Erinnerung kommt nur langsam zurück
Neun Monate nach seinem verhängnisvollen Rekordversuch ist Herbert Nitsch noch schwer gezeichnet. Im Juni 2012 war er vor der griechischen Insel Santorin mit einem Atemzug 249,5 Meter in die Tiefe getaucht und hatte beim Aufstieg im Tiefenrausch das Bewusstsein und fast auch sein Leben verloren - die Erinnerung daran kommt nur langsam zurück.
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Für seinen offiziell später nicht anerkannten Apnoe-Weltrekord musste Nitsch teuer bezahlen. „Im Nachhinein ist man immer gescheiter. Ich hätte nie gedacht, dass der Unfall so einen Einfluss auf mein Leben haben würde“, sagte Nitsch - im Zivilberuf Pilot und seit 2007, als er den Apnoe-Weltrekord auf 214 Meter geschraubt hatte, offiziell „The deepest man on earth“. Im vergangenen Juni wollte er sein sportliches Denkmal noch tiefer verankern.
249,5 Meter waren es letztlich, eine Marke, die vorab als zu riskant und deshalb unmöglich gegolten hatte. Mit einem Schlitten war er in die Tiefe gezogen worden. Der Versuch gelang, doch beim Auftauchen nahm das Malheur seinen Lauf. Nitsch verlor im Tiefenrausch das Bewusstsein, konnte so nicht den geplanten Sicherheitsstopp einlegen, der Stickstoff im Blut dehnte sich aus. Nitsch erlitt dieselben Symptome wie bei einem Schlaganfall, nur in gehäufter Form. In einem Athener Militärspital wurde er in ein künstliches Koma versetzt.

GEPA/Panoramic/ Vukicevic
Nitsch am 6. Juni 2012 vor seinem Weltrekordversuch
Gehirn schwer beeinträchtigt
Die Ärzte kämpften erfolgreich um sein Leben. Doch der Unfall hat tiefe Spuren hinterlassen, Teile von Nitschs Gehirn sind beeinträchtigt, auch das Sprachzentrum. Wie es ihm neun Monate nach dem Drama gehe? „Es könnte besser sein, ich bin rechtsseitig sehr eingeschränkt. Ich kann schlechter gehen, nicht laufen, habe Probleme mit der Balance, dem Schreiben und auch mit dem Sprechen“, sagte der 43-jährige Wiener in einem „Standard“-Interview.
Die Genesung wird zwar noch Jahre dauern, aber sie ist möglich. „Die Rehabilitation ist intensiv, rund um die Uhr“, beschrieb Nitsch. „Aber es wird besser, langsam, sehr langsam.“ Das Schlimmste sei inzwischen überstanden, sagte Nitsch, der sich an den verhängnisvollen Tauchgang nur vage bis gar nicht erinnern kann. „Die Realität verschmilzt mit den Videos, die ich gesehen habe. Das Gedächtnis ist sehr in Mitleidenschaft gezogen. Teilweise kommt es aber zurück.“
Unvorhersehbare Gefahren
Das Risiko unterschätzt habe er nicht, die bekannten Risikofaktoren auch durch Vorkehrungen eliminiert. „Früher wurde ich in der Szene oft ausgelacht, weil ich ganz besonders auf Sicherheit geachtet habe. Aber diesmal ist was eingetreten, das bislang beim Freitauchen nicht passiert ist“, so Nitsch. Nämlich dass er durch den Tiefenrausch ohnmächtig geworden sei und nicht durch Sauerstoffmangel, wie es für gewöhnlich der Fall ist. „Das sieht zwar auch gravierend aus, wäre aber harmlos gewesen. Darüber hätten wir gelacht.“
„Es wird mit zunehmender Tiefe einfach gefährlicher. Und irgendwann kommt der Punkt, an dem man seine Ziele mit dem Risiko abwägen muss. Ich dachte, dass das Risiko für mich in dieser Tiefe noch akzeptabel wäre“, erläuterte Nitsch, der rückblickend meinte: „Ich hätte es besser nicht machen sollen.“ Den Spaß am Freitauchen raubte ihm der Unfall allerdings nicht. Bei einem Südseeurlaub versuchte er sich wieder darin. Ob auch die Rekordjagd weitergehe? „Da schweige ich mich lieber aus. Aber sofort sicher nicht.“
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