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„Schaufenster für ein neues Russland“

Der Countdown für die ersten Olympischen Winterspiele in Russland läuft. Ein Jahr vor der Eröffnungsfeier der Spiele 2014 von Sotschi sind aber noch nicht alle der geplanten Bauprojekte abgeschlossen. Um Russlands schönes Gesicht der Welt zu präsentieren werden keine Kosten und Mühen gescheut. Mit den teuersten Winterspielen aller Zeiten will man „als Schaufenster für ein neues Russland“ glänzen.

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Laut Dimitri Tschernyschenko, dem Chef des Organisationskomitees ist Sotschi zu zwei Dritteln für die Spiele 2014 bereit. Die Eisarenen an der Schwarzmeerküste sind in Betrieb, auch im 45 Kilometer entfernten Krasnaja Poljana sind die Pisten und Gondeln für die alpinen Bewerbe bereits funktionstüchtig. Am Donnerstag gibt Russlands Präsident Wladimir Putin gemeinsam mit IOC-Präsident Jacques Rogge den Startschuss für die letzten 365 Tage bis zur Eröffnungsfeier.

Russlands Präsidetn Wladimir Putin mit IOC-Chef Jacques Rogge

AP/RIA-Novosti, Alexei Druzhinin, Government Press Service

Wladimir Putin und Jacques Rogge läuten den Countdown für die Eröffnung ein

ÖOC-Abordnung beeindruckt

Parallel zu den Feierlichkeiten treffen sich die Teamchefs aller Länder bis Freitag zu organisatorischen Meetings in Sotschi. Das Österreichische Olympische Comite (ÖOC) wird dabei von Generalsekretär Peter Mennel, Chef de Mission Hannes Maschkan und Marketingleiter Florian Gosch vertreten. „Wir haben uns bereits die Sportstätten an der Küste angeschaut - die Eishockey-, Curling- und Eisschnelllaufhallen sind alle fertig. Es schaut sehr, sehr gut aus“, berichtete Mennel am Mittwoch.

„Auch die Zimmer vom olympischen Dorf an der Küste haben wir begutachtet. Unser Eindruck ist, dass sie großzügiger als in London sind. Die Riesenherausforderung bei diesen Spielen ist sicher die Logistik, da man nur mit Klein-Lkws nach Sotschi fahren kann“, betonte der 57-jährige Vorarlberger. Österreichs Team, mit 16 Medaillen (vier Gold sowie je sechs Silber und Bronze) Neunter in Vancouver 2010, will bei den Sotschi-Spielen wieder in den Top Ten landen.

Fünfmal teurer als geplant

Gastgeber Russland plant nach der - für russische Verhältnisse - historischen Pleite in Kanada mit nur 15 Medaillen und Platz elf diesmal den Sprung an die Spitze. Dafür seien etwa 15 Goldmedaillen nötig und auch möglich, prophezeite Alexander Schukow, Präsident des Nationalen Olympischen Komitees von Russland. Für diese Vorgabe musste er sich von internationalen Spitzenfunktionären schon Größenwahn vorhalten lassen, aber seine Ankündigung passt zu den allgemeinen Ambitionen.

Mit bisher 37,5 Milliarden Euro kostet Sotschi 2014 schon jetzt fünfmal mehr als ursprünglich geplant und ist das teuerste Spektakel der olympischen Geschichte. Alles nicht so wild, sagte Vizeregierungschef Dimitri Kosak unlängst. Mehr als die Hälfte des Geldes komme von Investoren wie den Staatskonzernen und superreichen Oligarchen. Der Kreml hat sie für Olympia 2014 zur Mithilfe verdonnert.

Neue Olympia-Eishalle in Sotschi

APA/EPA/Yuri Kochetkov

Die neuen Sportstätten - hier die Eishalle in Sotschi - sind nicht billig

Organisator Tschernyschenko wird nicht müde zu betonen, dass der Sommerkurort mit seinen Palmen nun endlich ein echtes Wintersportziel sei. In Sotschi will sich Russland mit einem neuen Flughafen, Straßen und Bahnstrecken, Luxushotels und atemberaubender Natur von seiner besten Seite zeigen. Bei den aktuellen internationalen Wettbewerben loben schon jetzt westliche Sportler die neuen Sportstätten.

Kritik wird ausgeblendet

Doch bei vielen Einheimischen hält sich die Begeisterung in Grenzen. Genervte Bürger klagen über Baulärm rund um die Uhr, verpestete Luft und giftigen Bauschutt, Staus durch Lastwagen und über angeblich mehr Kriminalität wegen der vielen Gastarbeiter. Auch Menschenrechtler, etwa von der Organisation Human Rights Watch, und Umweltschützer prangern immer wieder schwere Rechtsverstöße auf dem Weg zu Olympia an.

Die Vorwürfe drehen sich um Umweltsünden, zwangsumgesiedelte Bürger, die sich nicht gerecht entschädigt fühlen, und um Gastarbeiter aus den zentralasiatischen ehemaligen Sowjetrepubliken, die wie Sklaven ausgebeutet würden. Russische Journalisten berichten über Druck von Behörden, kritische Berichte zu unterlassen. Die Organisatoren blenden solche Misstöne gerne völlig aus. Tschernyschenko redet viel lieber über die Vorzüge Sotschis.

Da wären etwa die von der Regierung festgesetzten Hotelpreise, um dem in Russland beliebten Preiswucher vorzubeugen. Der Funktionär preist die Olympiastadt als leuchtendes Beispiel für ganz Russland. Sotschi sei ein Modell für behindertengerechtes Leben. Tschernyschenko ist sicher, dass nicht zuletzt die Paralympischen Spiele im Anschluss dazu führen werden, Russland „mental zu verändern“.

Sotschi hortet Schnee

„Das größte Risiko für die Winterspiele ist das Wetter“, sagte Tschernyschenko. Plusgrade sind an der Schwarzmeerküste immer möglich - es werden wohl die wärmsten Winterspiele der Historie, denn das Klima im Süden zwischen Meer und Gebirge ist subtropisch. Deshalb horten die Gastgeber schon seit Jahren in riesigen Depots tonnenweise Schnee für die Wettkämpfe. 430 Schneemaschinen stehen bereit.

Umweltschützer kritisieren die horrende Energieverschwendung. Vor allem aber mussten die Organisatoren fast alle Sportstätten neu bauen - mit extremen Eingriffen in die Natur. Zehn Jahre dauerte die Vorbereitung auf „das wichtigste Ereignis des Planeten“ im Februar 2014, wie Tschernyschenko betonte. Schon jetzt gehe es darum, das Erbe auch nach der Schlusszeremonie am 23. Februar lebendig zu halten. Viele der Wettkampfstätten sollen später abgebaut und an anderen Orten wieder errichtet werden.

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