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Stadien fertig, aber noch viele Baustellen

Die Ukraine scheint knapp 190 Tage vor Beginn der Europameisterschaft 2012 gut auf das Turnier vorbereitet. Die Arbeiten an den Flughäfen schreiten voran, die vier Spielstätten sind fertig. Doch Fans sollten lieber nicht hinter die Kulissen schauen, raten Einheimische.

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Wegen der Verzögerungen stand lange die Drohung der Europäischen Fußball-Union (UEFA) im Raum, der Ukraine das Turnier wieder wegzunehmen. Doch mit der Gruppenauslosung für die Endrunde von 8. Juni bis 1. Juli 2012 in Polen und der Ukraine am Freitag (18.00 Uhr, live in ORF eins) in Kiew wird einer der letzten Meilensteine erreicht.

Probleme liegen auf der Straße

Ein halbes Jahr vor dem EM-Start ist das zweitgrößte Flächenland Europas, das als erste Ex-Sowjetrepublik ein solch bedeutendes Turnier ausrichtet, die größten Sorgen los. Vor allem die Stadien gelten als Blickfang. Schon lange wird in den modernen Arenen der ostukrainischen Städte Charkiw und Donezk, die von der UEFA jeweils mit fünf Sternen die Höchstwertung erhielten, Erstliga-Fußball geboten.

Allein die beiden hauptsächlich von Oligarchen finanzierten Stadien sollen je rund 500 Millionen US-Dollar (373 Mio. Euro) gekostet haben. Doch die Probleme liegen buchstäblich auf der Straße. „Stadien und Flughäfen sind etwas anderes als eine voll entwickelte Infrastruktur“, sagt der Sportreporter Artjom Franko der Nachrichtenagentur dpa.

Viel Arbeit bis Juni

Zwar wurde vor wenigen Wochen endlich auch das Olympiastadion in der Hauptstadt Kiew fertig, in dem am 1. Juli 2012 das EM-Finale steigt. Doch das Konfetti von der pompösen Eröffnungsfeier mit Popstar Shakira war noch nicht gekehrt, da rissen Arbeiter das frische Pflaster schon wieder auf, um Leitungen zu verlegen - vor der Party war dafür keine Zeit. Und rundherum fahren weiterhin schwere Raupen und dröhnen Betonmischer: Die Gegend um das Stadion gilt als Verkehrsnadelöhr der 2,7-Millionen-Einwohner-Metropole.

Außerhalb der Hauptstadt nehmen die notorischen Straßenprobleme noch zu. Die wichtigste Autobahn von Kiew über den Spielort Lwiw (Lemberg) zur polnischen Grenze ist von Schlaglöchern übersät. Richtung Osten, nach Charkiw und Donezk, sieht es fast noch schlimmer aus. Da wird die 729 Kilometer lange Strecke stellenweise zur Schotterpiste.

EM-Touristen vor großer Herausforderung

Der für die EM-Vorbereitung zuständige Vizeregierungschef Boris Kolesnikow hat stets aufs Neue versprochen, das Problem zu lösen. Und in der Tat werken Arbeiter Tag und Nacht an der Renovierung. Kritiker warnen allerdings, dass der eilig aufgetragene Beton das Turnier nicht lange überstehen werde.

Die Verkehrsprobleme der Ex-Sowjetrepublik, die auch durch den Einsatz südkoreanischer Schnellzüge ausgeglichen werden sollen, sind aber wohl nicht das größte Hindernis für ausländische EM-Besucher. Mehr Sorgen bereiten die mangelnden Sprachkenntnisse des Personals. So fanden Reporter heraus, dass Polizisten in Kiew - etwa in Englisch - nicht nur keine Wegbeschreibungen geben konnten, sondern nicht einmal verstanden, ob der Fragesteller zum Arzt oder zum Restaurant wollte.

Große Teams pendeln aus Polen in die Ukraine

Kopfschmerzen bereiten auch die Hotels. Eine dpa-Recherche in Kiew ergab, dass sich die Zimmerpreise dort während der EM im Durchschnitt verdreifachen. Überhaupt gibt es viel zu wenig Betten - so etwa in Donezk, das anders als Kiew und Lwiw keine klassische Touristenstadt ist. Fans, die Spiele in Donezk anschauen wollen, sollten lieber anderswo übernachten und nur für die 90 Spielminuten in die Industriestadt pendeln, rät sogar Gouverneur Anatoli Blisnjuk.

„Große Teams wie Deutschland oder England werden nur für die Spiele in die Ukraine fliegen. Wohnen und trainieren werden sie in Polen“, vermutet Fußballkommentator Franko. Auch die Mannschaft der Niederlande hat sich bereits auf Polen als Quartier festgelegt. „Ihre Lösung für die ukrainische Wirklichkeit ist: sie zu vermeiden“, spottet Franko.

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