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Die Konstante im englischen Fußball

Elizabeth II. ist die eine große Konstante in Großbritannien, die andere heißt Sir Alexander Chapman Ferguson. Während die Queen aber erst im Februar 2012 den 60. Jahrestag ihrer Thronbesteigung begeht, feiert der 69-jährige Schotte bereits am Wochenende ein für Fußballverhältnisse unglaubliches Jubiläum: Seit 25 Jahren leitet Ferguson als Trainer nun schon die Geschicke von Manchester United.

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Am 6. November 1986 wurde Ferguson zum Coach der „Red Devils“ ernannt. Vor einem Vierteljahrhundert war etwa Ronald Reagan mitten in seiner zweiten Amtszeit als US-Präsident, Michail Gorbatschow forderte am 27. KPdSU-Parteitag „Glasnost“, und die Sowjetunion schoss das Kernmodul der „Mir“ in die Umlaufbahn. Während aber die Raumstation bereits seit mehr als zehn Jahren auf dem Grund des Pazifiks liegt, zieht Ferguson in der Coachingzone noch immer erfolgreich seine Bahnen.

In den 25 Jahren als United-Trainer machte Ferguson aus einem Mittelstandsverein das Maß aller Dinge im englischen Fußball. In seiner Ära holte der Club zwölf seiner 19 Meistertitel. Der letzte Triumph in der Saison 2010/11 machte den Club auch zum alleinigen Rekordchampion vor Liverpool. Die „Reds vom Thron zu stoßen“ war auch das große Ziel von Ferguson bei seinem Amtsantritt. Überdies gewann Ferguson fünfmal den FA-Cup, viermal den Ligacup, insgesamt zehnmal den Community Shield (fünfmal als Charity Shield), zweimal die Champions League und je einmal den Europacup der Cupsieger, den UEFA-Supercup, den Weltcup und die Club-WM.

Alex Ferguson mit Manchester United Mannschaft

APA/EPA/Andreu Dalmau

Der CL-Sieg 1999 hat auch in Fergusons Trainerherz einen besonderen Platz

Ein Sir und ein Genie

Das erfolgreichste Jahr war 1999, als Ferguson im CL-Finale das „Triple“ mit dem legendären 2:1-Sieg über Bayern München dank zweier Treffer in der Nachspielzeit von Teddy Sheringham und Ole Gunnar Solskjär schaffte. Nach dem für viele United-Fans schönsten Sieg der Clubhistorie wurde Ferguson von der Queen zum Ritter geschlagen und darf sich seitdem Sir Alex nennen. „Das alles klingt ein bisschen wie ein Märchen, weil ich nie gedacht hätte, das es so lange dauert. Ich weiß das sehr zu schätzen“, meinte Ferguson.

Sir Bobby Charlton, die Ikone der ersten United-Ära in den 50er und 60er Jahren, sieht in Ferguson gar „ein Genie und vielleicht den besten Trainer, den dieser Sport je gesehen hat“. „In jeder Saison dürfen wir mit einem Titel spekulieren und meistens schaffen wir auch einen. Das alles liegt nur an ihm und sonst keinem“, erklärte der 74-Jährige, der maßgeblichen Anteil an der Verpflichtung von Ferguson hatte und seine Entscheidung bis heute ganz sicher nie bereute.

„Diese Burschen saufen zu viel“

Dabei war die Anfangsphase von Ferguson gar nicht einmal von Erfolg geprägt. Der damals 44-Jährige, der zuvor mit Aberdeen sensationelle Erfolge in Schottland gefeierte hatte, bei der WM 1986 als Nationalcoach mit dem Team nur den letzten Gruppenplatz holte, trat sein Amt mit großen Zweifeln an. „Diese Burschen saufen zu viel“, war der ernüchternde Eindruck nach dem ersten Training mit den skandalerprobten Stars Norman Whiteside und Paul McGrath.

Alex Ferguson 1984

AP/William Stevens

Fergusons Erfolge mit Aberdeen machten ihn für United interessant

Als Ferguson seinen Vorgänger Ron Atkinson ablöste, lag das Team auf dem 21. Platz, die Saison wurde als Elfter beendet. Im zweiten Jahr unter dem Schotten schaute der Vizemeistertitel heraus, neun Punkte hinter Liverpool. 1988/89 wurde United wieder Elfter. Es folgte die Saison, die Ferguson als „schwärzeste Periode, die ich je in diesem Sport erlebt habe“ bezeichnete.

