Gefühlvolles Fahren wieder gefragt
Trotz der Rückkehr von KERS und des neuen, verstellbaren Heckflügels sind sich praktisch alle Teams einig: Der entscheidende Faktor der WM 2011 werden die neuen Reifen sein. Denn die Pneus des Bridgestone-Nachfolgers Pirelli nutzen sich so schnell ab, dass viele Rennen zu einem Pokerspiel werden könnten.
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Deutlich mehr Boxenstopps werden zu mehr Spannung, aber auch zu der einen oder anderen Überraschung führen. Darauf hoffen zumindest die Mittelständler und Nachzügler des wieder zwölf Teams und 24 Autos umfassenden Feldes. Denn bei mehreren Stopps kommt der Rennstrategie noch größere Bedeutung zu, und das könnte den kleineren Teams durchaus in die Hände spielen. Davon ist auch Toro-Rosso-Fahrer Jaime Alguersari überzeugt. „Das kann sogar dazu führen, dass am Ende ein Hispania vor einem Ferrari ins Ziel kommt“, mutmaßte der Spanier.
„Wir liefern, worum man uns gebeten hat“
Das Ganze ist freilich kein Produktionsfehler der italienischen Reifenfirma, die erstmals seit 20 Jahren wieder in der Formel 1 vertreten ist, sondern durchaus gewollt. Im Bestreben, die Rennen spannender zu machen, sollen weniger haltbare Reifen für ein zusätzliches Spannungselement sorgen. „Wir liefern, worum man uns gebeten hat“, erklärte Pirellis Motorsportdirektor Paul Hembery, warum die Reifen nun ein so großer Teil der Show sind. „Wer die Reifen besser behandelt, holt mehr aus ihnen heraus. Das Gleiche gilt ja auch für Straßenreifen“, so Hembery.

GEPA/xpb.cc
Heuer dreht sich alles um die neuen Reifen.
Ziel sind Rennen mit möglichst vielen Führungswechseln und eine Abkehr von den Zeiten, als Fahrer fast einen gesamten Grand Prix in einem Zug absolvieren konnten und erst kurz vor Schluss zum Pflichtreifenwechsel an die Box kommen mussten. Nun werden drei, vier Stopps notwendig sein.
Keine leichte Aufgabe
Und das schafft viel Raum für taktische Maßnahmen. Schnell fahren bedeutet mehrere Stopps, reifenschonendes Verhalten wird mit höherer Kilometerleistung belohnt. Hier die richtige Mischung zu finden wird künftig über den Sieg mitentscheiden. Im Schnitt könnte eine zurückhaltende Fahrweise zu einem Vorteil von drei, vier Sekunden führen. Alleine der ab 25 Grad Celsius entstehende Gummiabrieb könne den Reifen am Renntag eine um 40 Prozent erhöhte Lebensdauer gegenüber Freitag geben, so Hembery.
Die Spitzenpiloten haben mit den neuen Reifen bisher wenig Freude. Fernando Alonso übte nach den letzten Testfahrten in Barcelona offen Kritik. „Man kann damit nicht mehr so stark bremsen, die Haftreibung ist deutlich schlechter“, schimpfte der zweifache Weltmeister. „Früher bin ich am Ende der Geraden voll in die Eisen gestiegen, jetzt musst du höllisch aufpassen. Denn jetzt blockieren die Räder sofort, speziell die Hinterreifen“, so der Ferrari-Piot.
Marko erwartet „ziemliches Durcheinander“
Gelassener reagierte Helmut Marko, auch wenn dem Red-Bull-Motorsportdirektor ebenfalls klar ist, dass die neuen Pneus zumindest am Saisonanfang eine veränderte Situation bringen werden. „Die Reifen werden für ein ziemliches Durcheinander sorgen. Es wird wesentlich mehr Reifenstopps geben, und wenn das SafetyCar zu einem ungünstigen Zeitpunkt rauskommt, kann das Mittelklasseteams nach vorne spülen“, ist auch Marko überzeugt.
Das dramaturgische Element sieht auch Marko, er hält die Situation derzeit aber noch für zu verzerrt. „Sie haben das richtige Mittelmaß noch nicht gefunden. Ab Mitte der Saison wird Pirelli das aber in den Griff bekommen, also sollte es über das gesamte Jahr nicht ausschlaggebend sein.“
Pirelli bringt Farbe ins Spiel
Neben der größeren Abwechslung bekommen die Zuseher von den Italienern ab Melbourne noch ein Extra geboten: Die Reifen werden an der Seite farblich markiert sein, um erkennbar zu machen, welche der insgesamt sechs angebotenen Mischungen gerade im Einsatz ist. Pro Rennen können zwei der vier Trockenreifen sowie ein Intermediate und der Regenreifen eingesetzt werden.
Laut Pirelli werden die Regenreifen orange markiert sein, die für feuchte bzw. auftrocknende Strecken vorgesehenen Intermediates einen hellblauen Effekt aufweisen. Die Slicks sind je nach Härte - von superweich bis hart - in den Farben Rot, Gelb, Weiß und Silber gekennzeichnet.
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