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„Ich habe Glück, noch am Leben zu sein“

Ein Jahr nach seinem tragischen Sturz im Abfahrtstraining auf der Streif ist der Salzburger Hans Grugger wieder auf dem Weg zurück. Das Comeback rückt näher und könnte schon in der kommenden Saison über die Bühne gehen. Einen Start in Kitzbühel schließt der 30-Jährige freilich noch aus. Im ORF.at-Interview spricht Grugger über die Hahnenkammrennen, seine Gefühle und den beschwerlichen Weg zurück.

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ORF.at: Herr Grugger, mit welchen Gefühlen blicken Sie den Rennen in Kitzbühel entgegen?

Hans Grugger: Das ist so weit kein Problem für mich, weil ich froh bin, dass es für mich so schön ausgegangen ist und es mir gutgeht. Ich hoffe aber, dass diesmal alles gutgeht, ohne Stürze und schwere Verletzungen. Ich freue mich sogar auf die Rennen, weil sie immer lässig sind, daran hat mein Unfall nichts geändert.

ORF.at: Wie kommen Sie mit der Zuschauerrolle zurecht?

Grugger: Natürlich bin ich ein bisschen traurig, dass ich selbst nicht runterfahren kann. Wenn man aber bedenkt, wie knapp ich mit dem Leben davongekommen bin, wie viel Glück ich hatte, bin ich froh, dass ich mir die Rennen überhaupt noch anschauen kann. Sogar normal Ski fahren werde ich wieder können, mein Leben, der tägliche Ablauf, ist wieder wie vor dem Sturz. Von daher bin ich sehr zufrieden und liebend gerne Zuschauer. Ich darf mich wirklich nicht beschweren.

ORF.at: Welche Rolle spielt der Sport derzeit in Ihrem Leben?

Grugger: Eine große, ich sehe mich nun absolut wieder als Sportler, weil ich täglich fleißig am Trainieren bin, weil ich wieder fit werden will, um nächstes Jahr um diese Zeit vielleicht schon wieder richtig in Form zu sein, um Rennen fahren zu können. Ich bin nichts anderes als ein Sportler, der verletzungsbedingt pausieren muss wie viele andere zuvor auch.

Hans Grugger beim Training

GEPA/Andreas Pranter

Grugger stand im Oktober das erste Mal wieder auf Skiern

ORF.at: Dachten Sie nie an den Abschied vom Skisport?

Grugger: So ganz ist es nicht. In den Tagen und Wochen nach dem Sturz war ich ja nicht ganz da. Als ich wieder halbwegs klare Gedanken hatte und darüber nachdenken konnte, wurde mir erst bewusst, wie schwer es mich eigentlich erwischt hatte. Da wollte ich es mit dem Sport sein lassen. Mit der Zeit hat sich dieser Gedanke aber verflüchtigt. Ich machte in der Reha gute Schritte, fasste neuen Mut. Ich wollte wieder dort anschließen, wo ich vor dem Unfall war. Und so war für mich bald klar, dass ich es noch einmal probieren würde.

ORF.at: Was fühlen Sie beim Gedanken an die Mausefalle?

Grugger: Das sehe ich relativ emotionslos. Ich muss die Gedanken daran auch nicht verdrängen, weil ich mich sowieso nicht erinnern kann. Der Respekt ist natürlich da. Deshalb werde ich die Streif auch im nächsten Jahr, selbst wenn ich topfit wäre und wieder starten könnte, mit Sicherheit auslassen. Grundsätzlich wäre es für mich aber absolut denkbar, in Kitzbühel wieder zu fahren, sofern alle Faktoren passen und es gutläuft. Erzwingen werde ich allerdings nichts, das ist klar.

ORF.at: Ihr schwierigster Moment in den vergangenen Monaten?

Grugger: Am härtesten war, als ich von den Medikamenten wieder runterkam. Ich war bis oben voll davon. Als ich erstmals realisierte, dass ich nicht gehen konnte, dass der rechte Fuß taub war. Diese Sachen waren irrsinnig schwer für mich zu verkraften. Auch später immer wieder. Wenn mir bewusst wurde, wie viel Glück ich hatte, überhaupt noch am Leben zu sein. Noch immer, sobald ich mit jemandem darüber rede, kommen diese Gefühle in mir hoch. Es fällt mir schwer, darüber zu sprechen.

Wie schafften Sie es, all die Probleme mental zu meistern?

Grugger: Weil in meinen Gedanken das Positive überwogen hat, selbst beim Problem mit dem Fuß, als ich draufkam, dass ich die Schaufel nicht heben konnte. Ich habe mir klare Ziele gesetzt und diese relativ schnell auch erreicht. Es ging stetig bergauf. Und mit jedem Fortschritt ist die Motivation gestiegen.

ORF.at: Glauben Sie auch daran, auf der Piste an alte Leistungen anschließen zu können?

Grugger: So weit habe ich noch gar nicht gedacht. Aber natürlich hofft man, wieder der Alte zu werden oder das zu erreichen, was man zuvor schon einmal erreicht hat. Zuerst muss ich aber jene körperliche Fitness erreichen, die ich vor dem Unfall hatte. Noch habe ich gewisse Sensibilitätsstörungen im Fuß. Er ist noch nicht 100-prozentig gesund. Bis es so weit ist, muss ich mir übers Rennfahren auch keine Gedanken machen. Erst dann mache ich den nächsten Schritt.

ORF.at: Wann rechnen Sie mit Ihrem Comeback?

Grugger: In der nächsten Saison könnte es möglich sein. Dann geht es aber vor allem darum, mich in den Punkterängen zu klassieren, um dann Schritt für Schritt weiterzuschauen. Ich bin nicht so verwegen zu glauben, ich könnte gleich wieder in die Top Ten fahren. Das wäre unrealistisch. Ich muss mir kleine Ziele setzen. Der größte Erfolg ist für mich ohnehin, dass ich überhaupt wieder starten werde können. Darüber hinaus denke ich nicht nach, das kommt von allein.

Das Gespräch führte Michael Fruhmann, ORF.at aus Kitzbühel

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