Kriegstänze als Markenzeichen
In Österreich wird in Mannschaftssportarten gerne die Größe des Landes und die geringe Einwohnerzahl als Ausrede für Misserfolg benutzt. Dass Bevölkerungszahl und Erfolg nicht automatisch Hand in Hand gehen, beweist ein Blick auf die Rugby-WM. Fidschi, Samoa und Tonga haben gemeinsam weniger Einwohner als Wien - und gehören trotzdem zur erweiterten Weltspitze.
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Rund eine Million Menschen bevölkert die drei Inselstaaten im Pazifik, in denen das Spiel mit dem eiförmigen Ball zum populärsten Zeitvertreib zählt. Bei Weltmeisterschaften sorgten die Insulaner bereits für die eine oder andere Überraschung. Auch bei der WM 2011 in Neuseeland zählen Fidschi, Tonga und Samoa zu den gefährlichen Außenseitern. Neben leidenschaftlichem Einsatz und gesunder Härte haben die drei Teams noch etwas gemeinsam: Alle drei stimmen sich mit martialischen Kriegstänzen auf ihre Spiele ein.
Rugby-verrücktes Fidschi
Fidschi ist mit rund 830.000 Einwohnern, verteilt auf 110 von 332 Inseln, nicht nur die bevölkerungsreichste, sondern im Rugby auch traditionell erfolgreichste Nation des Trios. So wie in Neuseeland und Wales ist Rugby auf Fidschi Nationalsport Nummer eins. 36.030 Menschen sind laut Internationalem Verband (IRB) offiziell als Spieler registriert, das Nationalteam rangiert in der Weltrangliste auf Platz 15. In Österreich (Platz 79) sind 1.573 Spieler gelistet - bei zehnmal mehr Einwohnern.

AP/NZPA, Ross Setford
Fidschi hat in Sachen WM-Statistik noch Vorsprung auf Samoa
Bei Weltmeisterschaften agierten die Männer mit der Palme auf der Brust bei bisher fünf Teilnahmen recht erfolgreich. 1987 und 2007 schaffte Fidschi immerhin den Sprung ins Viertelfinale. Länderspiele beginnen traditionell mit dem „Cibi“. Seit 1939 gehört der Kriegstanz, der damals erstmals als Antwort auf den „Haka“ der Neuseeländer von den Rugby-Spielern aufgeführt wurde, zum Markenzeichen des Teams.
Gläubige „Manu Samoa“
Noch aggressiver als Fidschi beim „Cibi“ geht das Nationalteam von Samoa bei ihrem „Sivi Tau“ zu Werke. Eine Aggressivität, die sich heuer bisher bezahlt machte. Denn die nach einem berühmten Krieger, „Manu Samoa“, genannte Mannschaft überraschte im Juli mit einem klaren 32:23 beim zweimaligen Weltmeister Australien. In der Weltrangliste stürmten die Samoaner, die wegen ihrer tiefen christlichen Überzeugung nicht sonntags trainieren, auf den zehnten Platz nach vor.
Samoa kann bei einer Einwohnerzahl von 180.000 aus einem Reservoir von 23.372 Spielern schöpfen. Den größten Erfolg auf WM-Ebene feierte „Manu Samoa“, das von 1924 bis 1997 unter dem Namen Western Samoa antrat, bei den Titelkämpfen 1991. Samoa besiegte in der Gruppenphase sensationell Wales (16:13) und Argentinien (35:12) und verlor gegen den späteren Weltmeister Australien nur knapp mit 3:9. Im Viertelfinale hatten die tapferen Krieger aus dem Pazifik jedoch ihre Kraft verbraucht und schieden gegen England aus.
Gefürchtetes Tonga
Tonga hat mit rund 104.000 Einwohnern nicht nur die kleinste Bevölkerung des pazifischen Trios, sondern steht auch in Sachen Erfolg etwas im Schatten von Fidschi und Samoa. Bei vier WM-Auftritten reichte es für die „Ikale Tahi“ (dt. Seeadler) bisher nur zu vier Siegen. Der Einzug ins Viertelfinale blieb für die in Rot-Weiß spielenden Insulaner bisher ein unerfüllter Traum. 2007 setzte Tonga jedoch ein Ausrufezeichen, als es den späteren Champion Südafrika kräftig ins Wanken brachte und nur 20:25 den Kürzeren zog.
Tonga, das sich traditionell mit dem Kriegstanz „Sipi Tau“ auf Spiele einstimmt, machte in der Vergangenheit ob ihres harten Spielstils von sich reden. Der walisische Kapitän Jonathan Davies hatte Tonga bei einem Essen nach einem von einer Massenschlägerei überschatteten Spiels 1986 als das „schmutzigste Team, gegen das ich je gespielt habe“, bezeichnet. Die anwesenden Spieler aus Tonga applaudierten höflich. Sie hatten die auf Walisisch ausgesprochene Beleidigung schlichtweg nicht verstanden.

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Bei der WM 2011 zeigte Tonga seinen „Sipi Tau“ im Spiel gegen Neuseeland
Ausverkauf der Talente
Dass Fidschi, Samoa und Tonga nicht noch weiter vorne in der Weltspitze zu finden sind, liegt vor allem an der geografischen Nähe zu den großen Nachbarn Neuseeland und Australien. Zahlreiche Talente entscheiden sich für eine Teamkarriere bei den „All Blacks“ und den „Wallabies“. So muss Fidschi etwa auf die Dienste der Stars Joe Rokococo (Neuseeland) und Lote Tuqiri (Australien) verzichten.
Stark ist der „Ausverkauf“ auch bei Samoa. So gehörten und gehören etwa die in Samoa geborenen Mils Muliaina, Jerry Collins, Isaia Toeava und Casey Laulala zum Stamm der „All Blacks“. Doch die Verbindung zwischen Samoa und Neuseeland funktioniert auch umgekehrt. Zahlreiche bei den „Kiwis“ geborene und aufgewachsene Samoaner entscheiden sich für eine Teamkarriere im Land ihrer Eltern. So kommt es, dass etwa bei der WM 2007 zwölf Spieler im Kader Samoas gebürtige Neuseeländer waren.
Karl Huber, ORF.at
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