Ein 1:5-Debakel im Derby gegen Manchester City und Rang 13 mit nur fünf Punkten Vorsprung auf einen Abstiegsplatz standen am Ende zu Buche. Der Schotte stand kurz davor, als Trainer gefeuert zu werden, rettete seinen Job allerdings mit dem Sieg im FA-Cup. „Ich musste ein Team aufbauen, als ich begann. Viele wichtige Entscheidungen wurden in dieser Zeit getroffen, und wir haben Klarschiff gemacht“, sagte Ferguson. Für Charlton war eine Entlassung kein Thema, denn „wir sahen, dass etwas entstand“.

„Fergie’s Fledglings“

Der Sohn eines Schiffsbaugehilfen aus Glasgow befreite sich nach und nach von Altlasten und installierte ein Jugendsystem, das in der Zukunft Stars wie Ryan Giggs, David Beckham, Paul Scholes, Nicky Butt und Phil und Gary Neville hervorbringen sollte, die später unter dem Namen „Fergie’s Fledglings“ (Fergies Grünschnäbel, Anm.) firmierten. „Ferguson verdanke ich alles. Meinen ersten Vertrag bei Manchester United unterschrieb ich an meinem 14. Geburtstag in seinem Büro. Die Torte dafür brachte er mit“, sagte Beckham dem „Daily Mirror“.

Geschickter Umgang mit „Problemkickern“

Der große Aufschwung gelang allerdings schon zuvor. Federführend dabei war Eric Cantona. Der streitbare Franzose wurde von Ferguson von Leeds verpflichtet und führte Manchester United 1993 zum ersten Meistertitel seit 1967. Zwei Jahre später wurde Cantona für seinen legendären Kung-Fu-Tritt gegen einen Fan für acht Monate gesperrt. Ferguson hielt aber bis 1997 an Cantona fest und bewies schon damals seinen geschickten Umgang mit „Problemkickern“.

Auch das irische Raubein Roy Keane wurde unter Fergusons Führung zum Star und United-Kapitän. „Ich habe Glück gehabt, solche Spieler betreuen zu dürfen. Das waren alles fantastische Spieler“, erinnerte sich Ferguson, der auch beim Portugiesen Cristiano Ronaldo und Wayne Rooney, der immer wieder seine Unberechenbarkeit an den Tag legt, sein gutes Händchen für problematische Talente unter Beweis stellte.

Der streitbare Ferguson

Dass auch Ferguson selbst rauere Töne anschlagen kann, brachte ihm bei seinen Spielern den Spitznamen „Fön“ ein. Eine dieser Brüllattacken bekam auch Musterschüler Beckham zu spüren. Im Februar 2003 trat der Trainer wütend einen Fußballschuh in Beckhams Gesicht. Das Foto mit der zugeklebten Augenbraue des Superstars ging um die Welt, in der nächsten Saison war „Becks“ bei Real Madrid. Aber auch Schiedsrichter und sogar die BBC sind vor „Fergies“ Zorn nie sicher.

David Baeckham

Reuters/Jeff Mitchell

Das Cut von Beckham nach Fergusons Ausraster war Thema Nummer eins

Der öffentlich-rechtliche Fernsehsender brachte im Jahr 2004 eine Dokumentation über die Transfergeschäfte von Fergusons Sohn Jason, der als Agent tätig war und von der Position des Vaters profitieren würde. Ferguson verweigerte danach jede Wortspende an die BBC, ein Boykott, den er erst im August 2011 nach sieben Jahren beendete. Da das Rechtepaket der BBC allerdings auch Interviews beinhaltete, musste der Club über die Jahre mehrmals Geldstrafe bezahlen.

Bald 70 Jahre und noch nicht müde

Dass Ferguson trotz seiner am 31. Dezember erreichten 70 Jahre seine Tätigkeit als United-Coach demnächst an den Nagel hängen wird, darf hingegen getrost bezweifelt werden. Fans, Spieler und die Kaugummiindustrie - Ferguson kaut bei jedem Spiel mehrere Exemplare der zähen Masse - dürfen noch ein paar Jahre mit dem Trainer rechnen. „Ich mache so lange weiter, wie ich mich gesund fühle. Wenn ich morgen aufhöre, schmeißt mich meine Frau Cathy raus“, stellte Ferguson klar.

Seinen letzten Rücktrittsgedanken machte der Schotte übrigens in der Saison 2001/02 öffentlich. Als der Club danach in eine veritable Krise rutschte, änderte Ferguson aber sofort seine Meinung und versprach zu bleiben. Die Idee der Clubführung, Englands Teamchef Sven-Göran Eriksson zu verpflichten, war damit vom Tisch, und Manchester United hatte elf weitere der insgesamt 27 Titel in der Ferguson-Ära im Sack.

Christian Wagner, ORF.at

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