Triumphe und Traditionen
Der Zufall will es, dass am Sonntag zwei der berühmtesten Motorsport-Events der Welt fast zeitgleich über die Bühne gehen. Während sich in Monte Carlo das Formel-1-Roulette dreht, geht es auf der anderen Seite des Atlantiks bei den „Indy 500“ rund. Und das mit einem Jubiläum: Zum 100. Mal kämpfen die Asse im „Nudeltopf“ von Indianapolis um Ruhm, Ehre und eine Flasche Milch.
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Denn während in Monaco Champagner verspritzt und getrunken wird, lässt sich der Sieger in Indianapolis, genauer in der Stadt Speedway, traditionell mit Milch feiern. Die berühmteste Tradition des Rennens hat ihren Ursprung 1936. Der damalige Sieger Louis Meyer verlangte nach einem Glas Buttermilch und trank selbiges medienwirksam auf dem Siegespodest. Ein findiger Chef einer lokalen Molkerei erkannte das Marketingpotenzial der Aktion. Seit 1956 ist das traditionelle Milchtrinken des Siegers im Protokoll verankert.
Älteste Rennstrecke der Welt
Auf der 2,5 Meilen (4,02 km) langen, in Ovalform angelegten Strecke wird seit 1911 jeweils am letzten Sonntag im Mai rund um den „Memorial Day“ (30. Mai) in 200 Runden der Sieger des „Indy 500“ ermittelt. Erster Gewinner auf der 1909 erbauten und damit ältesten Rennstrecke der Welt war Ray Harroun. In knapp sieben Stunden absolvierte der Amerikaner die 500 Meilen - und beendete danach seine Karriere. Ein Sieg beim „Indy 500“ steht auf einer Stufe mit einem Erfolg bei den 24 Stunden von Le Mans oder beim GP von Monaco.

AP/Tom Strattman
Eine Runde im „Nudeltopf“ sorgt bei allen Beteiligten für Gänsehaut.
Neben dem unvermeidbaren Foto mit Milchflasche darf sich der Gewinner über ein Bild von sich auf der Borg-Warner-Trophy, dem Siegerpokal, freuen. Gleich viermal, und damit so oft wie niemand anderer, sind die Porträts von AJ Foyt, Al Unser und Rick Mears auf der Trophäe zu finden. Foyt hält zudem den Rekord an „Indy“-Einsätzen. Gleich 35-mal ging der Amerikaner zwischen 1958 und 1992 auf der wegen seiner Ovalform „Nudeltopf“ genannten Strecke an den Start.
Ziegelsteine als Markenzeichen
Eben jener Start erfolgt in Indianapolis traditionell fliegend. Elf Reihen zu je drei Autos werden in der im Vorfeld ausgetragenen Qualifikation ausgefahren. Die Poleposition ganz innen wird bereits eine Woche vor dem Rennen ausgefahren. Auch die Start-Ziel-Linie ist eine Besonderheit des „Indy 500“. Wo andernorts die Markierung lieblos mit Farbe auf den Asphalt gepinselt ist, fährt man in Indianapolis über einen knapp einen Meter breiten Streifen mit Ziegelsteinen. Der „Brickyard“ ist das letzte Überbleibsel von rund 3,2 Mio. Ziegelsteinen, mit der der Kurs bis 1935 zur Gänze gepflastert war.

AP/Mike Groll
Vorjahressieger Franchitti kniet vor dem berühmten „Brickyard“.
Erst allmählich wurden die Ziegel gegen renntauglichen Asphalt ausgetauscht. Als Hommage an vergangene Zeiten gehört es für den Sieger und seinen Teamchef auch zum guten Ton, den „Brickyard“ im Anschluss an die Siegesfeiern zu küssen. Diese Tradition führten auch zahlreiche in Europa bekannte Rennfahrer durch. So trugen sich frühere und spätere Formel-1-Weltmeister wie Jim Clark (1965), Graham Hill (1966), Mario Andretti (1969), Emerson Fittipaldi (1989, 1993) und Jacques Villeneuve (1995) in die Siegerliste ein.
Jährlich 400.000 Zuschauer
Dass das „Indy 500“ dank Traditionen und spannender Rennen ein Publikumsmagnet ist, versteht sich von selbst. 257.000 Sitzplätze stehen den Fans auf den Tribünen zur Verfügung. Die Plätze im Inneren des Betonovals mitgerechnet wohnen dem Rennen jährlich rund 400.000 Menschen bei. Besonders berüchtigt ist dabei die Partyzone „The Snake Pit“ („Schlangengrube“) am inneren Rand der ersten Kurve.
Auch die Prominenz ist traditioneller Gast im Oval. Zahlreiche Stars aus Film, Fernsehen und Sport nutzten sogar die Gelegenheit eine Trainingsrunde auf dem berühmten Kurs zu drehen. Seit 1997 wird auch das Startsignal per grüner Flagge von einem Prominenten oder Ehrengast gegeben. 2010 hatte etwa Hollywood-Star Jack Nicholson die Ehre, das „Indy 500“ zu eröffnen.
Schnelle Frauen und der Tod
Das Rennen im „Nudeltopf“ ist aber, im Gegensatz zur Formel 1, keine reine Männerangelegenheit mehr. 1977 debütierte mit Janet Guthrie die erste Frau in Indianapolis und erreichte immerhin Platz 26. Mittlerweile fährt das vermeintlich „schwache Geschlecht“ auch um die Podestplätze mit. Selbigen erreichte 2009 erstmals die Amerikanerin Danica Patrick mit Rang drei.
Vergangenes Jahr schaffte es Patrick mit Rang sieben ebenfalls in die Top Ten, den Sieg holte sich zum zweiten Mal nach 2007 der Schotte Dario Franchitti. Heuer sind vier Frauen aus vier verschiedenen Ländern am Start: die US-Amerikanerin Patrick, Simona de Silvestro aus der Schweiz, Pippa Mann aus Großbritannien sowie die Brasilianerin Ana Beatriz. Sarah Fisher (USA), die selbst in Indianapolis gefahren ist, wird als Besitzerin eines Rennstalls den Bewerb aus der Boxengasse verfolgen.
Neben all den Triumphen und Traditionen gehört aber auch der Tod zum Begleiter der „Indy 500“. Insgesamt 14 Fahrer verloren seit dem ersten Rennen 1911 ihr Leben im Rahmen der Veranstaltung. Die ersten Todesopfer gab es 1919 mit Louis LeCocq und Arthur Thurman (beide USA) zu beklagen. Als bisher Letzter verlor der Amerikaner Swede Savage als Folge eines schweren Unfalls sein Leben.
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