Beste Offensive trifft stärkste Defensive
Wenn sich am Sonntag die Denver Broncos und die Seattle Seahawks in der Super Bowl gegenüberstehen, dann kreuzen zwei Teams die Klingen, die vielleicht nicht die klingendsten Namen und traditionsreichste NFL-Vergangenheit haben, dieser Saison aber sportlich den Stempel aufgedrückt haben. Erst zum zweiten Mal in den letzten 20 Jahren schafften die beiden besten Teams jeder Conference den Einzug in den Showdown.
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In der American Football Conference (AFC) dominierten die Broncos mit ihrer herausragenden Offensive. Die Seahawks wiederum beherrschten mit ihrer schwer überwindbaren Defensive die National Football Conference (NFC). In der 48. Ausgabe des größten Einzelsportereignisses der Welt kommt es im MetLife-Stadium von East Rutherford nun zum Aufeinanderprall der Systeme. Um die Vince Lombardi Trophy in Besitz zu nehmen, muss allerdings jeder einzelne Mannschaftsteil von der Secondary über die Receiver bis hin zum Quarterback funktionieren. Wie bei einem Schweizer Uhrwerk muss ein Zahnrad in das andere greifen.
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In der Super Bowl XLVIII stehen sich die beiden besten Teams Auge in Auge
Quarterback: Routinier trifft jungen Wilden
Bei den Quarterbacks setzen sich die Divergenzen der Teams nahtlos fort. Peyton Manning und Russell Wilson trennen dabei mit zwölf Jahren nicht nur der größte Altersunterschied, der je zwischen zwei Spielmachern in der Super Bowl bestanden hat, sondern auch die grundlegende Spielauffassung für diese Position. Während Wilson mit seiner Mobilität den neuen Typus verkörpert, ist Manning bei Denver eine reine Wurfmaschine der alten Schule. Der 37-Jährige fuhr mit seiner Philosophie aber nicht schlecht: 5.477 Yards und 55 Touchdowns bedeuteten zwei neue Rekorde.
Wilson wiederum wurde im Draft 2012 aufgrund seiner geringen Körpergröße von nur 1,80 Metern von vielen Team übergangen und wurde von Seattle an 75. Stelle ausgewählt. Der 25-Jährige erwies sich als Goldgriff und strafte selbst Headcoach Pete Carroll Lügen, der Wilson erst nach Aufforderung des Teambesitzers draftete. Kein Spielmacher seit 1950 verbuchte in seinen ersten beiden Jahren mehr Siege in der regulären Saison als Wilson (24). Der Seattle-Quarterback setzt dabei auf seine Wendigkeit, erzielt viele Yards per Laufspiel und weiß Turnovers zu vermeiden. Mit Würfen hält er sich zurück: Im Grunddurchgang hatte Wilson etwa 252 Passversuche weniger als Manning.
Runningback: Seattle setzt auf „Beast Mode“
Schlüsselspieler bei Seattle ist Marshawn Lynch, der während eines Spiels in den „Beast Mode“ schaltet. Um seinen kraftvollen Stil aufrechtzuerhalten, futtert der 27-Jährige an der Seitenlinie Skittles-Kaudragees. Eine Leidenschaft, die Lynch seiner Mutter zu verdanken hat, die ihm als Zwölfjährigem erklärte, dass ihn diese Süßigkeit „schneller und besser“ mache. Das Rezept hilft bis heute. Lynch führte sein Team im Playoff mit 249 Yards und drei Touchdowns zu zwei Siegen. Der Runningback ist aber nicht nur im Laufspiel, das er seit Jahren auf konstant hohem Niveau hält, sondern auch als Passempfänger ein wichtiger Spieler.
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Auch wenn noch so viele Gegner an Lynch hängen, der „Beast Mode“ läuft
Bei Denver nimmt Knowshon Moreno eine ähnliche Rolle wie Lynch ein. Der 26-Jährige wurde eigentlich schon abgeschrieben, blühte aber unter der Regie von Manning wieder auf und legte in diesem Jahr seine mit Abstand beste Saison mit zehn Rushing-Touchdowns hin. Moreno ist aber auch eine wichtige Anspielstation für kurze Pässe, die er immer wieder in großen Raumgewinn verwandelt. Der Vorteil für Denver auf der Position des Runningbacks ist im Vergleich zu Seattle, dass sie mit Rookie Monte Ball einen starken Backup in ihren Reihen haben. Die Seahawks werden indes versuchen, über das Laufspiel möglichst oft und lange im Ballbesitz zu sein.
