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Tor im Mittagsschlaf geträumt

Der erst sechste Sieg in einem WM-Turnier war für Japans Fußball-Frauen der bisher größte. Der 1:0-Triumph nach Verlängerung am Samstag in Wolfsburg über Titelverteidiger und Gastgeber Deutschland war der erste WM-Erfolg der Japanerinnen gegen ein europäisches Team, der ihnen auch den erstmaligen Einzug in ein WM-Halbfinale sicherte.

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Karina Maruyama sorgte mit ihrem Goldtor in der 108. Minute dafür, dass die „Nadeshiko“ (Prachtnelke), wie Japans Frauen-Auswahl genannt wird, in neuer Blüte erstrahlt. An ihren Siegtreffer im Viertelfinale und an das Aus für das favorisierte DFB-Team hatten die deutschen Fans nicht im Traum gedacht - Maruyama schon. „Im Mittagsschlaf habe ich geträumt, dass ich ein Tor schießen werde. Ist das nicht unglaublich“, betonte die erst nach der Pause eingewechselte Matchwinnerin.

Tränen der Freude

Nach dem erstmaligen Einzug Nippons in ein WM-Halbfinale flossen nicht nur bei den unterlegenen Deutschen Tränen. „Ich habe vor Freude geweint“, gestand Japans Kapitänin Homare Sawa. Die 32-Jährige wurde bei ihrer bereits fünften WM-Teilnahme als „Spielerin des Spiels“ ausgezeichnet. Sie überzeugte als unermüdliche Ballverteilerin - und ihr Traumpass auf Maruyama leitete das Siegtor ein.

„Wir haben diese Kombination im Training geübt. Ich habe als Wechselspielerin noch einmal richtig Gas gegeben“, sagte Maruyama, die nach einem gewonnenen Laufduell Deutschlands Torhüterin Nadine Angerer aus extrem spitzem Winkel überwand. „Ich bin stolz auf meine Spielerinnen. Sie haben großartig gekämpft“, sagte Trainer Norio Sasaki, der sein Team psychologisch geschickt auf das Duell mit dem Titelverteidiger eingestellt hatte.

Japans Fußballcoach der Damen, Norio Sasaki

Reuters/Ina Fassbender

Japans Teamchef Sasaki in ungeahnten Sphären.

Traum vom Finale

Die Asiatinnen waren mit nur drei Siegen aus 16 WM-Spielen (zwei Unentschieden, elf Niederlagen, 13:40 Tore) zu ihrer sechsten Endrundenteilnahme nach Deutschland gereist. Mit dem überraschenden Viertelfinal-Sieg verdoppelte der Außenseiter seine WM-Erfolgsbilanz. Und gegen die deutschen Frauen hatten die Japanerinnen zuvor in acht Länderspielen bei einem Unentschieden siebenmal verloren, dabei dreimal in WM-Spielen.

Japan war vor der Endrunde in Deutschland nur 1995 (2:1 gegen Brasilien), 2003 und 2007 (6:0 bzw. 1:0 gegen Argentinien) zu WM-Erfolgen gekommen. Das Abschneiden bei den bisherigen fünf Weltmeisterschaften fiel mit den Plätzen zwölf (1991), acht (1995), 14 (1999), zehn (2003) und zehn (2007) äußerst bescheiden aus. Nun startete Nippon mit 2:1 gegen Neuseeland und 4:0 gegen Mexiko in das Turnier, vom 0:2 im dritten Spiel gegen England ließen sich die Deutschen offenbar täuschen.

Statt der DFB-Elf treffen nun die Japanerinnen am Mittwoch in ihrem ersten WM-Halbfinale in Frankfurt am Main auf Schweden oder Australien. „Wenn man gegen den Gastgeber und Favoriten Deutschland gewinnt, hat man auch Chancen auf den Einzug ins Finale“, träumte Coach Sasaki bereits vom nächsten WM-Coup für das Reich der aufgehenden Sonne, das heuer im März durch die Erdbeben-, Tsunami- und Atomkatastrophe so schwer getroffen wurde.

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