Erster Finaleinzug seit 40 Jahren
Das erste Stadtderby der Champions-League-Geschichte ist seit Mittwochabend perfekt. Atletico Madrid feierte im Semifinale im Rückspiel beim FC Chelsea an der Londoner Stamford Bridge einen klaren 3:1 (1:1)-Sieg und stürmte erstmals seit 40 Jahren wieder ins Finale der Königsklasse. Dort wartet am 24. Mai in Lissabon, nur 1:15 Flugstunden von Madrid entfernt, mit Real der Stadtrivale.
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Chelsea durfte nur kurz vom Aufstieg ins dritte internationale Endspiel in Folge träumen, nachdem Fernando Torres die Engländer in der 36. Minute in Führung gebracht hatte. Doch die Taktik von Trainer Jose Mourinho ging diesmal nicht auf. Atletico drehte dank Adrian Lopez (44.), Torjäger Diego Costa (60./Elfmeter) und Arda Turan (72.) die Partie noch um und steht erstmals seit 1974, damals noch im Meistercup, im wichtigsten Endspiel im europäischen Clubfußball. Erstmals stehen einander zwei Teams aus einer Stadt gegenüber.

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Turan fixierte mit seinem Treffer zum 3:1 das historische Endspiel
Chelsea-Trainer Mourinho konnte wieder auf einige zuletzt fehlende Stützen zurückgreifen. John Terry kehrte nach seiner Knöchelverletzung in die Abwehr und in die Kapitänsrolle zurück, auch Branislav Ivanovic war nach abgesessener Gelb-Sperre wieder mit dabei. Eden Hazard gab sein Comeback im offensiven Mittelfeld. Dafür saß Eto’o vorerst nur auf der Bank, gleich neben Andre Schürrle. Nicht einmal auf der Bank saß der an der Schulter verletzte Einser-Goalie Petr Cech. Atletico-Coach Diego Simeone musste seinen gesperrte Kapitän Gabi vorgeben.
Latte verhindert Atleticos Führung
Wer sich wieder auf eine Mauertaktik der Marke Mourinho gefreut hatte, der wurde zumindest in der Anfangsphase enttäuscht. Nach einer Schweigeminute für den verstorbenen früheren Barcelona-Trainer Tito Vilanova begann vor allem Chelsea engagiert - und hatte großes Glück. In der vierten Minute hatte die Querlatte etwas dagegen, dass die Hausherren früh noch offensiver agieren mussten. Mark Schwarzer im Tor verschätzte sich bei einer Flanke Kokes von der linken Strafraumgrenze, doch das Gehäuse sprang für den Routinier ein.

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In der vierten Minute hatte Chelsea bei Kokes Flanke noch großes Glück
Mit Fortdauer der ersten Spielhälfte wurde auch Edelzuschauer Diego Maradona auf der Tribüne klar, was Chelsea im Sinn hatte. Die Londoner versuchten Atletico aus der Reserve zu locken. Nur, die Spanier taten den Gastgebern diesen Gefallen nicht. In der 15. Minute hatte auch Chelsea seine erste Chance im Spiel. Ein Freistoß von Willian aus rund 19 Metern ging jedoch über das Tor. Atletico ging es in dieser Phase bedächtig an und suchte geduldig die Lücke in der Londoner Abwehr. Einmal fand Diego Costa ein Loch, doch Gary Cahill warf sich in letzter Sekunde in den Schuss des Torjägers (19.).
Chelsea-Führung hält nur kurz
Das Spiel blieb weiter unterhaltsam und hart umkämpft, beide Teams schenkten einander nichts. Besonders in der 23. Minute wurden die Chelsea-Fans mit einem Leckerbissen verwöhnt. David Luiz versuchte es nach einem Eckball per Fallrückzieher - und um die Zuschauer noch mehr zu verzücken, fehlte nicht viel, nur ein paar Zentimeter. Chelsea drängte Atletico in der Folge immer weiter zurück. Vor allem Hazard war nicht zu bändigen. Atletico musste auf Konter hoffen. Mehr als ein Freistoß von Koke (32.) war von den Madrilenen nicht zu sehen.
In der 36. Minute wurde die Überlegenheit der Engländer - Chelsea hatte zu diesem Zeitpunkt mehr als 60 Prozent Ballbesitz - mit dem Führungstreffer belohnt. Und das dank einer brasilianisch-spanischen Koproduktion. Willian spielte an der Eckfahne zwei Madrilenen aus, Cesar Azpilicueta schnappte sich den Ball und bediente Fernando Torres ideal. Goalie Thibaut Courtois war bei der abgefälschten Direktabnahme aus zehn Metern chancenlos. Torres verzichtete jedoch auf Jubelgesten. Bei Atletico hatte einst seine Karriere begonnen.
Mourinho hatte den Gegner damit genau dort, wo er ihn haben wollte, und rührte umgehend wieder Abwehrbeton an. Doch diesmal ging die Taktik des Portugiesen in die Hose. Denn Atletico schlug kurz vor der Pause zurück. Die Spanier nutzten die Passivität der Engländer zu einer herrlichen Aktion. Tiago schlug eine Flanke Richtung rechten Pfosten zu Juanfran, der hob den Ball direkt zur Mitte, und dort stand Adrian Lopez völlig frei - die Abwehr hatte auf ihn vergessen - und schoss ein (44.). Während Atletico-Trainer Simeone mit einem Grinsen zum Pausentee schritt, verschwand sein Gegenüber mit langem Gesicht.

