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„Depperter Glasbecher“ als Krönung

Zum ersten Mal seit Benjamin Raich im Jahr 2006 ist wieder ein alpiner Skirennläufer zu Österreichs Sportler des Jahres gewählt worden. Der 23-jährige Salzburger Marcel Hirscher hat sich dank des Gewinns des Gesamtweltcups und der kleinen Kristallkugel im Riesentorlauf die begehrte Trophäe geholt und Konkurrenten wie Fußballer David Alaba und Skisprunger Gregor Schlierenzauer hinter sich gelassen.

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Nach im Februar 2011 zugezogenem und auskuriertem Kahnbeinbruch im linken Fuß lieferte Hirscher eine perfekte Saison 2011/2012 ab. Krönung war der Gewinn des „depperten Glasbechers“ (O-Ton Hirscher) für die Gesamtwertung. Das Finale im März in Schladming war hochklassig, das bis zum Schluss währende Duell mit dem Schweizer Beat Feuz nervenaufreibend.

Raich als Vorbild in Sachen Risiko

In Kranjska Gora hat der Absolvent der Hotelfachschule Bad Hofgastein im März 2008 als Dritter im Slalom seinen ersten Stockerlplatz errungen. Großes Risiko hatte er auf die Piste gelegt und erklärt, dass er sich das von Raich abgeschaut habe. „In jungen Jahren war er Vorbild, was die Risikobereitschaft betrifft. Und auch wenn er öfters mal ausgefallen ist, er ist seiner Einstellung treu geblieben“, erzählte Hirscher.

Der Annaberger aus dem Lammertal hat seine Linie bisher ebenfalls konsequent verfolgt. Seinen ersten Weltcup-Sieg errang Hirscher im Dezember 2009 beim Riesentorlauf in Val d’Isere. Er hält nun bei zwölf Erfolgen (je sechs im Slalom und Riesentorlauf), allein in der abgelaufenen Saison war er neunmal erfolgreich.

Noch keine Medaille bei Großereignis

Bei Großereignissen verpasste der dank Mutter Sylvia „halbe Holländer“ und zweisprachig aufgewachsene Athlet Medaillen dreimal nur knapp. Bei der WM im Februar 2009 in Val d’Isere kam er im Riesentorlauf auf Platz vier, bei Olympia 2010 in Whistler wurde es im Riesentorlauf ebenfalls der vierte Rang, im Slalom der fünfte. Medaillen hat er aus Juniorenzeiten zu Hause, drei in Gold, zwei in Silber und eine in Bronze.

Die WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen verfolgte Hirscher wegen der Fußverletzung von der Couch aus mit und durchlebte eine schwierige Zeit. „Die Zeit danach war aber auch wichtig für mich. Ich dachte zuerst, ich werde zwei, drei Sekunden hinten nachfahren, das war dann Gott sei Dank nicht so. Aber es hat mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet: Es braucht nicht so viel Training, sondern nur gutes“, sagte Hirscher.

Auch sei es spannend gewesen, vor dem Fernseher und in den Zeitungen mitzuverfolgen, welche Botschaft der Skirennsport nach außen trägt. Seine Erkenntnis: „Der Sport ist gar nicht so uninteressant.“

Schladming-Triumph nach „Einfädler-Affäre“

Das Ziel für die abgelaufene Saison hatte gelautet, wieder an die Weltspitze anzuschließen. Er tat viel mehr als das. Hirscher wurde zum Superstar. Selbst die in Kitzbühel von Medien ins Rollen gebrachte belastende „Einfädler-Affäre“ steckte er im Stil eines Routiniers weg und konterte mit dem Erfolg im Nachtslalom von Schladming vor 45.000 Fans. Er nützte die Kraft der Menge zum Heimerfolg, wie er erzählte. Doch spurlos seien die Anschuldigungen an ihm nicht vorübergegangen.

Abheben ausgeschlossen

Als Hirscher als Kind einmal Hermann Maier traf („Ich dachte mir, das ist ein cooler Typ“) konnte er nicht ahnen, dass er eines Tages mit dem Flachauer in einem Atemzug genannt werden wird. Maier wie Hirscher sind Söhne von Skilehrern, die im Elternhaus die Unterstützung für ihre Leidenschaft bekommen haben. Ferdinand Hirscher ist Skischulbesitzer aus Annaberg-Lungötz, im Sommer bewirtschaftete er früher die Stuhlalmhütte in 1.465 Metern Seehöhe, als Kind hat Marcel mitgeholfen.

Hirscher vertraut im Sport einem perfekten Umfeld, Freundin Laura ist der private Rückhalt. Auf den Pisten stets an seiner Seite ist der Vater, der sich als „Unterstützer und Optimierer“ seines Sohnes bezeichnet. „Ich begleite Marcel bei den Weltcup-Rennen, weil ich sein maximales Schwungverhalten am besten kenne.“

Hirscher hofft, dass er sich menschlich und skifahrerisch immer weiterentwickelt. Aber eines schließt er aus: „Abzuheben.“ Doch eines ist gewiss: zaubert er eine erneut starke Saison auf die Piste, werden ihn die Fans im März bei der WM in Schladming auf Händen tragen.

Steckbrief Marcel Hirscher

  • Geboren am 2. März 1989 in Hallein/Salzburg
  • Wohnort: Annaberg/Salzburg
  • Größe/Gewicht: 1,73 m/77 kg
  • Familienstand: ledig, Freundin Laura
  • Verein: Skiclub Annaberg
  • Hobbys: Motocross, Kajak, Musik

Größte Erfolge:

Weltcup:

  • Gesamtsieger 2011/12
  • Riesentorlauf-Weltcupsieger 2011/12
  • Zwölf Siege (6 Slalom, 6 Riesentorlauf)

Olympia:

  • 4. Riesentorlauf 2010 Vancouver
  • 5. Slalom 2010 Vancouver

Weltmeisterschaften:

  • 4. Riesentorlauf 2009 Val d’Isere

Junioren-WM:

  • Gold Riesentorlauf 2007 und 2008 sowie Slalom 2008
  • Silber Slalom 2007 und Super-G 2009
  • Bronze Riesentorlauf 2009

Europacup:

  • Gesamt- und Slalom-Sieger 2008

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