Receiver: Denvers magisches Quartett
Eine derartige Dichte an hervorragenden Receivern wie bei Denver ist in der NFL derzeit einzigartig. Mit Demaryius Thomas (14), Eric Decker (11) und Wes Welker (10) bewegten sich alle drei Receiver in der regulären Saison im zweistelligen Touchdown-Bereich. Hinzu kommt Tight End Julius Thomas. Der ehemalige Basketballer ist trotz seiner Größe von 1,96 Metern und dem Gewicht von 113 Kilogramm wendig und athletisch und wurde von Manning zwölfmal in der Endzone bedient. Dieses Arsenal an Passempfängern macht die Broncos nur schwer ausrechenbar.
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Auf die Hände von Demaryius Thomas kann sich Peyton Manning blind verlassen
Mit dieser Power im Passspiel können die Seahawks nicht mithalten. Golden Tate und Doug Baldwin sind solide, Jermaine Kearse ist immer wieder für ein Big Play gut. Tight End Zach Miller agiert oft als Blocker und ist weniger ins Passspiel eingebunden. Seattle hat allerdings für die Super Bowl ein mögliches Ass im Ärmel: Percy Harvin, der im Sommer von den Minnesota Vikings geholt wurde. Eine Hüftoperation setzte den 25-Jährigen aber für den Großteil der Saison außer Gefecht. Rechtzeitig für das Finale scheint Harvin allerdings wieder fit zu sein. Laut Coach Carroll könnte Harvin als „Allzweckwaffe“ eine größere Rolle spielen.
Defense: „Legion of Boom“ als Bollwerk
„Offense wins games, defense wins championships“, eine Weisheit, die sich im Finale wieder bestätigen könnte. Die als „Legion of Boom“ bezeichnete Seattle-Secondary ist ein Bollwerk. Angeführt wird diese von Provokateur Richard Sherman. Aufgrund seiner athletischen Fähigkeiten ist er ein gefürchteter Cornerback, der die Liga mit acht Interceptions anführt. Earl Thomas und Kam Chancellor sind seine kongenialen Partner. An der Verteidigungsfront agiert Bobby Wagner, der in zwei Saisonen 260 Tackles schaffte. Michael Bennett und Cliff Avril werden Druck auf Manning, der vor einem harten Spiel steht, ausüben.
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Auch gegen Stars wie Jimmy Graham: Richard Sherman ist dort, wo es brennt
Ohne ihren Superstar Von Miller, der im Dezember eine Knieverletzung erlitt, ist die Broncos-Verteidigung nicht so sattelfest. Talentierte Spieler wie Danny Trevathan, Neuzugang Terrance Knighton und Routinier Shaun Phillips versuchen die Lücke zu füllen. In der Secondary zog sich Chris Harris gegen San Diego einen Kreuzbandriss zu. Im Mittelpunkt steht nun Dominique Rodgers-Cromartie, der bereits mit Arizona eine Super Bowl (2009) verloren hat. Auch Veteran Champ Bailey, der 1999 sein Ligadebüt gab und erstmals im Finale steht, ist gefordert. Der einstige Vorzeigecornerback ist mittlerweile aber schon ein Sicherheitsrisiko.
Headcoach: Zwei alte Hasen hoffen auf Premiere
Auf dem Feld steht mit Manning nur ein Spieler, der die Super Bowl schon einmal gewinnen konnte. Neben vielen Spielern wird es auch für einen Headcoach eine Premiere geben. Sowohl Seattles Pete Carroll als auch Denvers John Fox sind noch ohne Ring. Letzterer unterlag 2004 mit den Carolina Panthers den New England Patriots. Der 58-Jährige gilt als Defensivexperte und war vor seinen Stationen als Headcoach unter anderem bei den Los Angeles Raiders (1994, 1995) und New York Giants (1997 bis 2001) für die Verteidigung zuständig.
Auch für Carroll ist das Finale vor den Toren New Yorks eine Rückkehr an die alte Wirkungsstätte. Der 62-Jährige betreute 1994 die New York Jets und war von 1997 bis 1999 als Headcoach bei den New England Patriots der Vorgänger von Bill Belichick. Danach ging er zurück in die College-Liga und betreute erfolgreich die Trojans der University of Southern California. Dort holte er sich das Gespür für Talente, denn seit seiner Übernahme der Seahawks im Jahr 2010 formte der charismatische Carroll ein junges und kompetitives Team, das dreimal in Serie im Play-off stand.
Christian Wagner, ORF.at
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