„Armstrong ist ein Dopingbetrüger“
Die US-amerikanische Anti-Doping-Agentur (USADA) hatte ihn in die Enge getrieben wie keinen Radprofi zuvor. Jetzt will sich Lance Armstrong nicht mehr wehren, woraufhin er sofort mit einer lebenslangen Dopingsperre und der Aberkennung seiner sieben Tour-Gesamtsiege konfrontiert wurde. Ob er die Titel behalten darf, bleibt offen. Mit dem Fall seiner Ex-Leitfigur kommen aber der gesamte Radsport und auch der Weltverband (UCI) ins Wanken.
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„Es kommt ein Punkt im Leben jedes Menschen, an dem er sagen muss: ‚Es reicht.‘ Für mich ist dieser Punkt jetzt gekommen“, erklärte der einstige Superstar in einem ausführlichen schriftlichen Statement auf seiner Homepage und schrieb von einer „Hexenjagd“ durch USADA-Chef Travis Tygart. Ein Geständnis legte Armstrong aber nicht ab. Ganz im Gegenteil: „Ich weiß, wer siebenmal die Tour gewonnen hat, meine Teamkollegen und alle, gegen die ich gefahren bin, wissen, wer die Tour siebenmal gewonnen hat“, betonte er. „Es gab keine Abkürzungen und keine speziellen Behandlungen. Dieselben Strecken, dieselben Regeln.“
Auch Weltverband in Erklärungsnot
Mit Armstrong geriet der gesamte Profiradsport ins Wanken. Im Visier der USADA ist neben Armstrong und Co. nämlich schon längst auch die UCI, die dem Texaner seit Jahren den Rücken gestärkt hatte und über jeden Zweifel erhaben schien. In den USADA-Anklagepunkten gegen Armstrong finden sich auch klare Verweise auf die UCI. Deren Präsident Pat McQuaid hat noch in London vehement gefordert, den Fall in seine Obhut zu bekommen und eigene Verstrickungen abgestritten.

APA/dpa/Gero Breloer
Armstrong bringt den internationalen Verband in die Bredouille
Die Union Cycliste Internationale (UCI) geriet unter ihrem damaligen Präsidenten Hein Verbruggen unter Verdacht, eine positive Dopinganalyse Armstrongs aus der Tour de Suisse 2001 nicht veröffentlicht zu haben. Danach erfolgten mysteriöse Spenden von Armstrong an die UCI in Gesamthöhe von 125.000 Dollar. Den Grund für die noble Gabe konnte die UCI bis heute nicht schlüssig erklären. Darüber hinaus blieb der Dachverband untätig, als Armstrong 2005 in nachträglichen Analysen EPO-Gebrauch bei seinem ersten Toursieg 1999 nachgewiesen worden war. „Die UCI hat positive Analysen niemals zurückgehalten“, sagte McQuaid in London.
Hauptdarsteller im größtmöglichen Skandal
Sollte Armstrong tatsächlich seine Tour-Titel verlieren, bleibt offen, ob überhaupt jemand zum Sieger der Rundfahrten der Jahre 1999 bis 2005 aufsteigen könnte. Armstrong erklärte, an seinen Tour-Erfolgen könne sowieso niemand etwas ändern: „Schon gar nicht Travis Tygart.“ In einem ähnlichen Fall wurde bei Bjarne Rijs eine Verjährungsfrist geltend gemacht. Der Däne durfte das Gelbe Trikot behalten - allerdings erst auf Intervention der UCI.
Die USADA will und wird Armstrong jedenfalls lebenslang sperren. Am meisten, noch mehr als die Aberkennung der Tour-Siege, dürfte den Ex-Profi, der auch einmal Ambitionen hatte, in die Politik zu wechseln, aber der immense Imageverlust zu schaffen machen. Was bliebe, wäre nicht mehr der erfolgreichste Tour-Starter aller Zeiten, ein geheilter Krebspatient mit einer schier unglaublichen Erfolgsstory, sondern der Hauptdarsteller im größtmöglichen Skandal des Radsports.
