EM-Favorit verpatzt Test
Zwei Wochen vor dem EM-Ernstfall gegen Portugal hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft am Samstagabend mit der ersten Niederlage in der Schweiz seit 71 Jahren eine ernüchternde Testspielpleite kassiert.
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Beim 3:5 (1:2) in Basel offenbarte das kurzfristig aus dem Trainingslager in Südfrankreich angereiste Team von Bundestrainer Joachim Löw erstaunliche Mängel. Insbesondere im Defensivverhalten war die DFB-Auswahl ohne die acht Spieler von Champions-League-Finalist Bayern München von Turnierreife meilenweit entfernt.
Derdiyok mit Triplepack
Die Abwehr vor dem im Tor durchspielenden Debütanten Marc-Andre ter Stegen war nicht nur bei den drei Gegentoren von Leverkusen-Legionär Eren Derdiyok (21., 23., 50.) sowie den Treffern von Stephan Lichtsteiner (67.) und Admir Mehmedi (76.) orientierungslos. Der Dortmunder Mats Hummels mit seinem ersten DFB-Tor (45.), Andre Schürrle (64.) und Marco Reus (72.) betrieben vor 27.381 Zuschauer im St.-Jakob-Park lediglich Schadensbegrenzung.
„Über das Ergebnis kann man sich nicht freuen. Nach den sehr intensiven Einheiten wusste ich schon, dass die Frische fehlt. In diesem Spiel ist so viel passiert, das muss ich jetzt erst mal aufarbeiten“, sagte Löw, auf den nach der Rückkehr nach Südfrankreich, wohin am Samstag auch die Bayern um Kapitän Philipp Lahm anreisten, noch sehr viel Arbeit wartet.

Reuters/Michael Buholzer
Derdiyok bezwang Ter Stegen bei dessen Teamdebüt gleich dreimal
Deutsche Abwehr desolat
Besonders im Blickpunkt stand in Basel die Defensive und die fiel mit Pauken und Trompeten durch. Die Viererkette vor Ter Stegen, der als 51. Neuling in der Ära Löw ein ordentliches Debüt zwischen den Pfosten gab, wirkte desolat und musste erstmals unter Löw fünf Gegentore hinnehmen. So viele Treffer hatte die DFB-Truppe zuletzt beim 1:5 in Rumänien am 28. April 2004 kassiert, für die Eidgenossen wiederum war es der erste Sieg über den dreifachen Weltmeister seit fast 56 Jahren.
Per Mertesacker war bei seinem ersten Match nach dreimonatiger Pause wegen einer Fußverletzung nicht der von Löw erhoffte Abwehrchef, aber auch die Nebenleute Hummels, Benedikt Höwedes und Marcel Schmelzer waren gegen die spritzigeren Schweizer immer wieder zweiter Sieger.
Auch Klose und Podolski enttäuschen
Im Angriff richteten sich alle Augen auf Miroslav Klose, der in seinem 115. DFB-Einsatz Spielpraxis im Hinblick auf die EM sammeln sollte. Doch der Kapitän fand ebenso wenig ins Spiel wie Lukas Podolski, dem jegliche Explosivität fehlte. Kloses einzigen Torschuss (49.) meisterte Diego Benaglio im Schweizer Tor sicher.
Auch Mario Götze und Mesut Özil, der nach der Pause von Marco Reus abgelöst wurde, hatten mit schweren Beinen zu kämpfen. Reus belebte das deutsche Spiel und auch der 20 Minuten vor dem Ende gekommene 52. Löw-Neuling Julian Drexler trat frisch und frech wie im Schalker Trikot auf.

APA/EPA/Andreas Gebert
Joachim Löw und Ottmar Hitzfeld sahen insgesamt acht Tore
Derdiyok nützt DFB-Nachlässigkeiten
Gegen die Auswahl von Ottmar Hitzfeld sah das Spiel der DFB-Elf oft eher nach Sommerfußball denn nach einem ernsthaften EM-Test aus. Trotz 7:1 Ecken für die Löw-Schützlinge in den ersten 18 Minuten kamen die Schweizer zur ersten Chance. Derdiyoks Kopfball flog jedoch knapp am Tor vorbei (15.).
Dann wurden die Deutschen für ihre Nachlässigkeit in der Defensive bestraft. Ein Ballverlust von Götze im Mittelfeld brachte Tranquillo Barnetta ins Spiel. Der Leverkusener setzte sich auf der linken Seite energisch durch und passte zu seinem Clubkollegen Derdiyok, der mühelos zum 1:0 vollstreckte. Nur zwei Minuten später war die DFB-Abwehr erneut falsch gestaffelt, als Barnetta erneut auf der linken Seite davonzog und nach innen flankte. Unbehelligt von Mertesacker konnte sich Derdiyok per Kopf beim 2:0 die Ecke aussuchen.
Weitere 120 Sekunden später wäre die Unordnung in der Gästedefensive beinahe ein drittes Mal bestraft worden. Mit einer Blitzreaktion gegen den frei auf ihn zulaufenden Derdiyok verhinderte Ter Stegen einen Dreierpack des Schweizers innerhalb von fünf Minuten. Mit dem Kopfballtreffer nach Özil-Freistoß gestaltete Hummels eine schwache erste DFB-Halbzeit wenigstens etwas freundlicher.
Kein Aufbäumen nach der Pause
Egal was Löw den Spielern in der Pause gesagt hatte, auf dem Rasen änderte sich nichts. Nach einer Freistoßflanke von Barnetta kam Derdiyok mit dem Kopf vor Mertesacker an den Ball und traf zum dritten Mal. In die Aktionen der Deutschen kam mit Reus mehr Leben. Der künftige Dortmunder hatte in der 59. Minute mit einem Heber Pech.
Besser machte es Schürrle, der mit freundlicher Unterstützung von Benaglio zum sechsten Tor im 13. Länderspiel kam. Bei Lichtsteiners Kopfballtor zum 4:2 machte auch Ter Stegen erstmals keine glückliche Figur. Nach dem Anschlusstor durch Reus bestrafte Mehmedi die Auflösungserscheinungen in der DFB-Hintermannschaft mit dem 5:3. Gelson Fernandes scheiterte am Ende noch an der Latte (88.).
Fußball-Länderspiel
Samstag:
Schweiz - Deutschland 5:3 (2:1)
Basel, 27.381 Zuschauer, SR Gautier (FRA)
Tore: Derdiyok (21., 23., 50.), Lichtsteiner (67.), Mehmedi (76.) bzw. Hummels (45.), Schürrle (64.), Reus (72.)
Schweiz: Benaglio - Lichtsteiner, Von Bergen, Senderos, Ziegler - Fernandes (92./Djourou), Inler - Xhaka (90./Wiss), Mehmedi, Barnetta (78./Stocker) - Derdiyok
Deutschland: Ter Stegen - Höwedes (78./Sven Bender), Mertesacker, Hummels, Schmelzer - Khedira (46./Gündogan) - Schürrle, Götze (78./Lars Bender), Özil (46./Reus), Podolski (62./Draxler) - Klose (78./Cacau)
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