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32 Semester Spitzensport

23 Weltcup-Erfolge, Weltcup-Gesamtsieger, Teamweltmeister, Olympiasieger - insgesamt 17 WM- und Olympiamedaillen hat Felix Gottwald in seiner einzigartigen Karriere gesammelt. Nur Einzelweltmeister wurde er nie. Diese Lücke vermochte der 35-jährige Ausnahmesportler auch in seinem letzten Versuch am Mittwoch in Oslo nicht mehr zu schließen.

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Zu groß war der Abstand von 2:30 Minuten nach dem Springen auf der Großschanze auf die Spitze. Die Bestzeit im entscheidenden Langlauf hatte nur statistischen Wert. Weltmeister wurde der Franzose Jason Lamy Chappuis, Gottwald 18. Seinen letzten WM-Soloauftritt hätte sich Gottwald, der von der Normalschanze zuvor Bronze und mit dem Team sogar Gold erobert hatte, anders vorgestellt. Wiewohl er dem später entgegenhielt: „Das ist mir wurscht.“

„Jammern wäre undemütig“

„Wer mit der Erwartung einer Medaille startet, hat eben einen Rucksack dabei. Wer aber glaubt, dass ich enttäuscht bin, der irrt gewaltig. Das wäre angesichts meines Karriereverlaufs ungerecht und undemütig. Es gibt für mich keinen Grund zu lamentieren oder gar zu jammern“, sagte der Salzburger, der seine Ski am Ende dieser Saison zum zweiten Mal, dann jedoch für immer, an den Nagel hängen wird. Nach dem Weltcup-Stopp in Lahti in einer Woche ist Schluss.

Gottwalds „Genussprojekt", wie er seine Rückkehr in den Profisport vor zwei Jahren bezeichnet hatte, konnte eine Lücke in seiner imposanten Edelmetallsammlung nicht schließen. Weltmeister war Österreichs erfolgreichster Olympiateilnehmer nie. Mit der Mannschaft gelang ihm das dafür zweimal. Einzelgold? Dem weine er keine Träne nach. „Für mich hat das genau gar keine Bedeutung. Ich werde nie zu Hause sitzen und meine Medaillen durchzählen. Daher wird es mir auch nicht auffallen, dass eine fehlt.“

Felix Gottwald bei den Nordischen Ski Weltmeisterschaften 2011

GEPA/Oliver Lerch

Gottwald stürmt dem Karriereende entgegen.

Für das Leben gelernt

In Oslo wäre nach seinem verpatzten Sprung eine weitere Medaille ohnehin illusorisch gewesen. „Denn irgendwann ist auch für mich das Ende der Fahnenstange erreicht“, hatte Gottwald, berühmt für seine Aufholjagden, hernach gemeint. Nach dem Langlauf sagte er: „So ist der Spitzensport. Vor zwei Tagen gewinnt man Gold, dann gar keine Medaille. Die liegen in der Weltspitze nicht einfach so zum Abholen bereit. Es ist nicht selbstverständlich, immer oben zu stehen. Wir sind alle erfolgsverwöhnt.“

Für den zehnfachen WM-Medaillengewinner hat die finale Nullnummer keine Bedeutung. Nicht die Medaillen seien ihm wichtig, sondern die Erfahrungen, die er ins Leben mitnehmen dürfe, der Profit, den er aus dem nochmals gegangenen Weg ziehen werde. „Da macht die eine Medaille mehr oder weniger das Kraut nicht fett. Denn niemand profitiert von Erfolgen oder Medaillen, die später zu Hause herumliegen, sondern von dem Weg, den er gehen musste, um dieser Erfolge zu erreichen.“

„Dafür bin ich dankbar“

Der Weg dorthin war oft beschwerlich, so auch in der laufenden Saison. Am 14. Dezember hatte sich Gottwald bei einem Trainingssturz in Villach das Schulterblatt gebrochen, drei Wochen später war er schon wieder ganz oben auf dem Siegerpodest gestanden. Nach Blitzgenesung und mentalem Kraftakt gewann der Salzburger den Weltcup-Bewerb in Schonach und feierte damit seinen zweiten Saisonsieg, den 23. und vielleicht letzten seiner großartigen Laufbahn.

„Wenn ich zurückschaue, muss ich sagen, dass ich einen genialen Weg gegangen bin. Dafür bin ich dankbar. Und ich freue mich auf den Weg, der vor mir liegt“, sagte Gottwald, der am Freitag (11.15 und 16.30 Uhr, live in ORF eins und im Livestream) im WM-Teambewerb von der Großschanze für seinen goldenen Abschluss nach 32 Semestern an der „Lebensuniversität Spitzensport“ sorgen könnte. „Wir fangen wieder bei null an, werden uns aber am Riemen reißen und schauen, dass ein guter Wettkampf dabei rauskommt. Von Platz eins bis fünf ist wieder alles möglich.“

Michael Fruhmann, ORF.at

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