Erinnerungen an den Ausnahmesportler
Es war ein eiskalter, verregneter Morgen, an dem Österreichs Sport traurig erwachte. Rudolf Nierlich war in der Nacht zum 18. Mai 1991 bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Im Alter von 25 Jahren hatte der beliebte ÖSV-Star unweit seines Heimatortes St. Wolfgang die Kontrolle über sein Auto verloren und war damit gegen eine Hausmauer geprallt.
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„Aquaplaning“ lautete einst die erste Vermutung über den Hergang des schrecklichen Unfalls, für den es keine Zeugen gab. Günther Nierlich erinnerte sich anlässlich des 20. Todestages seines Sohnes in der „Kronen Zeitung“ an die schlimmsten Minuten seines Lebens: „Als ich hinkam, saß er im Auto und sah ganz normal aus. Da war kein Blut, keine Wunde, nicht einmal ein Kratzer.“ Aber sein Sohn war nicht mehr zu retten.
Wenige Wochen nachdem Rudi Nierlich in Saalbach im Riesentorlauf seine dritte WM-Goldmedaille erobert hatte, war der als passionierter Autofahrer bekannte Oberösterreicher an einem Genickbruch gestorben. Davor zum Verhängnis war ihm laut damaligen Berichten eine Kombination mehrerer Dinge geworden: überhöhtes Tempo auf nasser Straße und der unglückliche Zufall, dass er genau am Beginn einer schräg aufsteigenden Leitschiene von der Fahrbahn abgekommen und regelrecht in die Luft katapultiert worden war.
Ein Star wider Willen
Vater Nierlich hatte einen Sohn verloren, Österreich einen seiner größten und populärsten Sportler. Denn Nierlich war in seiner ruhigen Art als Mensch, als bescheidener Sportler und genialer Skifahrer eine Ausnahmeerscheinung. Er brachte alles mit, was ein Superstar braucht. Doch er war keiner, der viel Lärm um seine Erfolge machte. „I bin halt ganz guat g’fahren“, lautete einer der Standardsätze, „wenns laft, dann laft’s“ ein anderer.
Nierlich war ein Star wider Willen, das Startum entsprach nicht seinem Naturell. Seine wahre Größe, die lag ganz woanders. Es war seine Bescheidenheit. Obwohl er als Skifahrer gar keinen Grund dazu gehabt hätte. „Er war absolut unvergleichlich“, erinnert sich der nunmehrige ÖSV-Sportdirektor Hans Pum, damals Alpinchef der ÖSV-Herren: „Er war ein so ruhiger und besonnener Bursche, stets Freund und Kollege und immer ehrlich.“ ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel: „Rudi war einer der begnadetsten Skifahrer, die wir hatten.“

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1989 in Vail: Ein junger Alberto Tomba feiert Doppelweltmeister Rudi Nierlich.
„Mit eisernen Nerven“
Schon mit acht Jahren war er Kindermeister gewesen, der erste große Erfolg auf Weltcup-Ebene stellte sich am 30. Jänner 1988 ein. Tausende feierten Nierlich begeistert, als er am Vorabend der Olympischen Spiele, am 30. Jänner 1988, den Riesentorlauf von Schladming vor drei weiteren Österreichern gewonnen und sich damit zum Olympiafavoriten aufgeschwungen hatte. Nierlich war offenbar knapp dran an seinem ersten großen Titel.
Zwar klappte es damit noch nicht in Calgary, dafür ein Jahr später bei den Weltmeisterschaften in Vail. Zuerst wurde Nierlich Weltmeister im Riesentorlauf, Tage später holte er auch noch den Slalom-Titel. Er war der absolute König der WM und wurde als „Mann mit den eisernen Nerven“ gerühmt, was Cheftrainer Pum freilich schon damals in Abrede stellte. „Er ist sensibler, als man glaubt“, sagte er über seinen „Shootingstar“, der zum Liebling des Volkes heranwuchs. Nur die Regenbogenpresse mag mit dem wortkargen jungen Mann keine große Freude gehabt haben.
Legendäres WM-Gold
Nierlich war das egal. Er, der gelernte Tischler und erste österreichische Slalom-Weltmeister seit damals 25 Jahren, siegte weiter - im Weltcup und in Saalbach-Hinterglemm, bei der für Österreich so erfolgreichen WM. Dort holte er trotz zahlreicher Hindernisse zum zweiten Mal WM-Gold im Riesentorlauf. Denn zuerst hatte man vergeblich die vorgeschriebene FIS-Plombe an seinem Skianzug gesucht, er startete dennoch, stürzte fast und gewann - später auch vor den FIS-Materialprüfern, die ihn offiziell zum Weltmeister kürten.
Nierlich nahm auch den Hürdenlauf zu seinem dritten und letzten WM-Titel mit einem Lächeln hin - genauso lächelnd wie Tage später, als ihm Tausende Menschen vor dem Linzer Landhaus einen begeisterten Empfang bereiteten. Dem WM-Titel ließ Nierlich im selben Winter noch zwei seiner insgesamt acht Weltcup-Siege folgen. Dabei den Schlusspunkt markierte am 10. März 1991 der Slalom in Aspen, den er vor dem Schweden Thomas Fogdö und dem Italiener Fabio De Crignis gewann. Am 18. Mai war Rudi Nierlich tot.
Michael Fruhmann, ORF.at
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