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Australier lässt Kritiker verstummen

Cadel Evans galt als Pechvogel und „ewiger Zweiter“. Nachdem er 2007 bei der Tour de France Platz zwei belegt hatte, rechnete man damit, dass er die Tour im folgenden Jahr gewinnen würde. Doch es reichte wieder nur zu Rang zwei. Im Vorjahr führte er in der Gesamtwertung, ehe ihn ein Sturz mit Ellbogenbruch hoffnungslos weit zurückwarf. Doch nun ist er doch noch am Ziel angekommen.

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Der Gewinn des Weltmeistertitels 2009 war ein Meilenstein, am Sonntag ist der Australier mit der Triumphfahrt auf den Champs-Elysees endgültig im Kreis der ganz Großen angekommen und darf sich als erster australischer Sieger der Tour de France feiern lassen.

Erster Sieg in Österreich

Zehn Jahre lagen zwischen dem ersten Sieg des Ex-Mountainbikers in einem UCI-Straßenrennen und dem Sieg in Paris. Die Premiere gelang in Österreich, am 14. Juni 2001 ließ Evans auf dem Kitzbühler Horn alle Rivalen hinter sich und gewann auch die Gesamtwertung der Österreich-Tour. Am Sonntag war er nach vielen Rückschlägen auch bei der größten und wichtigsten Rundfahrt der Welt die Nummer eins. Der „Clown mit dem traurigen Gesicht“, wie ihn die Sportzeitung „L’Equipe“ nannte, hatte allen Grund zu lachen.

Auch in seiner Heimat war der Jubel groß. „Ich bin sicher, die Einwohner von Victoria werden ihre Unterstützung für Cadel Evans zeigen wollen. Ich lade alle Einwohner von Victoria ein, ein bisschen Gelb zu tragen“, sagte der Premier des Bundesstaates, Ted Ballieu. Victorias Sportminister Hugh Delahunty forderte Arbeitgeber zur Nachsicht auf, falls Angestellte wegen ihrer „Nachtschichten“ beim Radsport vor dem TV-Gerät zu spät kommen sollten.

Cadel Evans am Champs Elysees

AP/Laurent Cipriani

Paris war für Evans die weite Reise wert

Viele bittere Niederlagen

Evans, am 14. Februar 1977 im Northern Territory geboren, gilt als „Individualist“, der sich in relativ schwachen Mannschaften gegen Gegner mit viel stärkeren Helfern stets ein bisschen mehr ins Zeug legen musste. An Niederlagen hatte sich der während der Saison im Tessin lebende „Aussie“ gewöhnt: Unter den vielen zweiten Plätzen ragen die Jahre 2007 und 2008 heraus, als er in der Tour - 2008 gegen den Spanier Carlos Sastre sogar als großer Favorit - jeweils nur den Ehrenplatz belegte. Evans hat zwar als einer von wenigen Fahrern Führungstrikots in allen drei großen Rundfahrten und das Regenbogentrikot des Weltmeisters getragen, zumindest ein schwacher Tag verhinderte aber in früheren Jahren immer einen Erfolg in einem dreiwöchigen Rennen.

„Ich habe viel Kritik kassiert in den vergangenen Jahren“, sagte Evans, der wegen seiner vorsichtigen Art oft verspottet worden war. Doch der Gewinn des WM-Titels in Mendrisio, nahe seiner Schweizer Wahlheimat, gab ihm viel Vertrauen in seine Stärke. Zudem hat er bei BMC nun ein stärkeres Team zur Seite. Bei seinem Coup im Zeitfahren von Grenoble am Samstag attackierte er die Brüder Schleck und bewahrte - wie in den Alpen, als er nach Attacken der Konkurrenz und eigenen Defekten ins Hintertreffen geraten war - zugleich die Nerven. „Diese Situation war ja nicht neu für mich“, erklärte er.

Kein gewöhnlicher Radprofi

Nach dem Zeitfahren vermochte der mit einer italienischen Pianistin verheiratete Evans seine Emotionen nicht mehr im Zaum zu halten. Bei der Siegerehrung hatte er ebenso Tränen in den Augen wie später im Gedenken an seinen italienischen Langzeitcoach Aldo Sassi, der im Vorjahr gestorben war. „Er hat mir immer gesagt, dass ich die Tour gewinnen kann. Heute für ihn hier zu sein ...“

Sassi hatte aus Evans einen Straßenradprofi geformt, nachdem dieser zuvor Erfolge im Mountainbike gefeiert hatte. Evans wuchs in dem Aborigines-Städtchen Katherine auf. „Wir hatten keinen Fernseher, also dauerte es bis 1991, bis ich zum ersten Mal Bilder der Tour de France gesehen habe“, erzählte Evans. Heute engagiert er sich selbst für Projekte zugunsten der Aborigines und unterstützt die Bewegung „Free Tibet“. Seine Frau Chiara hat ihm eine Patenschaft für ein tibetisches Kind geschenkt, das in Nepal aufwächst, und das Paar hat den Buben auch schon in Kathmandu besucht.

Lange als Bruchpilot verschrien

Dass Evans selbst Hauptdarsteller in Frankreich sein würde und als ältester Tour-Sieger der Nachkriegszeit in die Historie eingeht, hatte lange niemand für möglich gehalten. Obwohl talentiert und fleißig, galt er als „Bruchpilot“. 2004 strich sein Team Telekom ihn aus dem Tour-Kader, weil er nach Ansicht der Mannschaftsleitung wegen seines Fahrstils eine Gefahr für die Teamkollegen sei. Im Jahr zuvor hatte er sich bei Stürzen dreimal das Schlüsselbein gebrochen.

Bei Dopingtests und den diversen Affären fiel Evans nie auf. Doch auf eine Frage nach Doping und ob er Galionsfigur eines sauberen Sports sei, wiegelte er am Samstag entschieden und zur Überraschung der Reporter ab. „Ich bin der Falsche, darüber zu reden“, sagte er.

Für BMC-Rennstallchef John Lelangue und Teambesitzer Andy Rihs ist Evans’ Erfolg der erste in der Tour de France - 2006 war ihrem damaligen Phonak-Teammitglied Floyd Landis (USA) nachträglich der Sieg wegen Dopings aberkannt worden.

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