Ibrahimovic und sein Fallrückzieher
Zlatan Ibrahimovic ist ein Mann, der polarisiert: Kritiker bezeichnen ihn als arrogant und oftmals respektlos, seine Fans lieben ihn für seine spektakulären Tore. Und davon hat der 31-Jährige Schwede, der als einer der besten Stürmer der Welt gilt, schon mehr als genug auf seiner Visitenkarte stehen.
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Sein Treffer bei der EM 2004 im Gruppenspiel gegen Italien gilt als legendär. Kurz vor Spielende erzielte Ibrahimovic das 1:1, indem er mit dem Rücken zum Tor den Ball mit der Ferse über den verdutzten italienischen Teamgoalie Gianluigi Buffon ins Tor beförderte. Nach der Partie taufte der aktuelle PSG-Superstar, dessen akrobatische Einlagen seiner Leidenschaft für den Kampfsport Taekwondo geschuldet sind, diesen Treffer zu einem „gedrehten Seitwärtsfußstoß“.
Dass es aber noch eine Spur spektakulärer geht, bewies Ibrahimovic im November bei seiner Viertoregala im Freundschaftsspiel gegen England. Vor allem Treffer Nummer vier in der 90. Minute beim 4:2-Sieg war danach weltweit das Thema, denn es war ein Fallrückzieher für die Ewigkeit. Englands Goalie Joe Hart missglückte ein Rettungsversuch per Kopf am Sechzehner gründlich. Der Ball sprang zu Ibrahimovic, der fackelte nicht lange und traf aus rund 35 Metern in die Maschen.

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Ibrahimovic verließ sich bei seinem Kunstschuss auf seinen Torinstinkt
„Glück und Können“
Nicht nur Goalie Hart verfolgte mit offenem Mund, wie das Leder in einer hohen Parabel Richtung Tor flog. 50.000 Zuschauer im Stadion und die Zuschauer vor den TV-Geräten taten es ihm gleich. „Es war, als ob man bei einem Videospiel zuschaut“, sagte der englische Teamchef Roy Hodgson nach dem Kunstschuss des 31-Jährigen. „Es war schön, so ein Tor zu sehen. Ich hätte es mir nur gegen einen anderen Gegner gewünscht.“ Sein Gegenüber Erik Hamren pflichtete bei: „Ich glaube nicht, dass wir so etwas in unserem Leben noch einmal sehen.“
Der Torschütze selbst analysierte sein Kunststück, als sei es das Normalste auf der Welt gewesen. „Ich habe gesehen, dass der Torhüter weit vor dem Tor steht, da habe ich es einfach versucht. Zum Glück ist der Ball reingegangen“, sagte Ibrahimovic mit einem Schmunzeln und fügte hinzu: „Es war eine Mischung aus Glück und Können.“ Nach diesem Treffer riss sich sogar der nach Toren oft stoische 31-Jährige das Trikot vom Leib und sprintete entlang der Seitenoutlinie.
Historischer Viererpack
„Selbst wenn es nur ein Freundschaftsspiel war, diese Freude musste ich mit den Zuschauern teilen“, erklärte Ibrahimovic danach. Es sei nicht sein schönstes Teamtor gewesen, „aber jenes, über das ich mich am meisten gefreut habe“, verriet der Kapitän der Schweden. Sein Können bewies der 31-Jährige an diesem Abend gleich viermal. Eine historische Leistung: Noch nie hatte ein Spieler in 90 Minuten einer englischen Nationalmannschaft vier Tore eingeschenkt.
Vor der Partie hatte er in England nicht den besten Ruf genossen - das dürfte nun erledigt sein. „So ist es eben mit den Engländern. Erst wenn man gegen sie trifft, ist man ein guter Spieler“, meinte „Ibra“ nicht ohne Genugtuung. Das Traumtor von Ibrahimovic schaffte es übrigens nicht auf die FIFA-Liste zum Treffer des Jahres 2012. Die Auswahl des Weltverbandes wurde wenige Stunden vor dem Spiel der Schweden gegen England bekanntgegeben.

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Schwedens Superstar lieferte zur Stadioneröffnung die perfekte Show
„Dieser Spieler erfindet Tore“
Den Medien war dieser Umstand freilich egal, sie feierten den Treffer schon als Tor des Jahrzehnts und überschlugen sich förmlich mit Superlativen für den Ausnahmestürmer. Am treffendsten formulierte es dabei vielleicht die Website Lemonde.fr: „Dieser Spieler schießt Tore nicht nur - er erfindet sie.“ „Le Parisien“ schlagzeilte: „Ein verrücktes Tor. Ein zlateneskes Tor.“ Und „L’Equipe“ schrieb: „Ibrahimagisch! Mit seinen Toren katapultiert er sich in die vierte Dimension.“
Auch die englischen Zeitungen zollten Respekt. „Ibrahimovic schoss England mit einer Viertoreexplosion ab - und erzielte zum Drüberstreuen eines der großartigsten Tore aller Zeiten“, schrieb etwa die „Sun“. Während „The Mirror“ den Ibrahimovic-Auftritt als „ultimative One-Man-Show“ bezeichnete, war auch die spanische Presse völlig aus dem Häuschen. „Der stratosphärische Fallrückzieher war eines der schönsten Tore in der Fußballgeschichte. Vielleicht sogar das schönste?“, so „El Periodico“.
Milans Mexes macht auf Ibrahimovic
Als die Begeisterung über das epochale Tor von Ibrahimovic allerdings langsam abflaute, fand der der Schwede bereits einen Nachahmer. Philippe Mexes legte sich beim 3:1-Sieg des AC Mailand beim RSC Anderlecht waagerecht in die Luft und schoss den Ball per Fallrückzieher ins Tor. Nur eine Woche nach dem Ibrahimovic-Geniestreich titelte die italienische „La Gazetta dello Sport“: „Mexes, ein Juwel wie Ibra“ und fügte hinzu: „Was machst du da? Kopierst Du Ibra?“
Mexes stoppte den Ball in der 71. Minute mit der Brust und veredelte seine Einlage mit einem Traumtor. „Ich habe einen grandiosen Treffer erzielt“, sagte er, „doch es gibt Wichtigeres im Leben“. AC-Vizepräsident Adriano Galliani reagierte euphorischer. „Ich hatte erst gedacht, der Ball geht ins Aus. Das war ein unglaubliches Tor.“
Für Mexes war dieser Treffer eine Genugtuung. Der 30-Jährige kam 2011 nach Mailand, um Starverteidiger Alessandro Nesta zu ersetzen. Das gelang ihm bisher nur unzureichend. Mexes verschuldete mehrfach Gegentore seines Teams. Auch deshalb konnte es sich die „La Gazetta dello Sport“ nicht verkneifen, zu schreiben: „In der Abwehr hat er dieses Mal keine entscheidenden Fehler gemacht.“
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