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Auftakt zum „schwarzen Wochenende“

Am 30. April und 1. Mai 1994 erlebte die Formel 1 ein „schwarzes Wochenende“. Im Qualifying für den Grand Prix von San Marino in Imola verunglückte der Österreicher Roland Ratzenberger tödlich, im Rennen am Tag danach starb der brasilianische Superstar Ayrton Senna bei einem Unfall.

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Es war ein Wochenende, das die Königsklasse des Motorsports grundlegend verändert hat. Davor hatte es fast zwölf Jahre und damit so lange wie bis dahin nie keinen Toten in der Formel 1 mehr geben. Doch im Imola wurden die Grenzen der vermeintlich bereits grenzenlosen Sicherheit aufgezeigt. Die Autos, aber auch die Strecken wurden danach deutlich sicherer. Seither ist kein Pilot mehr bei einem GP tödlich verunglückt.

ORF-Sport+-Thementag am 1. Mai

8.15 Uhr: Highlights vom GP in Estoril 1985 - erster Senna-Sieg
9.45 Uhr: GP Suzuka 1989
11.15 Uhr: GP Suzuka 1991
13.10 Uhr: GP Monte Carlo 1992
14.45 Uhr: GP Donington 1993
16.10 Uhr: GP Imola 1994
18.25 Uhr: Dokumentation: „Senna - The Right to Win"
19.15 bis 21.00 Uhr: "Senna - der Film“

Frontflügelbruch bei 300 km/h

Schon im Freitag-Training gab es einen schweren Unfall. Der Brasilianer Rubens Barrichello überstand einen Horrorcrash aber wie durch ein Wunder glimpflich. Dieses Glück hatte dann am Samstag im Qualifying Ratzenberger nicht mehr. Der Salzburger, mit 33 Jahren ein Spätberufener, krachte in der Villeneuve-Kurve nach einem Frontflügelbruch an seinem Simtek-Ford-Boliden mit einer Geschwindigkeit von rund 300 km/h in die Begrenzungsmauer.

Wiederbelebungsversuche noch am Unfallort scheiterten, Ratzenberger war bereits klinisch tot. Durch die Wucht des Aufpralls wurde ihm das Genick gebrochen, mehrere innere Organe wurden schwer verletzt. Wenig später wurde er für tot erklärt.

Roland Ratzenberger am 8. März 1994 bei Testfahrten in Imola

GEPA/Franz Pammer

Ratzenbergers Helm war in den Nationalfarben rot-weiß-rot gestaltet

Vierter tödlich verunglückter Österreicher

Österreich hatte damit nach Jochen Rindt (1970 in Monza), Helmut Koinigg (1974 in Watkins Glen, USA), Markus Höttinger (1980 beim Formel-2-Rennen auf dem Hockenheimring) und Jo Gartner (1986 beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans) einen weiteren Motorsportler verloren.

Ayrton Senna redet nach dem Unfall von Roland Ratzenberger mit F1-Arzt Sydney Watkins

picturedesk.com/AFP/Jean-Loup Gautreau

Nach Ratzenbergers Tod sprach Ayrton Senna mit Formel-1-Arzt Sid Wadkins, am Tag danach war er tot

Ratzenbergers Landsleute Gerhard Berger und Karl Wendlinger starteten am Sonntag dennoch in den vom Tod Sennas in der Tamburello-Kurve überschatteten Grand Prix. Während Ferrari-Pilot Berger früh ausschied, stellte Sauber-Mercedes-Fahrer Wendlinger als Vierter das beste Ergebnis seiner Formel-1-Karriere ein. Nur zwei Wochen später überlebte der Tiroler dann einen Horrorcrash im Training von Monte Carlo nur hauchdünn.

