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„Meilenstein für Wintersport“

Auch bei seinem ersten großen Auftritt in Sotschi hat der neue Chef des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), Thomas Bach, die weltweit kritisierten Putin-Spiele verteidigt. Der Deutsche baut darauf, dass der Sport regiert, sobald die Spiele eröffnet sind. Am Montag referierte er über die Rekordspiele in Sotschi und umriss seine Reformpläne.

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Stolz verkündete Bach zudem das Kommen von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon zur 126. IOC-Vollversammlung von Mittwoch bis Freitag. „Er ist meiner Einladung gefolgt. Es ist das erste Mal, dass ein UN-Generalsekretär zu einer Session des IOC kommen und dort eine Rede halten wird“, sagte Bach, der medienwirksam ein kleines Zimmer im olympischen Dorf bezog. „Das ermöglicht mir direkten Kontakt mit den Sportlern“, wird der 60-Jährige auf der IOC-Website zitiert. „Ich hoffe, dass ich zumindest ein paar Nächte hier verbringen kann und mit den Athleten über ihre Erfahrungen sprechen kann.“

Thomas Bach in seinem Hotelzimmer

Reuters/Pascal Le Segretain

Für ein paar Nächte bezog Bach ein kleines Zimmer im olympischen Dorf

Die XXII. Olympischen Winterspiele beschrieb Bach als ausgezeichnet organisiertes Winterspektakel für die Athleten - und als Beleg dafür, dass das IOC mit seinem Hochglanzprodukt hilft, ein Land und dessen System besser zu machen. Ganz egal, wie heftig Politiker, Olympiagegner oder die Medien die Sotschi-Spiele kritisieren und das IOC als Institution mit verantwortungslosem Konzerndenken bezeichnen, das vor allem die Erschließung neuer Märkte im Kopf habe.

Pragmatismus contra Gestaltungswille

„Die Olympischen Spiele sind ein Meilenstein für die Einwicklung von Wintersport“, erklärte Bach. 87 teilnehmende Nationen und TV-Übertragungen in mehr als 200 Ländern bedeuteten einen Rekord. Der Deutsche ist bemüht, durch strategische Aussagen einen möglichst reibungslosen Ablauf des Großereignisses an der Schwarzmeerküste sicherzustellen. Bach muss die Spiele schützen und gibt sich gleichzeitig als Reformer. Diesen Spagat zwischen Pragmatismus und Gestaltungswillen halten ihm Kritiker regelmäßig als wenig glaubwürdig vor.

Nach außen verteidigt Bach Dinge, die er bei der Neuausrichtung des IOC eigentlich ändern will. Bei der Session von Mittwoch bis Freitag sind für die Diskussion über die Zukunft der Organisation eineinhalb Tage vorgesehen. „Wir werden uns auf drei Themenbereiche konzentrieren. Nachhaltigkeit, Glaubwürdigkeit und Jugend“, sagte Bach. Alle Interessierten könnten die Debatten im Internet live verfolgen und via E-Mail Anregungen schicken. Nach Sotschi werden Kommissionen und Arbeitsgruppen Empfehlungen vorschlagen, die bis Ende 2014 abgesegnet werden und in ein Strategiepapier mit dem Titel „Olympische Agenda 2020“ einfließen sollen.

Kaum Stellungnahmen zu heißen Themen

Bach versucht bei der ersten großen Herausforderung seiner knapp fünfmonatigen Amtszeit, immer wieder eine Grenze zu ziehen zwischen den nationalen Herausforderungen Russlands und der eigentlichen Mission von Olympia. Mit überzeugenden Antworten zu den massiven Umweltsünden in der Bergregion Krasnaja Poljana, der Ausbeutung von Wanderarbeitern, dem harsch kritisierten Anti-Homosexuellen-Gesetz, der Terrorgefahr, der Kostenexplosion oder der immer kolportierten Korruption tat sich Bach aber schwer.

Putin hat Sotschi selbst ausgewählt

Der Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim begründete die Vergabe der Reißbrettspiele in Sotschi mit dem Neuaufbau eines neuen Wintersportzentrums in Russland nach der Auflösung der Sowjetunion. Dieses Projekt sei dem IOC vorgestellt und 2007 in Guatemala-Stadt auch gewählt worden. Am Sonntag hatte sich Kreml-Chef Wladimir Putin allerdings im Staatsfernsehen gebrüstet, den Austragungsort für die ersten Winterspiele in Russland selbst ausgesucht zu haben.

Der russische Präsident Vladimir Putin mit IOC-Präsident Thomas Bach

Reuters/Alexander Zemlianichenko

Fragen über sein persönliches Verhältnis zu Putin beantwortet Bach ungern

Vor mehr als zehn Jahren sei er mit einem Geländewagen in der Region Sotschi unterwegs gewesen und habe dabei beschlossen, von hier aus ein neues Russland aufzubauen. „Es ist besonders schön zu sehen, was hier passiert, weil ich den Ort selbst gewählt habe“, sagte Putin und bedauerte, dass nicht alle Länder Russland bei diesem Projekt unterstützt hätten. Wenigstens das IOC habe die Begeisterung der russischen Bevölkerung verstanden. „Das war ein sehr gewichtiger Faktor dafür, dass wir gewonnen haben“, so Putin.

Verhältnis zum Staatsoberhaupt unklar

Fragen über sein persönliches Verhältnis zu Putin beantwortet Bach ungern. Der Begriff „Putin-Spiele“ sei bloß ein Schlagwort, meinte er in einem Interview der „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Natürlich seien das Putin-Spiele, sagte dagegen sogar OK-Chef Dimitri Tschernischenko. Nur dem Einsatz des Staatsoberhaupts habe Russland den Zuschlag für die Winterspiele zu verdanken. Das IOC hat sich durch die Vergabe der Spiele an den Kurort die allgemeinen Angriffe selbst eingebrockt.

Durch seine Erfahrung von fast 23 Jahren als IOC-Mitglied weiß der krisenerprobte Bach, wie problematisch Abhängigkeiten von Geld und Macht sind. Er hat die Spiele von seinem Vorgänger Jacques Rogge „geerbt“, aber IOC-Präsident zu werden, war sein Lebenstraum. Bach wird sich daran messen lassen müssen, ob und wie sehr er in Zukunft bei der Inszenierung undemokratischer Regimes mitspielt. „Endlich kommt der Tag der Eröffnungsfeier näher“, sagte er am Montag noch. Bach baut darauf, dass der Sport regiert, sobald er am Freitag die Spiele eröffnet hat.

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