K.-o.-Schlag in 92. Minute
Marcel Kollers Debüt als Teamchef der österreichischen Nationalmannschaft hat am Dienstag mit einer unglücklichen Niederlage in der Ukraine geendet. Die über weite Strecken stark spielende ÖFB-Auswahl unterlag dem EM-Gastgeber in Lwiw (Lemberg) mit 1:2 und verlor das letzte Ländermatch des Jahres alles andere als verdient.
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31.879 Zuschauer in der EM-Arena Lwiw durften früh das Führungstor der Ukrainer durch Artem Milewski (18.) bejubeln. Nach der Pause erzwang Marko Arnautovic nach Kopfball von Marc Janko ein Eigentor von Oleksandr Kutscher zum 1:1 (71.). Der Treffer wurde allerdings im offiziellen Spielbericht des Schiedsrichters Janko zugeschrieben. Der bittere K.-o.-Schlag folgte dan in der 92. Minute, als Marko Devic (92.) in Unterzahl noch das aus Sicht der Gastgeber glückliche Siegestor erzielte. Kutscher hatte davor bereits die Gelb-Rote Karte gesehen (81.).
Almer-Debüt im Tor
Die fieberhaften Arbeiten im Innenraum der EM-Arena Lwiw waren bis zum Anpfiff zumindest so weit abgeschlossen worden, dass die Partie sicher über die Bühne gebracht werden konnte. Die vereinzelten „Löcher“ in der spektakulären Dachkonstruktion zeugten dennoch davon, dass man bis zum Start der EM 2012 noch einiges zu tun hat. Auch Koller hatte seine Überlegungen zur Aufstellung natürlich rechtzeitig erledigt. Im Tor begann Düsseldorf-Reservist Robert Almer. Er hatte den Vorzug gegenüber den Austria-Goalies Heinz Lindner und Pascal Grünwald erhalten.

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Der Winter zeigte mit den Akteuren auf dem Feld kein Erbarmen
Ansonsten überraschte der Schweizer nicht - Franz Schiemer begann wie erwartet rechts in der Viererkette. Marko Arnautovic agierte in der 4-4-1-1-Formation als hängende Spitze hinter Solostürmer Janko. Bei Temperaturen unter dem Gefrierpunkt hatte der Stadionsprecher die Stimmung mit fast unmenschlich lauter Musik aufgeheizt. Rechtzeitig zu Spielbeginn begann es zu schneien, um den Abschluss des Länderspieljahres vorweihnachtlich zu umrahmen.
Nervöser Beginn
Spätestens beim Abspielen der Hymnen kam dann im schnell dichter werdenden Schneetreiben echte Gänsehautstimmung auf. Die Großbaustelle hatte sich in einen Hexenkessel verwandelt, in dem die Österreicher in der Anfangsphase Mühe hatten, cool zu bleiben. Zahlreiche Fehlpässe und Missverständnisse prägten die ersten Minuten der Ära Koller. Der Neo-Teamchef tauchte früh an der Grenze seiner Coachingzone auf, um Arnautovic und Co. zur Ordnung zu rufen. Der Mannschaft von Oleg Blochin gelang allerdings auch nicht viel.
Die erste große Chance hatte vielmehr die ÖFB-Auswahl, nachdem der durchgebrochene Ivanschitz an der Strafraumgrenze gefoult worden war. Arnautovic (10.) schoss den Freistoß in die Mauer, mit dem Nachschuss von Schiemer hatte Ukraine-Keeper Andrej Dikan keine Probleme. Das Match bot auch in der Folge ein wildes Hin und Her. In der 13. Minute reklamierte Ivanschitz beim norwegischen Schiedsrichter Svein Oddvar Moen vehement Elfmeter, nachdem ihn Arnautovic per Doppelpass ideal in den Strafraum geschickt hatte.

