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„Soccer“ schafft den Durchbruch

Als Regisseur des WM-Sommermärchens 2006 ist Jürgen Klinsmann bestens dafür geeignet, dem US-Fußball neues Leben einzuhauchen und ihn bei dieser Gelegenheit gleich an die Spitze zu führen. Das dachten sich die Verantwortlichen des US-Verbandes vor drei Jahren bei der Verpflichtung des vormaligen DFB- und Bayern-Trainers. Klinsmann ist auf dem besten Wege, diese hochgesteckten Erwartungen zu erfüllen.

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Mit deutscher Präzision und Gründlichkeit, gleichzeitig mit Leidenschaft und Impulsivität strebt der ehemalige Weltklassestürmer mit den US-Amerikanern bei der WM 2014 in Brasilien hohe Ziele an. Der Test gegen Österreich am Dienstag (20.45 Uhr, live in ORF eins) in Wien ist eine Standortbestimmung auf dem Weg dorthin. „Wir haben uns als Mannschaft weiterentwickelt, den Gold Cup gewonnen, die WM-Quali zum siebenten Mal in Folge geschafft und Mexiko in unserer Region im Moment auf Rang zwei verwiesen“, sagte Klinsmann stolz.

Co-Trainer Andreas Herzog und Teamchef Jürgen Klinsmann (USA)

GEPA/Witters/Matthias Hangst

Cheftrainer Jürgen Klinsmann „zu Gast“ bei Assistent Andreas Herzog in Wien

„Wir sind hungrig, das Jahr mit einem Sieg zu beenden.“ Das gab der 49-Jährige als Ziel für das Duell mit der ÖFB-Auswahl vor. Gegen Österreich sieht man sich zumindest als ebenbürtig, für die WM in Brasilien nimmt man gar die Rolle des Underdogs im Titelkampf an. „Wir haben in den USA mittlerweile den Anspruch, dass wir das Achtelfinale erreichen wollen. Wenn möglich, wollen wir dann noch ein paar große Nationen ärgern und weiter kommen als je zuvor. Wir haben den Hunger, in die absolute Weltspitze vorzudringen“, so Klinsmann.

„Genügend Platz für alle“

Doch es ist mehr als Träumerei - zumal der deutsche US-Cheftrainer mit der allgemeinen Entwicklung des Fußballs in den USA überaus zufrieden sein kann. „Fußball hat in den USA den Durchbruch geschafft“, ist Klinsmann überzeugt. „Die Major League Soccer wird von Jahr zu Jahr stärker. Es werden fußballspezifische Arenen gebaut. Die Nachwuchsförderung läuft sehr intensiv. Und wir als Nationalteam sind die Lokomotive in diesem Prozess“, fügte der Weltmeister von 1990 und Europameister von 1996 selbstbewusst hinzu.

Eine Lokomotive für den US-Fußball ist natürlich auch Klinsmann selbst. Die hat „Soccer“ neben den traditionellen und unheimlich populären Sportarten wie Football, Baseball und Basketball auch dringend nötig. Eine Konkurrenzsituation sieht Klinsmann dennoch nicht: „Es gibt genügend Platz für alle.“ Den gibt es in den USA auch für ihn als Person - im Gegensatz zu Deutschland: „Hier kann ich in aller Ruhe in den Supermarkt oder ins Kaffeehaus gehen, ohne alle zwei Minuten angesprochen zu werden. Und das ist sehr angenehm.“

Überschwängliches Lob für ÖFB-Team und Alaba

Mit seinem Wiener Assistenten Andreas Herzog genießt Klinsmann mittlerweile großes Vertrauen im Verband und bei den Fans. „Wir sind ungemein stolz, dass wir Andi in unserem Team haben“, strich der US-Teamchef bei der Pressekonferenz im Happel-Stadion die Bedeutung des ÖFB-Rekordspielers für seine Arbeit hervor. „Österreich befindet sich auf dem aufsteigenden Ast“, weiß Klinsmann von Herzog, aber auch aus eigenen Beobachtungen. „Schön, die Entwicklung der Mannschaft zu sehen. Sie waren wenige Minuten von der WM-Qualifikation entfernt.“

Österreich hat laut Klinsmann eine junge, dynamische, hoffnungsvolle Truppe. „Wir haben sehr viel Respekt vor dieser Mannschaft und ihrem aggressiven Pressing.“ Dass die USA in der Weltrangliste 40 Plätze besser als Österreich liegen, hat für Klinsmann nur untergeordnete Bedeutung: „Diese Zahlen spiegeln das Kräfteverhältnis nicht wider. Es gibt am Dienstag keinen Favoriten, das ist ein klassisches 50:50-Spiel. Das wird eine offene Partie mit hoffentlich ein paar Toren für die Fans.“

Die Chancen, dass Rapid-Stürmer Terrence Boyd am Dienstag in seiner Wahlheimat zum Einsatz kommt, sind laut Klinsmann hoch. „Für Terrence ist dieses Länderspiel besonders aufregend. Man kann in seinen Augen sehen, wie sehr er sich auf dieses Match freut. Er wird seine Einsatzminuten bekommen.“ Dann träfe Boyd auf David Alaba, der Klinsmann zum Schwärmen bringt. „Alaba ist ein wunderbares Beispiel, wie sich ein Talent entwickeln kann“, sagte der frühere Bayern-Coach. „Ich habe ihn als 16-Jährigen kennengelernt, und schon damals haben wir viel über ihn und sein Potenzial gesprochen. Er ist ein Ausnahmetalent.“

Harald Hofstetter, ORF.at

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