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„Die Rundfahrt ist kein Wunschkonzert“

Zwei Monate nach dem Tod seines Teamkollegen Wouter Weylandt startet Thomas Rohregger als ÖRV-Hoffnungsträger am Sonntag in die Österreich-Rundfahrt. Gelingt dem 28-jährigen Leopard-Trek-Profi der zweite Gesamtsieg nach 2008? Im ORF.at-Interview spricht Rohregger über seine Gefühle, die prominente Konkurrenz und das umstrittene Funkverbot.

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ORF.at: Thomas Rohregger, mit welchen Gefühlen starten Sie am Sonntag in die Österreich-Rundfahrt?

Thomas Rohregger: Nach Wouters Tod war es nicht einfach, zur Tagesordnung überzugehen. Und bei der Dauphine machte mir der Bauch zu schaffen. Der übermäßige Antibiotikakonsum der vergangenen zwei Jahre macht sich leider bemerkbar. Meine Darmflora ist ruiniert. Aber ich habe gut trainiert, es ist mein Heimrennen, und ich bin motiviert. Ich bin aber nicht so vermessen, zu sagen, ich gehe an den Start und werde gewinnen. Wie gut meine Form ist, ob sie gut genug ist, weiß ich nicht. Ich fahre einfach und lasse mich überraschen.

ORF.at: Als Ex-Gesamtsieger (2008) peilen Sie wohl das Podium an?

Rohregger: Die Rundfahrt ist kein Wunschkonzert. Die Konkurrenz ist stark. Speziell bei der Bergankunft am Kitzbühler Horn muss einfach alles passen, sonst ist der Gesamtsieg kein Thema. Favoriten sind diesmal andere. Denis Mentschow, Carlos Sastre. Ich selbst werde mich so teuer wie möglich verkaufen.

ORF.at: Sind Fahrer wie Sastre unter normalen Umständen zu besiegen?

Rohregger: Das sind Topfahrer, die Tour, Giro und Vuelta gewonnen haben. Schlichtweg andere Kaliber, die, sofern sie in Topform sind, nicht oder nur sehr, sehr schwer zu schlagen sind. Einmal in Schwung, sind sie nicht zu bremsen. Was nicht heißt, dass sie nicht einen schlechten Tag erwischen können. Aber selbst dann bräuchte ich einen sehr guten. Im Vorhinein ist das kaum zu prognostizieren.

Radfahrer Thomas Rohregger

ORF.at/Carina Kainz

Thomas Rohregger hat den zweiten Österreich-Tour-Triumph im Visier.

ORF.at: Die Frage ist doch: Wie motiviert sind Starfahrer bei der Österreich-Rundfahrt, wenn zeitgleich die Tour de France läuft?

Rohregger: Sie werden sehr motiviert sein, weil sie bzw. ihr Team die UCI-Punkte brauchen. Sie wollen erstklassig werden und im nächsten Jahr bei der Tour starten. Dazu müssen sie fleißig Punkte sammeln. Ein Rennen wie die Österreich-Rundfahrt kommt ihnen da gelegen. Was Besseres könnte ihnen nicht passieren. Also keine Sorge, die Burschen sind höchst motiviert. Leider (lacht). Die Gegner sind stark wie nie. Den Fans wird diesmal wirklich was geboten.

ORF.at: Mit Stefan Denifl haben Sie einen zwar gehandicapten, aber motivierten Lokalmatador im eigenen Team. Wie beurteilen Sie diese Situation?

Rohregger: Das ist eher gut, denn schlecht. Zwei Tiroler mit Perspektiven im selben Team bei der Österreich-Rundfahrt, was kann es Spannenderes geben. Ich hoffe, Stefans Probleme werden nicht zu groß, unter Vollbelastung oder im Training, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Wobei wir im Team, was ich festhalten muss, auch andere starke Bergfahrer wie z. B. Oliver Zaugg haben. Wir sind breit aufgestellt, das ist super. Von daher können wir als Team einiges bewegen und können nicht auf ein, zwei Personen reduziert werden. Das macht uns unberechenbar. Das ist ein immenser Vorteil.

ORF.at: Zum Nachteil, auch in Sachen Sicherheit, könnte das neue, teaminterne Funkverbot werden. Was denken Sie darüber?

Rohregger: Ich finde das ganze Thema und die Diskussion darüber sinnlos. Die Fahrer wieder zum Denken zu animieren, wie es so oft heißt, ist absoluter Schwachsinn, weil wir die meisten Entscheidungen ohnehin spontan und ohne den Floh im Ohr treffen. Der Funk liefert uns wichtige Informationen wie Schotter auf der Straße in 50 km oder ein Rettungsfahrzeug, das uns mit vollem Tempo entgegenkommt. Das sind lebenswichtige Infos, ohne die unser Sport noch gefährlicher wird. Das ist für mich unverständlich.

ORF.at: Den ferngesteuerten Radfahrer gibt es nicht?

Rohregger: Natürlich bekommen wir Infos von hinten. Aber es wird in der Diskussion darüber immer auf den Rennverlauf reduziert. Viel mehr geht es um Sicherheitsaspekte. Wenn der Radsport interessanter gemacht werden muss, dann sollen sie den Funk doch wie in der Formel 1 transparent und für die Zuseher hörbar machen. Das ergibt Sinn. Alles andere ist Blödsinn.

ORF.at: Wobei diese Entscheidung natürlich nicht Tour-Direktorin Uschi Riha, sondern dem Weltverband anzukreiden ist.

Rohregger: Na klar. Leider treffen diese Entscheidungen Personen, die vom Sport so etwas von weit weg sind, dass es schon traurig ist. Sie haben gar nicht den Einblick, um die Tragweite ihrer Entscheidungen absehen zu können. Das ist brutal. Und wenn was passiert, sind sowieso wieder die anderen Schuld. Dieser Bürokratismus, die Ahnungslosigkeit und die Doppelmoral widern mich an.

ORF.at: Wie lauten Ihre persönlichen Wünsche für die Österreich-Rundfahrt?

Rohregger: Dass ich eine schöne Woche in der Heimat verbringe und dabei viel Spaß habe. Denn mit dem Spaß kommt der Erfolg. Wir in unserem Team, so wie wir sind, können eine Gaudi haben. Die letzten Wochen schweißten uns zusammen. Und wir wissen, dass der Erfolg für den Weiterbestand der Mannschaft wichtig ist. In Österreich und zeitgleich bei der Tour de France. Vielleicht schießen wir auch dort den Vogel ab. Aber egal ob Schleck, Rohregger oder sonst wer. Für uns alle ist es eine Ehre, das Leopard-Trek-Trikot tragen zu dürfen.

Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at

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