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Torhüter Dikan wurde immer wieder zum Spielverderber für die Österreicher
Kalte Dusche im Schneetreiben
Das Pfeiferl des Skandinaviers blieb stumm, und das Unheil nahm seinen Lauf. Immer wieder verloren die Österreicher in der Vorwärtsbewegung den Ball, vor allem Schiemer hatte im Spielaufbau und in der Defensive seine liebe Not. In der 18. Minute nahmen die Ukrainer schließlich eine dieser Einladungen an. Oleksandr Alijew ließ Schiemer stehen, spielte einen perfekten Querpass auf Milewski, und der bullige Mittelstürmer schoss aus kurzer Entfernung eiskalt zum 1:0 ein. Die kalte Dusche zum Einstand von Koller war passiert, seine Mannschaft bäumte sich aber sofort auf.
Obwohl die rechte ÖFB-Seite mit Martin Harnik und dahinter Schiemer weiter offen war wie ein Scheunentor, kam die Offensive nun besser in Schwung. Ein Kopfball von Sebastian Prödl (23.) nach Ivanschitz-Corner strich knapp über die Latte. Ein herrlicher Außenristschuss von Arnautovic (29.) verfehlte die linke Ecke ebenfalls nur hauchdünn. Als auch ein ambitionierter 25-Meter-Versuch von Julian Baumgartlinger um Zentimeter an der rechten Stange vorbeisauste, konnte man schon von Schusspech sprechen.
Einmal hatten die enorm lauf- und einsatzfreudigen Österreicher vor der Pause aber auch noch Glück, als Ruslan Rotan (37.) die lange Ecke vom Sechzehner nur knapp verfehlte. ÖFB-Debütant Almer, der beim Gegentor chancenlos gewesen war, hätte sich vergeblich gestreckt. Unmittelbar vor dem Halbzeitpfiff wurde ein Freistoß von Christian Fuchs (45.) noch zur Beute von Goalie Dikan. Koller schickte sein Team dann unverändert aus der Kabine zurück aufs Feld, wo sich Almer in den ersten Minuten der zweiten Spielhälfte gleich zweimal vor Milewski und Alijew retten musste.
Janko vergibt, Schewtschenko kommt
Auf der anderen Seite hatte plötzlich Janko (51.) den Ausgleich auf dem linken Fuß. Der Twente-Torjäger hatte sich am Strafraum mit einem schönen Haken Platz gemacht, sein Schuss fiel aber zu unplatziert aus und war somit kein Problem für Dikan. Nachdem sich der starke Almer noch einmal gegen den links unbedrängt vor seinem Tor aufgetauchten Jewgeni Konopljanka (55.) ausgezeichnet hatte, kam Nationalheld Andrej Schewtschenko für den Torschützen Milewski ins Spiel.
Koller brachte auf der rechten Seite Veli Kavlak für Harnik, am Drücker blieben vorerst die Gastgeber. Mit den Fans im Rücken spielten die Ukrainer die überlegteren und auch gefährlicheren Angriffe. Zudem lauerten sie geschickt auf Konter, die das Team von Blochin immer wieder schnell vor das österreichische Tor brachten. Einer der zu diesem Zeitpunkt seltenen Gegenstöße der Gäste über die linke Seite sollte dann aber zum Ausgleich führen.

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Arnautovic (l.) setzte sich diesmal nicht nur spielerisch in Szene
Janko bekommt Ausgleich zugesprochen
Fuchs flankte aus vollem Lauf in den Fünfmeterraum, wo Janko hochstieg und den Ball per Kopf in Richtung Tor brachte. Über die Linie hatte es die Kugel aber noch nicht geschafft, ehe Arnautovic seinen Gegenspieler Kutscher im Laufduell so bedrängte, dass dieser aus kurzer Distanz zum 1:1 (71.) ins eigene Tor traf.
Da der Schiedsrichter im Spielbericht aber Janko als Torschützen festhielt, geht der Treffer auf das Konto des ÖFB-Kapitäns. Nach dem nun offiziell zehnten Tor im 24. Länderspiel von Janko wollten die erlöst wirkenden Österreicher nachsetzen: Emanuel Pogatetz (76. und 77./jeweils per Kopf) und Ivanschitz (77.) hätten die Partie in dieser Phase beinahe auf den Kopf gestellt.
Zehn Minuten vor Schluss kam es dann zu tumultartigen Szenen auf dem Spielfeld, nachdem Arnautovic mit Verteidiger Jaroslaw Rakitski aneinandergeraten war. Der Bremen-Legionär sah nach minutenlanger, wilder Rudelbildung die Gelbe Karte. Kutscher musste mit Gelb-Rot (80.) und unter heftigen Flüchen gegen Arnautovic vom Feld. Das Finish eines ohnehin schon emotionalen Spiels geriet somit zur Nervenschlacht.
Ende mit Schrecken
Bis zur 92. Minute hielten die Österreicher mit viel Herz und Leidenschaft das Remis, ehe die trotz Unterzahl andrückenden Ukrainer doch noch jubeln konnten. Der eingewechselte Devic bezwang den chancenlosen Almer aus kurzer Distanz, nachdem er per Querpass ideal in Szene gesetzt und von der ÖFB-Innenverteidigung sträflich vernachlässigt worden war. Unglücklicher hätte das sonst alles andere als enttäuschende Debüt von Koller kaum zu Ende gehen können.
Harald Hofstetter, ORF.at aus Lwiw
Freundschaftliches Länderspiel
Dienstag:
Ukraine - Österreich 2:1 (1:0)
Lwiw, 31.879 Zushauer, SR Svein Oddvar Moen (NOR)
Torfolge:
1:0 Milewski (18.)
1:1 Janko (71.)
2:1 Devic (92.)
Ukraine: Dikan - Fedezki (46./Butko), Kutscher, Rakizki, Selin - Timoschtschuk, Rotan (46./Garmasch) - Jarmolenko (64./Gusew), Alijew (75./Devic), Konopljanka (86./Nasarenko) - Milewski (56./Schewtschenko)
Österreich: Almer - Schiemer, Prödl, Pogatetz, Fuchs - Harnik (60./Kavlak), Baumgartlinger, Alaba, Ivanschitz - Arnautovic - Janko
Gelb-Rote Karte: Kutscher (81.)
Gelbe Karten: Fedezki, Rakizki bzw. Janko, Prödl, Arnautovic
Die Besten: Jarmolenko, Konopljanka, Timoschtschuk bzw. Almer, Baumgartlinger, Janko
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