Rodler aus Tonga als Streitpunkt
Panama und Tonga kennt der Durchschnittseuropäer am ehesten als Reiseziele. 2014 wollen beide Länder ein großes Stück Exotik in den olympischen Eiskanal von Sotschi bringen. Während Panama an einem Bobteam bastelt, sorgt ein Rodler aus Tonga für Aufregung - weniger mit seiner Leistung als mit seinem Namen.
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Ganz nach dem Vorbild des jamaikanischen Vierers - Stichwort: „Cool Runnings“ - bei den olympischen Spielen im kanadischen Calgary 1988 plant Panama, ein Bobteam nach Russland zu entsenden. Christoph Zollinger, 42-jähriger Schweizer Anwalt mit panamaischer Staatsbürgerschaft, kam bei einer Touristenfahrt in St. Moritz auf den Geschmack und will 2014 den mittelamerikanischen Staat im Zeichen der olympischen Ringe vertreten.
Teamcasting im TV
„Spirit of Panama“ heißt das Projekt, das in Sotschi ein bunten Farbtupfer in die elitäre Welt der Bobpiloten bringen soll. Der ehemalige zweifache Schweizer Weltmeister Hans Hiltebrand konnte als Trainer und Manager für das Projekt gewonnen werden. Zudem wurden ein Bob- und Wintersportverband gegründet und die Lizenzen des Weltverbandes (FIBT) und des IOC gelöst. „Die Idee, mit Panama in Sotschi zu starten, reizte mich ungemein, vor allem weil es sehr seriös geplant ist“, so Hiltebrand, für den Bob Panama I kein PR-Gag sein soll.

AP/Yekaterina Shtukina
Im neuen olympischen Eiskanal will Panama mit von der Partie sein
Mittels Castingshow im TV wurde aus 85 vornehmlich Leichtathleten die Crew von Pilot Zollinger ausgewählt. Immerhin konnte mit Jonathan Romero der zweitbeste Weitspringer Panamas für das Projekt gewonnen werden. Weiter als der 25-Jährige springt nur Irving Saladino, 2008 in Peking immerhin Olympiasieger. Arsenio Caballero (29), Eduardo Fonseca (25) sowie 100- und 200-m-Landesmeister Andreas Rodriguez (27) sind die weiteren klingenden Namen im Team.
Nach Trockentraining im Leichtathletikstadion von Panama wagten Zollinger und Co. bereits Trainingsfahrten in Innsbruck/Igls, St. Moritz und Lake Placid. Auch von ungewohnter Kälte und Stürzen ließ sich der panamaische Bob bisher nicht beirren. Im Zweierbob rangiert Panama durch Starts u. a. beim America’s Cup 2011 unter 98 Teams bereits auf Rang 55. Neben dem sportlichen ist der finanzielle Aspekt die größte Hürde für die engagierten Bob-Exoten. Das Budget von 200.000 Euro ist noch nicht völlig abgedeckt.
Die rodelnde Unterwäschewerbung
Sorgen um Sponsorgelder muss sich Tongas bester Rodler, Bruno Banani, keine machen. Der 24-Jährige änderte auf Anraten eines gewitzten Marketingberaters seinen Namen Fuahea Semi in jenen einer deutschen Unterwäschefirma. Bei der Rodel-WM in Altenberg war der Mann aus dem Pazifik damit das Gesprächsthema Nummer eins. IOC-Vizepräsident Thomas Bach nannte die Vorgehensweise des Sportlers eine „perverse Idee“. Da Semi bzw. Banani jedoch einen gültigen Pass mit seinem neuen Namen besitzt, sind dem IOC die Hände gebunden.

Reuters/Dominic Ebenbichler
Banani raste in Altenberg mehrmals an seinem Künstlernamen vorbei
Die rodelnde Unterwäschewerbung unterstrich mit seinem dritten Platz bei den Titelkämpfen für Amerika und den Pazifikraum im Dezember 2011 seinen Willen, erstmals Tonga bei Winterspielen zu vertreten. Dass damals nur fünf Athleten am Start waren, tat der Freude keinen Abbruch. Für Tonga war es die erste Rodel-Medaille überhaupt. Auch bei der WM in Altenberg schaffte Banani immerhin die Qualifikation für den Einzelbewerb.
Exoten als Farbtupfer
Einem Start bei den Olympischen Spielen in Sotschi steht damit nur noch die erfolgreiche Qualifikation im Weg. Banani und Panamas Bob wären in Russland aber auch unter den Exoten eine Ausnahme. Denn die kostenintensiven Sportarten Bob und Rodeln gehören normalerweise nicht zu den bevorzugten Anlaufstationen für Exoten. Vor allem im Langlauf und im alpinen Skisport gehören Sportler aus schneearmen Teilen der Welt traditionell zu den bunten Farbtupfern bei Olympia.
2010 in Vancouver machte der Ghanaer Kwame Nkrumah-Acheampon als „Schneeleopard“ die Pisten unsicher. Robel Teklemariam vertrat Äthiopiens Farben in der Langlauf-Loipe. Mit Marjan Kalhor nahm auch erstmals eine Skiläuferin aus dem Iran an olympischen Alpin-Bewerben teil. Der Kenianer Philip Boit darf darüber hinaus als „Urgestein“ der Exoten bezeichnet werden. Der Langläufer nahm in Vancouver zum vierten Mal an Olympia teil - und kam wie immer ins Ziel.
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