Lange Liste von Aufregern
Österreichs Versuch, sich für die Weltmeisterschaft 2014 zu qualifizieren, wird ohne Paul Scharner über die Bühne gehen. Der 32-jährige Niederösterreicher nahm sich mit der Abreise aus dem Teamcamp am Mittwoch selbst aus dem Spiel. Ein Zerwürfnis mit Trainer Marcel Koller über die Rolle Scharners war ausschlaggebend. Die Abreise ist nur das letzte Kapitel in der turbulenten Karriere des Querkopfs.
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Nicht zum ersten Mal überwarf sich Scharner mit einem Trainer oder Teamchef. Der Grund war meist der gleiche: Scharner fühlte sich vom jeweiligen Coach nicht genug geschätzt. Sein von Mentaltrainer Valentin Hobel ausgegebenes Motto „Geh deinen Weg“ traf nicht überall auf Gegenliebe. Die Liste von Scharners Aufregern ist mittlerweile lang. Als Erster durfte der aktuelle deutsche Teamchef Joachim Löw als Trainer bei Austria Wien die Sturköpfigkeit des Niederösterreichers kennenlernen.
Bei Austria fing es an
Am 19. Oktober 2003 verweigerte Scharner im Spiel gegen den GAK seine Einwechslung zur Pause. Grund: Trainer Löw wollte den Niederösterreicher als rechten Mittelfeldspieler bringen, Scharner fand sich auf dieser Position fehlbesetzt. Der damals 23-Jährige sah sich im zentralen Mittelfeld besser aufgehoben. Löw zog die Konsequenzen und musterte Scharner aus. Im Winter wechselte der Niederösterreicher zum damaligen SV Salzburg.
2006 folgte der erste Bruch mit dem Nationalteam. Nach einer 1:2-Niederlage gegen Ungarn kritisierte Scharner die „unprofessionellen Strukturen im ÖFB“ und sah sich nicht mehr im Stande, für das Nationalteam zu spielen. „Und zwar für immer“, sagte Scharner in einem Interview. Der damalige Teamchef Josef Hickersberger erfüllte dem Querkopf in der Folge dessen Wunsch und machte sein Versprechen, Scharner nicht mehr einzuberufen, wahr.

GEPA/Christian Singer
Schon Teamchef Hickersberger (r.) hatte mit Scharner seine Probleme
Keine Pardon bei Heim-EM
Auch als sich Scharner vor der Heim-EM 2008 wieder ins Spiel brachte („Ich bin der Meinung, dass ich helfen kann“), blieb Hickersberger seiner Linie treu und verzichtete auf den Routinier. Erst nach der Europameisterschaft und dem Rücktritt von Hickersberger fand Scharner einen Weg zurück ins Team. Karel Brückner pardonierte den Niederösterreicher, der seitdem auch unter dessen Nachfolger Dietmar Constantini zum Stamm des Nationalteams gehörte.
Nach Constantinis Abgang brachte sich Scharner als Spielertrainer ins Gespräch, erntete dafür aber höchstens ein paar Lacher. Unter dem Schweizer Koller galt der 32-Jährige wieder als gesetzt. Ausgerechnet wenige Tage nach seiner Vertragsunterschrift beim Hamburger SV in der deutschen Bundesliga überwarf sich Scharner mit dem Teamchef, weil dieser ihn gegen die Türkei nicht von Beginn an spielen lassen wollte.
Sein Image in Deutschland dürfte damit einen tiefen Kratzer erhalten haben. Schon vor seinem Wechsel zum HSV war die Geschichte aus Austria-Zeiten wieder aufgewärmt worden. Die überstürzte Abreise bedeutet für Scharner und seinen Mentaltrainer Hobel nun eine große Herausforderung in Sachen Imagekorrektur. „In dieser Hinsicht wartet sicher noch viel Arbeit auf uns“, sagte Hobel.
Abschied für immer
Der 2006 vom Spieler angekündigte Abschied „für immer“ ist nun 2012 Wirklichkeit geworden. Auch wenn in der ÖFB-Mitteilung vom Mittwoch nicht erwähnt wurde, ob Scharner jemals wieder einberufen wird, kann ein Nachgeben von Koller in der Causa ausgeschlossen werden. Der 40-fache Internationale, der erst am Montag von Koller in den Mannschaftsrat berufen worden war, wird das ÖFB-Trikot, zumindest unter dem Schweizer, nicht mehr überstreifen dürfen.
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