Giro im Trauerflor
Der Giro d’Italia rollt nach dem Todessturz von Wouter Weylandt weiter. Der 26-jährige Belgier war am Montag bei einer Abfahrt 25 Kilometer vor dem Ziel gestürzt und noch an der Unfallstelle seinen schweren Kopfverletzungen erlegen. Die herbeigeeilten Notärzte konnten ihm nicht mehr helfen. Die Tragik dahinter: Weylandt hätte beim Giro ursprünglich gar nicht starten sollen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Thomas Rohregger, Leopard-Trek-Teamkollege des Verunglückten, war bisher zu keiner Stellungnahme bereit. Zu tief saß der Schock nach dem dramatischen Unfall. Stefan Denifl, Rohreggers Landsmann und Leopard-Kamerad, der in Italien nicht am Start ist, teilte via Twitter mit: „Ich bin geschockt und traurig. Solche Dinge sollten nie passieren. Wouter, wir werden dich vermissen. Ruhe in Frieden.“
Angst um seine Gesundheit
Weylandt hatte schon seit dem Giro-Start Angst um seine Gesundheit gehabt. Nach dem Auftakt in Turin schickte er seinem Manager Jef van den Bosch eine SMS. Das Rennen sei sehr gefährlich, es werde nervös gefahren. „Das bereitet mir Sorgen“, schrieb Weylandt nach Aussagen seines Managers, der am Dienstag vom Onlinedienst der belgischen Tageszeitung „Het Laatste Nieuws“ zitiert wurde.

APA/EPA/Luca Zennaro
Wouter Weylandts Eltern und Schwester in Italien
Der Vater des Verunglückten musste am Dienstag seinen Sohn identifizieren. „Er hat nicht gelitten. Er war auf der Stelle tot. Es hätte eines Wunders bedurft, um ihn zu retten“, erklärte Rennarzt Giovani Tredici am Dienstag. Aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen und die Teamkollegen hatte das italienische Fernsehen keine Bilder vom direkten Unfallhergang gezeigt.
Dabei hätte Weylandt, der im Vorjahr seine erste Giro-Etappe gewonnen hatte, diesmal gar nicht starten sollen. Erst nach dem Out des Italieners Daniele Bennati, der sich bei der Tour de Romandie das Schlüsselbein brach, war der 26-Jährige ins Leopard-Aufgebot gerutscht. „Der Giro war nicht in meinem Programm, sondern die Vuelta in Spanien. Doch nach Bennatis Verletzung werde ich in Italien versuchen, in einzelnen Fluchtgruppen mitzugehen“, wurde Weylandt in belgischen Medien noch am Samstag zitiert. Am Montag verstarb er. Besonders tragisch: Weylandts Ehefrau erwartet im September ein gemeinsames Kind.
Durch die Luft katapultiert
„Das ist ein schwarzer Tag. Ich bin sehr traurig. Mein Beileid geht an seine Familie“, twitterte sein Schweizer Teamkollege Fabian Cancellara, der in Italien nicht fährt. Über den genauen Unfallhergang konnte anfangs nur gemutmaßt werden, in der TV-Übertragung war er nicht zu sehen. Erst Augenzeugenberichte klärten auf. Weylandt war auf der Abfahrt vom Passo del Bocco bei vollem Tempo chancenlos, war wie eine Marionette durch die Luft geschleudert worden.
„Er blickte zurück und streifte in diesem Moment mit dem linken Pedal oder mit dem Vorderrad eine kleine ´Mauer und wurde auf die andere Straßenseite katapultiert, wo er aufschlug“, erzählte der portugiesische Profi Manuel Cardoso, der sich wie dessen Leopard-Teamkamerad Tom Stansnijder in der Gruppe mit Weylandt befunden hatte. „Es war ein extrem harter Aufschlag“, schilderte Stamsnijder. Bei rund 80 km/h half auch der Helm nicht mehr. Erinnerungen an den Italiener Fabio Casartelli wurden wach, der bei der Tour de France 1995 in der Abfahrt vom Portet d’Aspet auf ähnliche Weise verunglückt war.

Reuters/Yves Herman
Schon Mitte April war Weylandt schwer gestürzt.
„Wir waren sofort zur Stelle. Der Fahrer war bewusstlos. Wir haben während 40 Minuten versucht, Weylandt zu reanimieren. Dann stellten wir unsere Bemühungen ein. Es war nichts mehr zu machen“, sagte Rennarzt Tredici. Weylandt, der schon im April beim Grand Prix de l’Escaut in Frankreich schwer gestürzt und gerade rechtzeitig zum Giro-Start wieder in Form gekommen war, hatte einen Schädelbasisbruch und Gesichtsverletzungen davongetragen.
Sicherheitsmaßnahmen geprüft
Dass der Unfall ausgerechnet bei einer als eher harmlos geltenden Abfahrt passierte, schockierte die Fahrer umso mehr, denn wirklich schlimme Passagen, vor denen im Vorfeld eindringlich gewarnt wurde, folgen erst in den nächsten Tagen - und so ist es kein Wunder, dass Giro-Direktor Angelo Zomegnan unmittelbar nach dem Unglück verstärkte Maßnahmen zur Sicherheit der Fahrer ankündigte.
Bereits existierende Sicherheitsvorkehrungen seien noch einmal geprüft worden. Zudem werden „Teams von Spezialisten die bestehenden Vorkehrungen verstärken“, erklärte Zomegnan, ohne die Schritte zu konkretisieren. "Aber bei keinem Rennen der Welt würde so viel Geld investiert, Sturzopfern „möglichst schnell zu helfen“, sagte Zomegnan fast entschuldigend.
Auf dem 216 Kilometer langen vierten Teilstück von Quarto dei Mille nach Livorno gab es am Dienstag eine Gedenkfahrt im Bummeltempo und ohne Zielsprint. Vor dem Start wurde zu Ehren des Toten eine Schweigeminute eingelegt. „Es ist eine schreckliche Geschichte und ein dunkler Tag für den Radsport“, sagte Alberto Contador stellvertretend für das Peloton.
Link: