auch im folgenden Rennen zahlreiche Unfälle. Schwere Verletzungen blieben aus.

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Huber nach seinem Sturz
Sowohl der Franzose Sebastien Fournier-Bidoz als auch der Tiroler Norbert Holzknecht waren bei ihren wild aussehenden Stürzen mit Gehirnerschütterungen relativ glimpflich davongekommen. Der Kärntner Olympiasieger Fritz Strobl überstand einen Innenskiausrutscher bei einem Tempo von weit über 100 km/h unverletzt. Um nicht auf einen weiteren Trainingsunfall zu vergessen: Der Franzose Antoine Deneriaz hatte dabei einen Kreuzbandriss im linken Knie erlitten. Ein Jahr später wurde er in Sestriere Olympiasieger vor Michael Walchhofer, klagte aber immer wieder über Knieprobleme.
Von Huber bis Kernen
Die Karriere eines anderen Rennläufers wäre in Chamonix fast beendet worden. Der Deutsche Berni Huber stürzte 1997 schwer und musste per Helikopter ins Krankenhaus gebracht werden. Die Diagnose war erschütternd: Huber, dessen Karriere schon dreimal durch schwere Verletzungen (zwei Kreuzbandrisse, Bruch des Brustwirbels) gestoppt worden war, brach sich den rechten Arm und mehrere Rippen und riss sich das Innenband des rechten Knies. Auch eine Lungenquetschung hatte der 29-Jährige damals erlitten.
Wie man sich in Chamonix auch ohne Sturz schwer verletzen kann, bewies übrigens der frühere Weltmeister Bruno Kernen. Der Schweizer handelte sich im Jänner 2006 in der Abfahrt der Superkombi eine Meniskusquetschung ein, die seinen Start in der Spezialabfahrt vereitelte. Ein paar Tage später lachte Kernen in Sestriere als Olympiadritter hinter Deneriaz und Walchhofer schon wieder vom Podium. In der folgenden Saison stürzte er in Chamonix wirklich - diesmal im Rennen. Dabei blieb Kernen allerdings unverletzt.

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Michael Walchhofer warnte vor den Gefahren.
Fehlende Konzentration
Warum passiert gerade auf vermeintlich einfachen Pisten wie jener in Chamonix so viel? „Weil sie von den Fahrern unterschätzt wird“, sagte dazu Walchhofer. Fehlende Konzentration führe zu Fahrfehlern - wie möglicherweise bei Scheiber, der nach einem „Salto“ auf der pickelharten Piste aufschlug, sich dabei das rechte Schlüssel- und das Nasenbein brach und zumindest noch eine weitere Nacht im Spital zubringen muss. Eine andere Erklärung lautet schlicht und einfach: weil auf „Autobahnen“, wie Maier diese Strecke in Frankreich nannte, für gewöhnlich zu schnell gefahren wird.
Michael Fruhmann, ORF.at
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