Tygart: „Ein trauriger Tag für uns alle“
„Das ist ein trauriger Tag für alle von uns, die den Sport und unsere Athletenhelden lieben“, teilte Tygart in einem Schreiben der USADA in einer ersten Reaktion mit. Der USADA-Chef legte aber auch noch einmal nach: „Das ist ein herzenbrechendes Beispiel, wie diese Gewinnen-um-jeden-Preis-Kultur im Sport, wenn sie nicht mehr kontrolliert wird, von fairem, sicherem und ehrlichem Wettkampf Besitz ergreift.“
Zur Begründung seines Entschlusses, den Kampf aufzugeben, erklärte Armstrong, das gesamte Verfahren habe einen „zu hohen Preis“ von ihm und seiner Familie gefordert. Wenn er eine Möglichkeit gesehen hätte, in einer fairen Umgebung die Vorwürfe widerlegen zu können, hätte er die Chance wahrgenommen: „Aber ich weigere mich, in einem einseitigen und unfairen Prozess mitzumachen.“
Die USADA hatte ihm keine Wahl gelassen: Entweder akzeptiert er die Anklage oder stellt sich einem Prozess. Das wollte Armstrong auf keinen Fall, obwohl ihm Öffentlichkeit in dieser Causa weiter sicher ist. Denn sein mitangeklagter ehemaliger Teamchef und Mentor Johan Bruyneel hatte den USADA-Vorwürfen widersprochen. In der bevorstehenden Verhandlung gegen ihn wird es sich die US-Behörde nicht nehmen lassen, Armstrong selbstverständlich als Zeugen zu berufen.
WADA-Chef stellt sich hinter USADA
Aus Sicht der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ist Armstrong jedenfalls ein „Dopingbetrüger“. Das erklärte WADA-Chef John Fahey am Freitag. Armstrongs Erfolge seien nichts mehr wert, betonte Fahey und verlangte weitere Schritte.
„Er hatte das Recht, die Vorwürfe auseinanderzunehmen, aber er hat sich dagegen entschieden. Daher ist unter diesen Umständen die einzige Deutung, dass diese Vorwürfe Substanz hatten. Ich kann es nur nehmen, wie es ist: Das führt zur Schlussfolgerung, dass er ein Dopingbetrüger ist“, sagte Fahey der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag. Mit Blick auf Armstrongs Erfolge fügte Fahey hinzu: „Ich verstehe das so: Wenn die Beweise auf einer Karriere gründen, die sieben Tour-de-France-Siege beinhaltet, wird all das ausgelöscht.“
Der von Armstrong heftig kritisierten USADA bescheinigte Fahey ein korrektes Vorgehen in Übereinstimmung mit den WADA-Regeln. Armstrong sei bestrebt, „den Überbringer der Nachricht zu erschießen. Das ist enttäuschend. Er ist nie vor Gericht gegangen, es hat keine Anhörung wegen seines Verhaltens gegeben. Wovon also ist er müde?“, fragte Fahey.
Augenzeugen belasten Armstrong
Die Legende des Radsportlers bröckelte schon ganz lange. Bereits im Juli 2004 erhoben zwei Journalisten schwere Dopingvorwürfe. Armstrongs einstige Teamkollegen und Edelhelfer Floyd Landis und Tyler Hamilton, beide wegen Dopings gesperrt, schlossen sich den Anschuldigungen 2010 und 2011 an. „Ich sah EPO in seinem Kühlschrank. Ich sah mehr als einmal, wie er es sich gespritzt hat“, sagte Hamilton dem TV-Sender CBS.
Die Dopingjäger werfen Armstrong jahrelanges Doping und Handel mit illegalen Substanzen vor. Er soll Teil einer regelrechten „Dopingverschwörung“ gewesen sein, zu der auch Bruyneel gehören soll. Der nicht minder umstrittene Belgier bedauerte die Entscheidung Armstrongs: „Lance hat sich nie von einem fairen Kampf in seinem Leben zurückgezogen, daher unterstreicht die heutige Entscheidung, wie ungerecht dieser Prozess gewesen ist.“
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