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Baumgartners verhinderter Rekordsprung

Abruptes Ende einer lebensgefährlichen Mission: Nach einem Absprung aus mehr als 36 Kilometer Höhe wollte der Salzburger Felix Baumgartner als erster Mensch im freien Fall die Schallmauer durchbrechen. In die Stratosphäre wäre der furchtlose Extremsportler mit einem Heliumballon und einer speziellen Druckkapsel gelangt. Im letzten Moment legte eine Klage in den USA das Projekt auf Eis.

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Seit Jahren hatte sich Baumgartner auf seinen Sprung vorbereitet, der rechtliche Streit kam zum ungünstigsten Zeitpunkt und sorgte für die vorläufige Aussetzung der „Red Bull Stratos“-Mission. Ein US-Amerikaner beanspruchte Rechte an „Red Bull Stratos“ und reichte bei einem kalifornischen Gericht eine Millionen-Dollar-Klage ein. Red Bull entschloss sich daraufhin, das „Stratos“-Projekt vorläufig abzubrechen.

Die Eckdaten waren imposant: Baumgartner hatte geplant, mit einem Ballonflug 36 Kilometer in die Stratosphäre aufzusteigen und im freien Fall in Richtung Erde zu springen und damit die Rekorde für die höchste bemannte Ballonfahrt (bisher 34,7 km), den längsten freien Fall (4:36 Minuten), die größte im freien Fall erreichte Geschwindigkeit (mit 990 km/h) und den höchsten Absprung der Welt (31 km ) zu brechen.

Baumgartner springt aus Hubschrauber

APA/Luke Aikins/Red Bull Photofiles

Seit Jahren will Baumgartner immer höher hinaus.

Technische Perfektionierung

Die Abhängigkeit von der Technik bereitete dem Piloten allerdings Kopfzerbrechen. Ergo arbeiteten die Wissenschaftler des „Red Bull Stratos“-Teams mit Hochdruck an der Perfektionierung des technischen Equipments. Dazu befand sich Baumgartner wochenlang in den USA, wo mehrere Testserien auf dem Programm standen. Mit Bungee-Sprüngen wurde der perfekte Absprung koordiniert, in weiteren Höhensprüngen das Material auf Herz und Nieren geprüft.

„Die Technik soll mich vor den unwirtlichen Bedingungen zwar schützen, kann bei Fehlfunktion aber auch zur Katastrophe führen. Da hat man bei neuen Testserien schon ein mulmiges Gefühl im Bauch.“ Beruhigend wiederum waren laut Baumgartner die Details, die das Raumfahrtunternehmen Sage Cheshire Aerospace in den USA in Juni präsentiert hatte.

Ballon wie 20 Fußballfelder

Der knapp weniger als 850.000 Kubikmeter große Ballon, der Baumgartner in die Stratosphäre bringen sollte, besteht aus einem leistungsstarken Polyethylenfilm, der gerade einmal 0,002 Millimeter dick ist. Dennoch kommt er auf eine Fläche von fast 162.000 Quadratmeter (mehr als 20 Fußballfelder) und wiegt etwa 1.360 Kilogramm.

Ein 25 Tonnen schwerer Kran wird beim Start die Druckkapsel direkt unter die Ballonhülle manövrieren, damit sie sauber abhebt. Falsches Timing könnte einen Pendeleffekt bewirken, der die Kapsel auf den Boden prallen lassen und die Mission wie auch Baumgartners Leben gefährden könnte.

Kapsel zur Lebenserhaltung

Das Herz der 2,40 Meter breiten und 3,35 Meter hohen Kapsel ist die Druckkabine (Durchmesser 1,80 Meter) im Inneren. Die abgedichtete und auf Normaldruck gehaltene Kapsel würde Baumgartner bei Realisierung des Projekts als Lebenserhaltungssystem dienen, bis er die Sprunghöhe erreicht und seinen Anzug unter Überdruck gesetzt hat.