Ehrung durch FIA-Präsident Mosley

Der Unfalltod des dreifachen Weltmeisters Senna verdrängte die Tragödie um Ratzenberger rasch aus den Schlagzeilen. Für den damaligen FIA-Präsidenten Max Mosley war der Tod des Salzburgers aber sogar noch tragischer als jener Sennas. „Er hat nur auf sich selbst gestellt und der Hilfe seiner Familie den Sprung in die Formel 1 geschafft. Er hatte kein Geld, war ein wunderbarer Mensch und erfüllte sich durch harte Arbeit den Traum von der Formel-1-Karriere“, sagte Mosley. „Ratzenbergers Tod wäre eine große Geschichte gewesen, wäre nicht am nächsten Tag auch Senna verunglückt.“

Eine besondere Ehre erwies Mosley Ratzenberger dadurch, dass er sein Begräbnis und nicht wie die sonstige Formel-1-Prominenz jenes von Senna in Sao Paulo besuchte. „Ich fühlte, dass jemand ihn und seine Familie unterstützen musste“, sagte der heute 73-jährige Brite.

Langsamer Aufstieg in die Königsklasse

Seine ersten Erfolge hatte Ratzenberger in der Formel-Ford-Serie. 1985 gewann er elf von 19 Rennen und wurde deutscher, österreichischer und europäischer Formel-Ford-Meister. 1986 gewann er das Formel-Ford-Festival in Brands Hatch. Im Folgejahr wechselte er in die britische Formel-3-Meisterschaft, in der er 1987 einen Sieg auf dem Nürburgring erreichte.

Steckbrief Roland Ratzenberger

Geboren: 4. Juli 1960 in Salzburg
Gestorben: 30. April 1994 in Imola
Einziger Formel-1-Start: Pazifik-Gran-Prix 1994 in Aida/Japan (11.)

Karriere: 1985 und 1986 Formel-Ford; 1987 Britische Formel-3-Meisterschaft; 1988 Formel 3000 und britische Tourenwagen-Meisterschaft; ab 1990 Formel 3000 und Sportwagen in Japan, 1992 Dritter beim 24-Stunden-Rennen von Daytona; mehrere Le-Mans-Teilnahmen (1993 Gesamtfünfter und Sieger der Turbo-Klasse); 1994 Formel 1

1988 wechselte Ratzenberger in die Formel 3000, wurde aber im Madgwick-Team durch zahlreiche Defekte zurückgeworfen. Nachdem der Wagen bei einem Testunfall in zwei Teile zerbrach, verließ er das Team und fuhr die restliche Saison in der britischen Tourenwagen-Meisterschaft. 1990 übersiedelte Ratzenberger nach Japan und nahm für BMW und Toyota - in diesem Team als erster europäischer Fahrer überhaupt - erfolgreich an der japanischen Formel-3000-Serie teil.

1991 war erstmals Ratzenbergers Wechsel in die Formel 1 geplant. Der Vertrag mit dem Team von Eddie Jordan platzte aber, als sich der Sponsor zurückzog. Er blieb bei Toyota und in Japan. Auch bei dem 24-Stunden-Rennen feierte Ratzenberger Erfolge: In Daytona wurde er 1992 Dritter, beim Le-Mans-Klassiker, an dem er 1991 erstmals teilnahm, gewann er 1993 als Gesamtfünfter die Turbo-Klasse.

Elfter Platz im einzigen Formel-1-Rennen

Der ersehnte Aufstieg in die Königsklasse kam für Ratzenberger überraschend 1994, als Nick Wirth ihn als zweiten Fahrer neben dem Australier David Brabham für sein neu gegründetes Simtek-Team unter Vertrag nahm. Nach dem Scheitern in der Qualifikation zum Auftakt-GP in Brasilien in Interlagos bestritt Ratzenberger beim Pazifik-GP in Aida in Japan sein erstes und einziges Formel-1-Rennen - und wurde Elfter.

Im Qualifying zum dritten Saisonrennen in Imola versetzte dann der gebrochene Frontflügel der Karriere und dem Leben Ratzenbergers ein jähes Ende. Er war das erste Formel-1-Todesopfer seit dem Italiener Riccardo Paletti am 13. Juni 1982 in Montreal. Ratzenberger wurde auf dem Salzburger Friedhof Maxglan beigesetzt. Das Familiengrab ziert ein Modell von Ratzenbergers Helm und eine Gedenktafel mit den Worten: „Verunglückt am 30. April 1994 beim Training zum Formel-1-Lauf in Imola - er lebte für seinen Traum.“

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