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„Eher Ringen als Boxen“

Mit seinem Punktesieg über den Russen Alexander Powetkin bleibt Wladimir Klitschko der dominierende Mann im Schwergewichtsboxen. Dennoch zeigte sich der Ukrainer nach dem einstimmigen Erfolg von dreimal 104:119 gegen den WBA-Weltmeister am Samstagabend in Moskau nur wenig begeistert. Dabei war Powetkin mehrmals zu Boden gegangen.

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„Ich glaube, dass ich es besser machen könnte“, meinte der 37-jährige Ukrainer. „Das war ein schweres Stück Arbeit“, sagte Klitschko, der die Gürtel von WBO, IBF und WBA behielt. „Powetkin ist ein Kämpfer, er hat ein großes Herz gezeigt.“ Die erhoffte Brillanz ließ die Nummer eins der Welt vermissen. Phasenweise war der Kampf unansehnlich, weil der 34-jährige Powetkin sich fortwährend abduckte und Klitschko sich dann auf den Gegner lehnte.

Zuschauer pfeifen Klitschko aus

Die 14.000 großteils russischen Fans pfiffen aus Leibeskräften, als Klitschko nach dem Kampf mit ihnen sarkastisch abrechnete: „Alle Fans verdienen meinen Dank. Ihr habt mir sehr geholfen, hier zu siegen.“ Powetkin blieb am Ende seiner verzweifelten Bemühungen nichts anderes übrig, als dem ukrainischen Rivalen Klitschko seine Ehrerbietung zu erweisen. „Er ist der Beste der Welt“, lautete das Lob Powetkins, bei dem das rechte Auge geschwollen war und die Gesichtspartien rundherum vor Abschürfungen rot leuchteten.

Wladimir Klitschko und Alexander Powetkin

APA/EPA/Maxim Schipenkow

Neben vielen Leerläufen gab es auch harte Attacken

„Ich habe ihn mit Schlägen in die Hölle geschickt, aber er ist einfach weitermarschiert“, lobte der 37-jährige Klitschko den Unterlegenen. Powetkin war viermal am Boden, davon gleich dreimal in Runde sieben. Das war ihm in 26 Kämpfen zuvor noch nie passiert. Die Erkenntnis ist nicht neu: Kein Schwergewichtler kann Wladimir Klitschko derzeit das Wasser reichen.

„Clinchen gehört zum Boxen“

Die Crux an der Geschichte: Die Dominanz ist nicht unbedingt sehenswert. Denn Klitschko zeigte sich erneut als Minimalist. Mit geringem Aufwand kam „Dr. Steelhammer“ zum maximalen Erfolg und der dicksten Börse seiner Boxerlaufbahn. Mit dem gefürchteten linken Jab hielt er Powetkin auf Distanz. Deshalb suchte der zehn Zentimeter kleinere und mit einer 15 Zentimeter kürzeren Reichweite von vornherein unterlegene WBA-Weltmeister seine Chance im Infight und tauchte aus Sicherheitsgründen mit dem Kopf in Klitschkos Bauchhöhe ab, um so Körpertreffer zu landen.

Klitschko nahm die Einladung an, lehnte sich mantraartig nach jedem eigenen Schlag oder Schlagversuch Powetkins mit beiden Ellenbogen und dem ganzen Körpergewicht auf den Russen und drückte ihn in die Knie. Wenn das nicht half, klammerte er. „Das ist wie Elefant gegen Nashorn“, kommentierte das russische Staatsfernsehen. „Clinchen gehört zum Boxen“, entschuldigte sich WBO- und IBF-Weltmeister sowie WBA-Superchampion Klitschko.

„Eher Ringen als Boxen“

Im Internet wurde er deshalb umbenannt. Aus dem respektvollen „Wladimir Klitsch-k.-o.“ wurde „Grabimir Clinchko“. Vorwürfe eines Journalisten, das sei „eher Ringen als Boxen“, wischte Klitschko beiseite. „Kritik nehme ich an, aber ich gehe meinen Weg“, meinte er trotzig. Manager Bernd Bönte ergänzte, wer dem Sieger einen unsauberen Stil vorwerfe, sei „ein schlechter Verlierer“. Für das unfaire Aufstützen war Klitschko erst sehr spät ein Punkt abgezogen worden. „Das Halten war wie Raub. So hatte Alexander keine Chance“, grollte Powetkins Promoter Kalle Sauerland.

Ehemalige Champions wie Lennox Lewis und Luan Krasniqi hatten im deutschen TV mehr Verwarnungen durch den Ringrichter gefordert. „Zwei Schläge und dann den Kampf teilweise verhindern“, beschrieb Ex-Europameister Krasniqi Klitschkos Kampfstil. Der britische Ex-Weltmeister Lewis haderte: „Beeindruckt war ich nicht. Klitschko kann mehr. Das hat er heute nicht gezeigt.“

Große Kasse statt großer Kampf

So fehlte der Glanz des Champions trotz erdrückender Überlegenheit. Klitschko strich dafür seine persönliche Rekordbörse von knapp 12,9 Millionen Euro ein. Powetkin begnügte sich mit 4,3 Millionen. Sein WBA-Titel ist nunmehr vakant, denn Klitschko bleibt Superchampion dieses Verbandes.

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