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Ende der „Blockade“ und „puren Angst“

Auf die Entlassung von Bayern-Coach Louis van Gaal und die Verkündung von Nachfolger Andries Jonker ist die Generalabrechnung durch Präsident Uli Hoeneß gefolgt. „Wir haben uns Probleme gemacht, die völlig unnötig waren und den ganzen Verein total durcheinandergebracht haben. Das sollte sich Van Gaal mal überlegen. Er nahm unseren Rat nicht an, und Samstag war das Fass übergelaufen“, so Hoeneß.

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Eine Basis gab es schon lange nicht mehr zwischen den beiden Alphatieren, das wurde durch die Hoeneß-Aussagen vom Sonntag wieder mehr als deutlich. „Erfolg ist etwas, aber Spaß machen ist das andere. Und der Spaß hat in diesem Verein seit langem gefehlt. Nicht nur bei uns, sondern auch bei den Spielern. Und dass die Spieler hinter dem Trainer standen, das ist ein Märchen“, sagte der Bayern-Boss. Auch „Kaiser“ Franz Beckenbauer befand in seiner „Bild“-Kolumne (Montag), die Trennung sei „nun nicht mehr zu vermeiden“ gewesen.

Bayern-Präsident Uli Hoeneß, Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge und Finanzchef Karl Hopfner

APA/EPA/dpa/Frank Leonhardt

Versteinerte Mienen bei den Vorständen Hoeneß, Rummenigge und Hopfner

Am Sonntag kommt Heynckes mit Leverkusen

Jetzt ist das „Feierbiest“ gefeuert - und Cheftrainer-Nobody Jonker soll wie einst Jupp Heynckes den FC Bayern vor der Europa League bewahren. Fünf Spiele bleiben dem beförderten Assistenten des am Wochenende beurlaubten Van Gaal, um den Münchner Rekordmeister noch in die Champions League zu führen und und das „Horrorszenario“ vom „Verlierercup“ zu verhindern. „Ich erwarte eine Explosion. Ich erwarte, dass die Zwangsjacke, in der die Spieler seit Monaten stecken, abgestreift wird“, sagte Hoeneß mit ernster Miene.

Wie vor zwei Jahren, als Heynckes in ebenfalls fünf Spielen mit 13 von 15 Punkten nach dem Ende des Experiments mit Jürgen Klinsmann die Königsklasse noch erreichte, soll Jonker nun die Münchner im titellosen Jahr von Rang vier mindestens auf den von Hannover belegten Platz drei führen. Pikanterweise wird Heynckes, der in der neuen Saison das Kommando bei Bayern übernimmt, am kommenden Sonntag mit Leverkusen der erste Gegner sein. Vorerst wehrte der Bayer-Coach noch alle Fragen ab. „Alles, was geredet wird und zum Teil gequatscht wird, ist Kaffeesatz“, sagte Heynckes.

Van Gaal bei Entlassung „ohne emotionale Regung“

Bis zum Eintreffen von „Don Jupp“ soll der bisherige Van-Gaal-Assistent Jonker dem beim 1:1 in Nürnberg blutleer wirkenden Rekordmeister wieder Freude vermitteln. Hermann Gerland steht ihm als Assistent zur Seite. „Der Vorstand musste reagieren“, sagte Hoeneß, der dem Team die „pure Angst“ angesehen habe. Bei Arjen Robben, der sich unterschwellig auch über die Teamleistung beklagte, entlud sich der aufgestaute Frust nach dem Schlusspfiff am Samstag in einer Schiedsrichterbeleidigung und seiner ersten Roten Karte in der Bundesliga. Er fehlt zum Start der Jonker’schen Rettungsmission.

Trainer Louis van Gaal

APA/EPA/ANSA/Maurizio Bramabatti

Die Ära Louis van Gaal beim FC Bayern München ist seit Sonntag Geschichte.

Gemeinsam mit den Vorständen Karl-Heinz Rummenigge und Karl Hopfner sowie Sportdirektor Christian Nerlinger fällte Hoeneß die Entscheidung, die Notbremse zu ziehen. Noch am Abend nach dem durch einen Patzer von Keeper Thomas Kraft leichtfertig verschenkten Sieg beim „Club“ wurde Van Gaal das Ende an der Säbener Straße in einer „relativ kurzen Geschichte“ mitgeteilt. Ohne „emotionale Regung“, so Rummenigge, habe der 59-Jährige das Ende seiner seit dem 1. Juli 2009 dauernden Bayern-Zeit hingenommen.

Ironie des Schicksals

Die vor einem Monat krampfhaft gebastelte und sicher auch mangels Alternativen gewählte Lösung, dass Van Gaal statt bis 2012 wenigstens bis zum Ende dieser Saison seine Arbeit fortführen durfte, entpuppte sich letztlich nur als fauler Kompromiss. Und erfolglos war der Versuch sowieso. Am Sonntag leitete der 48-jährige Jonker zusammen mit Gerland vor mehreren hundert Zuschauern das Auslaufen der Mannschaft, aus deren Kreise sich einige Akteure über den selbstherrlichen Van Gaal beklagt haben sollen. Und in den Bossen gärte es seit langem.

„Seit Wochen gab es eine Unzufriedenheit, die in uns wächst“, betonte Rummenigge und machte eine „Blockade“ im Team aus. Die soll Jonker lösen. „Wir wollten einen Mann haben, der die Verhältnisse kennt, der weiß, was zu ändern ist“, sagte der Vorstandschef. Im neuen Jahr könnte Jonker als Amateurtrainer dem Verein erhalten bleiben, Gerland als Assistent von Heynckes bei den Profis bleiben. Dass ausgerechnet der von Van Gaal überraschend im Winter zur Nummer eins im Tor beförderte Thomas Kraft mit seinem Fehler das Ende der Amtszeit beschleunigte, bezeichnete Rummenigge als „Ironie des Schicksals“.

Mit Goalie-Entscheidung „ging die Scheiße los“

Im schleichenden Abnutzungsprozess Van Gaals war das Torhüterthema einer von vielen Reibungspunkten. „Mit der Entscheidung, Jörg Butt aus dem Tor zu nehmen, ging die Scheiße los“, meinte Hoeneß. Statt wie erhofft versöhnlich musste sich Van Gaal, der im Vorjahr das Double gewann und das Champions-League-Finale erreichte, vorzeitig durch den Hinterausgang verdrücken. Für Jonker, der schon in Barcelona Van Gaals Assistent war, sei die Amtsübernahme „natürlich ein großer Schritt“, sagte Rummenigge. „Aber er musste nicht lange überlegen. Er ist 100-prozentig davon überzeugt, dass wir alle gemeinsam die Ziele erreichen werden.“

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