Themenüberblick

Letzte Niederlage vor neun Jahren

Der Serbe Novak Djokovic kam 2010/11 mit seiner Siegesserie von 43 Erfolgen en suite dem Rekord des Argentiniers Guillermo Villas auf drei Siege nahe. Esther Vergeer stellt die beiden Tennis-Stars jedoch klar in den Schatten. Die Dame aus den Niederlanden ist seit 1999 die uneingeschränkte Dominatorin im Rollstuhltennis. Das Gefühl einer Niederlage ist Vergeer seit 2003 völlig fremd.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die 31-Jährige ist einer der großen Stars der Paralympics in London. In London greift Vergeer zum vierten Mal nach Einzel-Gold. Die seit ihrem achten Lebensjahr auf den Rollstuhl angewiesene Sportlerin darf sich zu Recht als „Tennis-Königin“ bezeichnen. Vergeer nennt eine der längsten Siegesserien der Sportgeschichte ihr Eigen. Seit 469 Spielen musste die Niederländerin keine Niederlage mehr einstecken.

Esther Vergeer

APA/EPA/Gerry Penny

Eine jubelnde Vergeer gehört in London zum gewohnten Bild

„Schon ein großer Druck“

Daniela di Toro aus Australien war 2003 die letzte Gegnerin, an der sich Vergeer die Zähne ausbiss. Seitdem gab es für die Konkurrenz nichts zu holen. Die Bilanz der Dame aus Woerden lässt andere Sportler neidvoll erblassen. Neben drei paralympischen Goldmedaillen im Einzel und zwei im Doppel gewann Vergeer insgesamt 162 Einzel-Titel, davon 42 bei Grand Slams. Zwischen 2004 und 2006 gab die 31-Jährige 250 Sätze lang keinen ab. Ihre Siegesserie ist der Niederländerin selbst schon etwas unheimlich - und unangenehm.

„Ich hoffe, dass mich eines Tages irgendwann einmal jemand schlägt“, so Vergeer, „die Leute haben große Erwartungen, wenn ich auf den Platz gehe. Und das ist schon ein großer Druck.“ Ihre Landsfrau Aniek van Koot hat im Finale am Freitag als nächste Gegnerin die Chance, die Serie zu durchbrechen. Experten geben der Außenseiterin jedoch wenig Chancen. Viel mehr beschäftigt alle die Frage: Wie viele Games überlässt Vergeer ihrer Teamkollegin?

Spezieller Rollstuhl

Beim 6:1 6:0 über Sakhorn Khanthasit aus Thailand im Viertelfinale gab die 31-Jährige bisher ihr einziges Game im Turnier ab. Mit einem Aufschlag von 125 Km/h und einer Rückhand, die Außenstehende an den Stil des Schweizers Roger Federer erinnert, stürmte Vergeer souverän durch den paralympischen Bewerb in London. Ein speziell angefertigter Rollstuhl, Spitzname „Quickie“, unterstützt die ausgefeilte Technik der Niederländerin zusätzlich. In ihren Rollstuhl ist eine weiße Sitzwanne für ihre Beine gebaut - um den Energieverlust zu senken.

„Der Stuhl wurde praktisch um mich herum gebaut“, sagte Vergeer, „mit einem normalen Rollstuhl macht man sehr viele unnötige Bewegungen und verliert dadurch zu viel Energie.“ Seit einer missglückten Operation an der Wirbelsäule im Alter von acht Jahren ist die Niederländerin querschnittgelähmt. Von ihrem Handicap ließ sich Vergeer jedoch auf dem Weg zu einer der populärsten Sportlerinnen in den Niederlanden jedoch nicht aufhalten.

Rekord in Reichweite

Als Jugendliche spielte sie erfolgreich Rollstuhlbasketball. 1997 feierte sie mit dem Nationalteam die Goldmedaille bei der Europameisterschaft. Bereits ein Jahr zuvor hatte sie ihr erstes Tennisturnier bestritten. 1998 wechselte sie endgültig auf den Tenniscourt und startete ihren einzigartigen Erfolgslauf. In der Geschichte des Sports war bisher nur ein Athlet in seiner Sportart dominanter als Vergeer. Der Pakistani Jahangir Khan gewann zwischen 1981 und 1986 im Squash 555 Spiele in Folge.

Khans Rekord zu überbieten ist für Vergeer ein schönes, aber nicht das wichtigste Ziel. „Es ist keine spezielle Motivation“, so die Niederländerin, „aber natürlich möchte ich mich immer weiter verbessern.“ An ein Erreichen der Bestmarke glaubt Vergeer nicht wirklich. „Es gibt sehr viele Spielerinnen, die sehr hart arbeiten und mir bereits dicht auf den Fersen sind“, so die 31-Jährige, „ich kann jeden Tag verlieren.“ Vielleicht sogar im Paralympics-Finale am Freitag - was eine echte Sensation wäre.

Karl Huber, ORF.at

Links: