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Seit FA-Cup-Sieg mit Gedanken gespielt

Viel wurde spekuliert, seit Montagabend ist es offiziell. Die aktive Profikarriere von Paul Scharner ist zu Ende. Der 33-jährige Defensivspieler bestätigte im Interview mit dem ORF seinen Rücktritt. „Ich habe mich dafür entschieden, meine Karriere zu beenden, aus Respekt zu mir selber und meiner Familie“, sagte der Ex-ÖFB-Teamkapitän, der zum vierten Mal Vater wird.

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Schon seit dem FA-Cup-Sieg mit Wigan Athletic am Ende der vergangenen Saison sowie seines halbjährigen Leihgastspiels beim englischen Premier-League-Absteiger habe er mit dem Gedanken gespielt. „Die letzten Wochen und Monate waren ziemlich turbulent - positiv wie negativ. Und im Endeffekt hat sich der Gedanke schon mit dem FA-Cup-Sieg entwickelt.“

„Nach dem Sieg ist zum ersten Mal der Gedanke in mir hochgekommen, eventuell mit einem großen Erfolg Schluss zu machen. Das Kuddelmuddel beim HSV hat meine Entscheidung beschleunigt“, so der Niederösterreicher in der Sendung „Sport und Talk“ auf Servus-TV.

Paul Scharner winkt

GEPA/Andreas Pranter

Die Fußballschuhe werden ab sofort an den Nagel gehängt

Die endgültige Entscheidung fiel allerdings erst am Montag nach einem intensiven Gespräch mit seinem Mentalcoach Valentin Hobel. „Wir sind verschiedene Szenarien durchgegangen, und das Aufhörszenario ist es geworden“, sagte Scharner. Der Zukunft blickte der Abwehrspieler gelassen entgegen. „Mit meiner Abfindung lässt es sich ganz gut leben, ich habe meine Forderungen durchgesetzt. Sportlich wäre es für mich aber viel interessanter gewesen“, sagte Scharner.

Massive Differenzen

Scharner stand zuletzt beim Bundesligisten Hamburger SV unter Vertrag. Der eigentlich bis 2014 laufende Kontrakt war vor einer Woche nach heftigen Streitigkeiten aufgelöst worden. Scharner kassierte eine Abfindung von etwa 500.000 Euro. Vorausgegangen waren große Differenzen zwischen Scharner und dem Verein, für den er nur vier Bundesliga-Spiele bestritt. Scharner war von Trainer Thorsten Fink aus dem Profikader ausgemustert und in die zweite Mannschaft verbannt worden, wollte dort aber nicht trainieren.

„Im Sommer hat mir der Trainer in einem Gespräch zugesichert, dass alle bei null beginnen. Das habe ich für bare Münze genommen und englische Aufgaben abgeblockt. Dann wurde mir mitgeteilt, dass ich nur mehr fünfter Innenverteidiger bin, einen Monat später ist das Interesse von Hull City gekommen, das wäre ein einfacher Ausweg für den HSV gewesen. Ich habe das Angebot aber aus familiären Gründen und weil mir zugesichert worden war, dass ich eine faire Chance bekomme, abgelehnt“, so Scharner.

40 Länderspiele zwischen 2002 und 2012

Die Sache mit dem HSV war ein unrühmliches Ende einer durchaus erfolgreichen Karriere, die ihn von Österreich nach Norwegen, England und Deutschland geführt hatte. „Ich habe mich nicht verbiegen lassen und trotzdem eine halbwegs respektable Karriere hingelegt“, sagte Scharner durchaus stolz. Seine Teamära mit 40 Spielen zwischen April 2002 und August 2012 ordnete er in die Kategorie „Hassliebe“ ein.

Die Entwicklungen im Profigeschäft findet er alles andere als positiv. „Der Fußball hat sich komplett zum Geldbusiness entwickelt. Interessen der Spieler sind oft zweitrangig“, sagte der 40-fache ÖFB-Teamkicker. Bestes Beispiel ist der Rekordtransfer von Gareth Bale von Tottenham zu Real Madrid um 100 Millionen Euro. „Das Business ist vollkommen krank. Wie Vereine in Zeiten einer Finanzkrise mit Geld um sich werfen, das ist unglaublich“, so Scharner. Wie es mit dem nunmehrigen Ex-Kicker weitergeht, ist noch vollkommen offen. „Ich werde jetzt definitiv einmal abtauchen, wie lange, wird man sehen. Ich genieße jetzt einmal die freie Zeit mit der Familie.“

Kurzporträt Paul Scharner

  • Geboren: 11. März 1980 in Scheibbs, aufgewachsen in Purgstall (NÖ)
  • Größe/Gewicht: 1,91 m/87 kg
  • Familienstand: verheiratet mit Marlene; Söhne Constantin, Benedict und Paul
  • Berufsausbildung: Elektrotechniker
  • Hobbys: Fischen, Motorrad, Ski, Billard, Lesen
  • Position: Innenverteidiger bzw. defensives Mittelfeld

Profivereine

  • Austria Wien (1996 bis 2001, ab 1999 Profi)
  • SC Untersiebenbrunn (Juli 2001 bis Oktober 2001)
  • Austria Wien (November 2001 bis Dezember 2003)
  • SV Salzburg (Jänner 2004 bis August 2004)
  • Brann Bergen (NOR/September 2004 bis Dezember 2005)
  • Wigan Athletic (Jänner 2006 bis Juni 2010)
  • West Bromwich Albion (Juli 2010 bis Juni 2012)
  • Hamburger SV (August 2012 bis Jänner 2013)
  • Wigan Athletic (Februar 2013 bis Juni 2013)
  • Hamburger SV (Juli 2013 bis 23. August 2013/Vertragsauflösung)

Nationalteam

  • Länderspiele: 40
  • Länderspieltore: 0
  • Debüt im Nationalteam: 17. April 2002 beim 0:0 in Wien gegen Kamerun, Ausschluss aus dem Nationalteam am 17. August 2012

Größte Erfolge

  • Österreichischer Meister mit Austria Wien 2003
  • Österreichischer Cupsieger mit Austria Wien 2003
  • Norwegischer Cupsieger mit Brann Bergen 2004
  • Ligacupfinale mit Wigan Athletic 2006
  • ÖFB-Teamkapitän 2009 bis 2010
  • FA-Cup-Sieger mit Wigan Athletic 2013

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