Schrecken, Tränen und Kritik
Die meisten Spielerinnen sind auf dem Spielfeld gelegen und haben hemmungslos geweint. DFB-Boss Theo Zwanziger legte tröstend den Arm um die schockierte Bundestrainerin Silvia Neid: Um 23.14 Uhr war am Samstag aus dem deutschen Titeltraum endgültig eine Illusion geworden. „Ich bin fassungslos. Ich kann es nicht glauben. Es ist alles aus und vorbei“, rang Verteidigerin Linda Bresonik um Worte.
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„Ich bin sehr, sehr traurig“, sagte Neid nach der bitteren 0:1-Niederlage der deutschen Frauen gegen Japan im Viertelfinale der Heim-WM. Die „Sommerparty“ endete jäh, bevor sie eigentlich richtig losgegangen war. Das Tor von Karina Maruyama in der 108. Minute traf die DFB-Auswahl bis ins Mark. Niemand im deutschen Lager war darauf vorbereitet, bereits eine Woche vor dem Finale die Koffer zu packen und die Heimreise anzutreten.

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Das bittere Ende eines Traums
Herber Rückschlag
„Ich werde irgendwie noch gar nicht erwartet zu Hause. Wir hängen jetzt so ein bisschen in der Luft. Es ist so geplant, dass wir uns im Laufe des Tages trennen. Aber ehrlich gesagt, haben wir darüber noch gar nicht gesprochen“, gestand Neid, die ihre Mannschaft noch auf dem Rasen zu einem Kreis versammelte. „Ich habe ihnen gesagt, dass es so etwas eben gibt im Fußball und dass wir das verkraften müssen.“
Nicht nur für die Spielerinnen und die Stimmung in Deutschland, auch für die 47-jährige Teamchefin ist das frühe Scheitern ein herber Rückschlag. Die Frage, ob sie sich selbst etwas vorzuwerfen habe, beantwortete Neid leicht gereizt. „Ich mache mir jetzt eigentlich gar keinen Vorwurf. Ich werde das Spiel analysieren, wenn ich mir danach irgendeinen Vorwurf machen müsste, werde ich Sie daran teilhaben lassen“, sagte sie nach dem Ende der Rekordserie von 15 WM-Spielen (davon 14 Siege) ohne Niederlage.

AP/Jens Meyer
Birgit Prinz beendete ihre erfolgreiche Karriere auf der Bank.
Unwürdiger Abschied für Prinz
Dennoch wird sich Neid Kritik gefallen lassen müssen, nicht nur wegen des umstrittenen Umgangs mit Kapitänin Birgit Prinz, die nach 214 Länderspielen ihr internationales Karriereende auf der Bank erlebte und dementsprechend sauer war. „Ich habe mich fit gefühlt und hätte gerne gespielt. Die Trainerin hat aber anders entschieden. Ich akzeptiere das“, grummelte Prinz. Zuvor war sie teilnahmslos hinter den Mitspielerinnen hergetrottet, die zum Abschied ein Banner (Ein Team - Ein Traum - Millionen Fans - Danke!) durch die Arena trugen.
Statt der 33-Jährigen einen versöhnlichen Abschied zu bescheren, wechselte Neid in der 102. Minute Alexandra Popp für Inka Grings ein. Für die Rekordnationalspielerin tue es ihr „sehr, sehr leid“, so Neid. „Ich hätte mir gewünscht, dass wir noch zwei Spiele mehr gehabt hätten. Das ist kein schöner Abgang. Es geht aber nicht nur Birgit so, sondern auch Ariane Hingst.“ Dabei hatte die Trainerin der dreimaligen Weltfußballerin bei ihrem viel beachteten öffentlichen Auftritt zwei Tage zuvor ein „bisschen ergriffen“ gelauscht und bessere Laune bescheinigt.
Mit der war es dann endgültig vorbei, selbst ein Quasiangebot von Zwanziger für ein Abschiedsspiel konnte Prinz’ Miene nicht aufhellen. „Das ist nicht der richtige Moment, darüber zu reden. Ich bin total frustriert und mache mir keine Gedanken, ob es irgendein Abschiedsspiel gibt.“ Noch schlimmer verlief der Abend für Kim Kulig. Die 21-Jährige zog sich bereits in der vierten Minute einen Kreuzbandriss im Knie zu, wie sich später bei einer Kernspintomographie bestätigte. „Das war schon ein Schock“, sagte Neid.
Rabenschwarzer Tag
Großes Manko der über weite Strecken überlegenen deutschen Frauen war die Abschlussschwäche. Selbst größte Chancen ließen Kerstin Garefrekes, Jungstar Okoyino da Mbabi, Laudehr oder Grings ungenutzt. „Wir hatten einen rabenschwarzen Tag. Wir hätten auch vor dem leeren Tor stehen können und hätten es nicht gemacht“, erklärte die beim 4:2 im abschließenden Gruppenspiel gegen Frankreich noch als Matchwinnerin gefeierte Grings.
Millionen Fans hatten erneut vor den Fernsehschirmen oder im Freien mitgefiebert. WM-Lokomotive Steffi Jones hatte das Drama auf der Frankfurter Fanmeile verfolgt und rang „wahnsinnig traurig“ nach Worten. „Wir hatten uns so viel vorgenommen, wir wollten bis ins Finale“, befand die Präsidentin des WM-Organisationskomitees. Trotz allem befürchtete Zwanziger keinen „Imageschaden“. Bei aller Enttäuschung könne man die Leistung des DFB nicht daran messen, „dass wir immer Welt- und Europameister werden“.
Im Gegenteil: „Ich bin froh, dass die Weltspitze im Frauenfußball deutlich enger zusammengerückt ist“, meinte der DFB-Chef, der zuvor versucht hatte, zu trösten, wo es nur ging. Dass Neid, die die Mannschaft in drei Monaten generalstabsmäßig auf die „Gold-Mission“ vorbereiten konnte, nun persönliche Konsequenzen ziehe, glaubt Zwanziger nicht. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Sie muss auch mit so einer Niederlage leben, sie wird es analysieren und sich die Frage stellen, was ist schiefgelaufen“, sagte Zwanziger. "Danach werde man sehen, „wie es weitergeht“.
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