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Mit Trotzreaktion nach Island

Mit einem verschlafenen Start hat sich das ÖHB-Team am Mittwoch schon zu Beginn die große Chance verbaut, sich erstmals auf sportlichem Weg vorzeitig für eine Handball-EM-Endrunde zu qualifizieren. Nach dem 20:28 (8:15) gegen Deutschland gab es im heimischen Lager harte Selbstkritik. Was gegen die DHB-Sieben möglich gewesen wäre, bewies die Auswahl von Magnus Andersson erst nach dem Seitenwechsel.

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„Wir haben scheiße angefangen“, konnte der schwedische Teamchef seinen Ärger nicht verbergen. „Wir haben viel über Pascal Hens (sechsfacher deutscher Torschütze, Anm.) und die zweite Welle gesprochen, dann macht er seine ersten Tore aus der zweiten Welle.“ Während Deutschland mit dem Druck des drohenden EM-Qualiausscheidens umzugehen wusste, wirkte Anderssons Auswahl in der Innsbrucker Olympiahalle von Beginn an zu nervös.

Schnell war der Weltmeister von 2007 auf 10:3 davongezogen. Vor allem DHB-Kapitän Hens riss ein ums andere Mal Lücken in die österreichische Abwehr. „Wir haben gewusst, dass es ein schwieriges Spiel wird“, sagte der 31-jährige Rückraumspieler vom deutschen Meister HSV. „Von Beginn an waren wir heiß, und das hat man uns, glaube ich, auch angesehen.“

Konrad Wilczynski (Österreich)

GEPA/Andreas Pranter

Auch Wilczynski konnte die Kohlen nicht aus dem Feuer holen.

„Wurfquote war abscheulich“

Dabei war für einen österreichischen Erfolg alles perfekt angerichtet. Die knapp 7.000 heimischen Fans in der 8.000 Zuschauer fassenden Olympiahalle sorgten von der ersten Minute an für einen „Hexenkessel“ und peitschten das ÖHB-Team nach vorne. Einzig die Leistung von Kapitän Viktor Szilagyi und Co. wollte sich der tollen Stimmung zunächst nicht anpassen.

„Wir haben uns auf das Spiel gefreut und waren hoch konzentriert“, sagte Goalie Thomas Bauer, der nach einer Viertelstunde den glücklosen Nikola Marinovic ersetzte. „Unsere Wurfquote aus dem Feld war aber abscheulich. Einzig Konrad Wilczynski, der alle sechs Siebenmeter verwertete, präsentierte sich fehlerlos.“ Auch Andersson konnte mit seiner Offensive nicht zufrieden sein. „Wir haben im Angriff ohne Geduld und fehlerhaft agiert“, sagte der 45-Jährige, der vor dem Spiel von seinem persönlichen Höhepunkt als Trainer gesprochen hatte.

Spiel stand an der Kippe

Nach dem Seitenwechsel ging noch einmal ein Ruck durch die Mannschaft, und beinahe wäre das Spiel noch gekippt. Nach einem klaren 8:15-Rückstand zur Pause verkürzte die ÖHB-Sieben in Überzahl innerhalb von 105 Sekunden auf 11:15 und kam 15 Minuten vor Schluss sogar auf zwei Tore heran. Die Aufholjagd kostete aber zu viel Kraft, und schließlich setzte es noch eine klare Niederlage.

„Da haben wir Charakter gezeigt, aber so eine erste Hälfte kann man sich gegen die Deutschen nicht erlauben“, sagte Flügelspieler Wilczynski. „In der zweiten Hälfte haben wir gezeigt, wie es geht, aber das kam zu spät. Wir waren klarer Außenseiter, aber wir haben eine sensationelle EM-Quali gespielt. Die Stimmung in der Halle war auch sensationell.“

Dass es allerdings noch einmal eng wurde, war auch der DHB-Auwahl bewusst. „Man schaut auf die Anzeigetafel und fragt sich: ‚Was ist denn hier los?‘“, meinte DHB-Kapitän Hens. „Wir haben aber den Schalter zum Glück noch einmal umlegen können.“ Den Schlüssel zum Erfolg sah Teamchef Heiner Brand auch in der Weltklasseleistung von Tormann Silvio Heinevetter, der 25 Schüsse abwehren konnte und eine Fangquote von über 50 Prozent aufwies. „In den entscheidenden Phasen war Silvio da“, lobte Brand. „Heute hat er große Impulse gesetzt.“

Jubel von Silvio Heinevetter, Lars Kaufmann und Sebastian Preiss (Deutschland)

GEPA/Andreas Pranter

Torhüter Heinevetter (l.) und seine Kollegen ließen sich nach dem Sieg feiern.

Endspiel gegen Island

Während sich die deutschen Männer mit dem Sieg in Innsbruck bereits vorzeitig für die EM 2012 in Serbien qualifizierten, steht für das ÖHB-Team am Sonntag (18.30 Uhr MESZ, live in ORF Sport Plus) gegen Island in Reykjavik ein Endspiel um das zweite Endrundenticket in der Gruppe fünf auf dem Programm. Dank des sensationellen Heimsiegs gegen den Olympiadritten Ende Oktober 2010 in Wiener Neustadt reicht der Andersson-Auswahl dabei bereits ein Punkt für den Aufstieg.

„Jetzt spielen wir gegen eine Weltklassemannschaft. Aber es gibt eine Chance, die jüngsten beiden Spiele gegen Island waren ganz eng“, sagte der Schwede. Auch Wilczynski erwartet sich von seinen Kollegen gegen Island eine Trotzreaktion. „Wir können mit Druck umgehen, das haben wir bewiesen. Wir haben mittlerweile genug Erfahrung. Wir fahren nach Island, um mindestens einen Punkt zu holen.“

Wolfgang Rieder, ORF.at aus Innsbruck

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