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Hoffen auf grünes Licht

Die von einem Rechtsstreit ausgebremste Red-Bull-Stratos-Mission hängt weiter am seidenen Faden. Zermürbend ist die seit Oktober ungewisse Situation auch für Felix Baumgartner, den Protagonisten des ambitionierten Stratosphärenprojekts, das in der Warteschleife eines kalifornischen Gerichts hängt. Der rechtmäßige Urheber wird ermittelt.

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Denn der US-Amerikaner Daniel Hogan hatte die Stratos-Idee für sich beansprucht und schon zu Beginn des vergangenen Jahres eine Klage eingereicht. Seither steht das Werk still. Der Getränkehersteller hüllt sich über Fortschritte in der Causa in Schweigen. Hogan hatte behauptet, mit seinem Projekt „SpaceDive“ bereits 2004 an Red Bull herangetreten zu sein. Nach einem Jahr intensiver Gespräche und der Offenlegung der Details sei sein Vorschlag jedoch abgelehnt worden.

Vier Jahre und vier Monate später soll seine Idee mit neuem Namen und eben Baumgartner in der Rolle des Protagonisten doch aufgegriffen worden sein, wie Hogan zu Protokoll gab. Er zog mit einer Millionenklage vor Gericht. Die Mission, auf die Baumgartner sich seit Jahren minuziös vorbereitet hatte und die sein letztes Abenteuer vor dem Karriereende hätte werden sollen, wurde von Red Bull auf Eis gelegt - bis der Fall geklärt ist, ließ das Unternehmen damals mitteilen. Red Bull habe sich im Umgang mit „Herrn H.“ stets einwandfrei verhalten und sich aufgrund der Klage dazu entschieden, das Projekt zu stoppen, hieß es weiter.

Verzögerte Rekordjagd

Seither sind knapp sechs Monate vergangen. Baumgartner wartet weiter. Der 41-Jährige übt sich in Geduld. Ob er irgendwann doch noch aus mehr als 36 Kilometer Höhe als erster Mensch im freien Fall die Schallmauer durchbrechen darf, steht in den Sternen. Mit Veweis auf Hogan merkte Red Bull an, dass es in der Vergangenheit schon etliche erfolglose Versuche gegeben habe, die Rekorde von Colonel Joe Kittinger (höchster Absprung, längster freier Fall und höchste dabei erreichte Geschwindigkeit) - und dass bereits andere Personen vor Hogan mit Red Bull zusammenarbeiten wollten, um die 1960 aufgestellten Rekorde zu brechen.

Baumgartner würde dabei freilich gleich sämtliche bestehenden Rekorde in einem Aufwischen an sich reißen. Neben Kittingers Bestmarken (vier Minuten und 36 Sekunden, 990 km/h, 31 km) würde er zudem den Rekord von Victor Prather und Malcolm Ross für die höchste bemannte Ballonfahrt (34,7 km) überbieten. Dazu sollte Baumgartner mit einem Heliumballon und einer speziellen Druckkapsel hoch über die Erde aufzusteigen, um danach im freien Fall innerhalb von 30 Sekunden auf mehr als Mach 1 zu beschleunigen. Insgesamt würde er fünf Minuten und 35 Sekunden frei fallen.

Ziel alles untergeordnet

Fünfeinhalb Minuten können lang sein, auch wenn sie im Flug vergehen. Dabei sollte der Salzburger die Spitzengeschwindigkeit von etwa 1.110 km/h erreichen. Ermöglicht wird die Beschleunigung durch den extrem niedrigen Luftdruck in der Stratosphäre. Allerdings: Ab etwa 18 Kilometer über dem Boden bringt der abfallende Druck durch Dampfblasen das menschliche Blut im Körper zum Kochen - bei Temperaturen von bis zu minus 56,6 Grad und niedrigem Sauerstoffgehalt. Ein Mensch kann unter diesen Bedingungen für gewöhnlich nicht überleben.

Baumgartner jedoch freute sich darauf. Die Stratos-Mission sollte der würdige Schlusstrich unter seine gefährliche Karriere sein, in der er von höchsten Gebäuden und in tiefste Schluchten gesprungen war. Platzte der Sprung aus der Stratosphäre, würde für Baumgartner eine kleine Welt zusammenbrechen. „Ich bin in den vergangenen fünf Jahren aufgestanden mit Red Bull Stratos und ins Bett gegangen damit. 24 Stunden am Tag. Ich habe meinem Ziel alles untergeordnet. Wenn das nichts wird, würde das ein Riesenloch hinterlassen, in meiner Karriere und in mir selber“, sagte Baumgartner gegenüber den „Oberösterreichischen Nachrichten“ („OÖN“).

„So will ich nicht abtreten“

„Das Ganze war geplant als mein letzter Sprung. Ohne diesen großen Showdown abzutreten, da hätte ich ein Riesenproblem.“ So wolle er nicht von der Bühne verschwinden. Wiewohl das Projekt viele Gefahren birgt und sogar sein Leben bedrohen könnte. Vielleicht macht gerade das den Reiz aus. Baumgartner betont die Freiwilligkeit dahinter, natürlich konnte ihn niemand dazu zwingen. Selbst Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz habe ihm den Absprung freigestellt. „Egal, wie viel Geld da drinnen ist, wenn du es nicht machen willst, kannst du es jederzeit stoppen. Selbst wenn du schon zur Kapsel gehst, und du fühlst dich nicht bereit, drehe um. Es ist nichts wichtiger als dein Leben“, erzählte Baumgartner.

So weit ist es noch nicht gekommen. Zunächst sind die Richter am Wort. Doch entgegen den Vorzeichen glaubt Baumgartner an die Realisierung des Projekts. Schon im November war der Ernstfall simuliert worden - über fünf Stunden, jeder Schritt, jede mögliche Situation. Jeder Handgriff müsse beherrscht und jeder Schalter blind gefunden werden. „Es geht darum, in einer Notsituation Ruhe zu bewahren, um unverzüglich handeln beziehungsweise korrekt reagieren zu können, unter extrem erschwerten Bedingungen“, so Baumgartner, den folglich auch die plötzliche Freigabe der Mission nicht überraschen würde. „Ich wäre bereit.“ Doch damit ist vorerst nicht zu rechnen.

Michael Fruhmann, ORF.at

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