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Die Zähmung des Widerspenstigen

Sportler, die sich manchmal etwas danebenbenehmen, bekommen schnell den Stempel „Enfant terrible“ aufgedrückt - so etwa ÖFB-Teamspieler Marko Arnautovic. Sonny Bill Williams, aufstrebender Superstar im Rugby-Team Neuseelands, war ein „Skandalboy“ klassischer Prägung. Nun ist er drauf und dran, der Superstar der WM zu werden.

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Der 26-jährige, 1,91 m große Modellathlet aus Auckland war in den ersten beiden Spielen der „All Blacks“ nicht nur aufgrund seiner Statur ein Blickfang. Im ersten Spiel gegen Tonga zerriss er zur Freude der weiblichen Fans sein Trikot. In der zweiten Partie beim 83:7-Kantersieg gegen Japan trug sich Williams mit zwei Trys in die Scorerliste ein, in der dritten steuerte er einen Try zum 37:17-Erfolg gegen Frankreich bei. Mit seinem explosiven Spielstil ist Williams auf dem besten Weg zum WM-Liebling.

Auf Umwegen in die Königsklasse

Dabei sah es zu Beginn seiner Karriere nicht so aus, als ob er bei der Heim-WM für die „All Blacks“ auflaufen würde. Denn der Center verdiente sein erstes Profigeld in der Rugby-League-Version des Sports, die leichte Unterschiede zu dem bei der WM gespielten, klassischen Rugby-Union-Code aufweist. Bei den australischen Canterbury Bulldogs war Williams von 2004 bis 2008 bereits ein Superstar.

Sonny Bill Williams (New Zealand All Blacks) im Spiel gegen Japan

Reuters/Bogdan Cristel

Gegen Japan stürmte der 26-Jährige gleich zweimal über die Torlinie

Seine Karriere in Richtung „Königsklasse“ des Rugby leitete ein überstürzter Wechsel des Neuseeländers zum französischen Team Toulon ein. Eine überraschende Aktion, die für böses Blut zwischen Williams und seinem damaligen Arbeitgeber in Australien sorgte. Seit 2010 geht der 26-Jährige wieder in seiner Heimat für die Canterbury Crusaders auf Punktejagd.

„Schäferstündchen“ am WC

Der überstürzte und unangekündigte Abschied aus Australien war jedoch nicht der einzige Ausrutscher, den sich Williams, der von seinen Fans ehrfurchtsvoll nur SBW und „Superman“ genannt wird, in den jungen Jahren seiner Karriere leistete. Mehrmals wurde der Athlet wegen Trunkenheit am Steuer abgestraft. 2007 wurde er zu einer Strafe von umgerechnet 500 Euro verurteilt, weil er seinem Drang zum Wasserlassen an der Mauer eines Nachtclubs in Sydney nachgegeben hatte.

Im selben Jahr sorgte er für einen mittleren Skandal, als er von einem Fotografen in einer „kompromittierenden Situation“ mit der australischen Triathletin Candice Falzon in der Toilette eines Lokals erwischt wurde. Er hatte damals auch eine Freundin. Er „schäme sich“, sagte Williams und gab Alkoholprobleme zu. Eine Therapie folgte, außerdem konvertierte der damals 23-Jährige zum Islam.

Sonny Bill Williams (New Zealand All Blacks)

Reuters/Nigel Marple

Williams zeigt seinen trainierten Körper gerne der Öffentlichkeit

Perfekte Boxbilanz

Nach der Überwindung seiner Probleme fasste Williams auch im Nationalteam Neuseelands Fuß. Der Center ist der erste Moslem, der das schwarze Trikot der „All Blacks“ überstreifte - und zugleich erst der zweite frühere Rugby-League-Spieler, der den Sprung in das Union-Nationalteam schaffte. Williams fand auch einen neuen Weg seine nicht auf dem Rugby-Feld verbrauchte Energie loszuwerden.

Lokalrunden tauschte der aufstrebende Rugby-Star mit Runden im Boxring. Der 26-Jährige ist seit 2009 auch als Profiboxer erfolgreich. Nach vier Kämpfen hält Williams noch immer bei einer makellosen Bilanz. Zwei seiner Kämpfe gewann der 26-Jährige durch technisches K. o. Wie hart der Nebenerwerbsboxer zu sich und seinen Gegnern ist, zeigt der Umstand, dass er bei seinen letzten beiden Kämpfen jeweils mit im Rugby erlittenen Verletzungen im Ring stand.

Persönlicher Erfolg steht hintan

Bei der Heim-WM hat Williams trotz seines Status aber keinen Stammplatz. Der Modellathlet mit samoanischen Vorfahren kam etwa gegen Japan erst in der zweiten Hälfte zum Einsatz. Doch Sticheleien in Richtung Trainerstab sind dem ehemaligen „Enfant terrible“ aber mittlerweile fremd. „Natürlich will jeder spielen, aber bei unserem Team gibt es nur eine limitierte Zahl an Chancen“, so Williams, „die muss man dann natürlich nutzen.“

Und dass der Innendreiviertel, wie seine Position auf Deutsch heißt, gewillt ist, seine Chancen zu nutzen, bewies er im Spiel gegen die tapferen „Kirschblüten“ aus Japan, als er, den Ball nur in einer Hand haltend, zu einem geschmeidigen Sturmlauf in Richtung Malzone ansetzte.

Im Vordergrund steht jedoch nicht der eigene Ruhm, sondern das große Ziel WM-Titel im eigenen Land. „Ich bin froh, dass ich dabei sein kann“, so Williams, „es bringt nichts, sauer zu sein, wenn man nicht spielt. Denn wenn alle sauer sind, werden wir unser großes Ziel nicht erreichen.“ Und das würden die Fans ihren „All Blacks“ noch weniger verzeihen als eine neuerliche Eskapade ihres jungen Superstars.

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