Zudem ist die Druckkapsel mit drei Fallschirmen ausgestattet, die neben einem Stoßpolster für eine gedämpfte Landung sorgen werden. Dank dieser einzigartigen Vorrichtung können die Kamera- und Datenerhebungsausrüstung und im Notfall auch Baumgartner selbst sicher zur Erde zurückkehren.

Kommunikation, Überwachung

Ein weiteres technisches Schmankerl ist der Brustcontainer („Chest-Pack“), der über dem Druckanzug getragen und diverse Überwachungs- und Kommunikationsvorrichtungen enthalten wird. Dazu gehören GPS-Ortungsgeräte, Fernmessung, eine HD-Kamera, ein Paket der Internationalen Aeronautischen Vereinigung (FAI) zur Verifizierung der Rekorde (höchste bemannte Ballonfahrt, längster freier Fall, größte im freien Fall erreichte Geschwindigkeit und höchster Absprung) sowie eine Inertialmesseinheit (IMU), die Steigung, Geschwindigkeit und Drall bestimmt.

Die Mach-Zahl würde Baumgartner mittels Monitor am Armband sowie Audiowiedergabe im Helm mitgeteilt werden. Das „Chest-Pack“ verfügt über eine eigene Batteriestromversorgung sowie separate Kontrollsysteme, mit denen das Visier bei Bedarf entnebelt und enteist werden kann. Sämtliche Informationen könnten in Echtzeit an das Kontrollzentrum weitergeleitet werden.

Ausgefeiltes Fallschirmsystem

Freilich wurde für das „Stratos“-Projekt auch ein neues Fallschirmsystem mit Brems-, Haupt- und Reservefallschirm entwickelt, das den extremen Anforderungen von Baumgartners, wie er sagte, letzter und sicher gefährlichster Mission standhalten soll. Bei planmäßigem Verlauf müsste Baumgartner nur den Hauptfallschirm öffnen.

Der Bremsfallschirm wiederum dient im Notfall zur Stabilisierung. Revolutionär ist der Beschleunigungsanzeiger, der Zentrifugalkraft und Dauer der Belastung misst. Überschreitet Baumgartner sechs Sekunden lang einen Wert von 3,5 G (Gravitationsstärke), wird der Bremsfallschirm automatisch geöffnet.

Automatisch aktiviert sich in 762 Meter Höhe auch der Reserveschirm, den Baumgartner per Spezialhebel wieder abkoppeln könnte, falls sich der Schirm irrtümlich zu hoch in der Stratosphäre öffnet und die Sauerstoffvorräte durch das langsame Sinken knapp werden würden.

Zerreißprobe für Baumgartner

Mit Hilfe dieser technischen Mittel soll Baumgartner den Absprung aus der Stratosphäre überleben. Ein gewisses Restrisiko würde aber bleiben, dessen ist sich auch der 41-Jährige bewusst. „Niemand weiß, was passiert, wenn mein Körper die Schallmauer durchbricht. Teile meines Körpers werden sich mit Überschallgeschwindigkeit bewegen, andere mit Unterschallgeschwindigkeit. Das wird ein äußerst kritischer Moment“, gab Baumgartner zu bedenken.

In einem ORF.at-Interview im vergangenen Juni sagte er über die Angst vor dem Tod: „Wer als Extremsportler nicht an den Tod denkt, packt besser seine Sachen und geht nach Hause. Es ist nicht so wie beim Skifahren, wo man nach einem Sturz wieder aufsteht und weiterfährt. Ein kleiner Fehler kann zur Katastrophe führen, dessen muss man sich jederzeit bewusst sein.“ Doch liege seine große Stärke in der Vorbereitung der Projekte. „Von der ersten Idee bis zur sicheren Landung wird alles bis ins Detail durchgeplant, so lange, bis ich mir vollkommen sicher bin, es dem Tod so schwer wie möglich gemacht zu haben.“

Michael Fruhmann, ORF.at

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