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Adrian schloss die schöne Aktion Atleticos staubtrocken ab
Torhüter zeichnen sich aus
Der Schock über den Ausgleich knapp vor der Pause schien den Engländern noch in den Knochen zu stecken, denn nur zwei Minuten nach Wiederbeginn hatte Arda Turan die Führung für Atletico auf dem Fuß. Der Ball fiel dem türkischen Teamspieler unverhofft am Fünfmetereck vor die Beine, nachdem die Chelsea-Abwehr erneut nicht konsequent agierte, doch Turan scheiterte mit seinem strammen Schuss an Schwarzer (47.), der sich dafür einen Sonderapplaus des Publikums abholte. Chelsea schien in dieser Phase gehörig zu wanken.
Und doch wäre es fast 2:1 für die Gastgeber gestanden. Terry kam nach einem Freistoß aus kurzer Distanz völlig frei zum Kopf, doch Courtois war noch schneller auf dem Boden als der als Aufsetzer angetragene Kopfball und verhinderte den Treffer. Eine Aktion der Marke Glanzparade, wie schon zuvor von Schwarzer. Kurz darauf verstärkte Trainer Mourinho seine Offensive mit Eto’o, immerhin benötigte Chelsea einen Sieg, um sich den Traum vom Finale in Lissabon zu erfüllen.
Eto’o als Unglücksrabe
Und ausgerechnet Eto’o brachte die Gastgeber auf die Verliererstraße. Der Kameruner attackierte Diego Costa bei einem Klärungsversuch im Strafraum derart ungeschickt, dass Letzterer zu Boden gehen musste. Schiedsrichter Nicola Rizzoli zeigte sofort auf den Elfmeterpunkt. Nach kurzem Geplänkel versenkte der Gefoulte den Strafstoß zur Führung für die Gäste und zu seinem achten Tor im achten Champions-League-Spiel (60.). Chelsea benötigte nun zwei Treffer, um ein Madrider Stadtderby in der portugiesischen Hauptstadt zu verhindern.
Die Londoner waren nun zur Offensive gezwungen. Und in der 64. Minute stand es zumindest nach Lattenschüssen 1:1. Eine scharfe Freistoßflanke von Willian landete genau auf dem Kopf von David Luiz, doch Courtois drehte das Leder mit den Fingerspitzen noch an die Torumrandung. Atletico überließ mit der Führung im Rücken nun Chelsea wieder die Initiative und tat das, was die Engländer im Hinspiel vorgezeigt hatten. Die Spanier schoben einen Abwehrriegel vor ihr Tor und warteten auf sich bietende Gegenstöße.
Turan mit Entscheidung
In der 72. Minute war das Schicksal der Londoner nach einem solchen Gegenstoß besiegelt. Turan verwertete einen Abpraller von der Querlatte zum 3:1. Der Türke selbst hatte den Ball ans Metall geköpfelt. Chelsea-Trainer Mourinho war die Enttäuschung und die Resignation ins Gesicht geschrieben. Atletico spielte in der Folge den Sieg trocken nach Hause und war dem vierten Tor näher als Chelsea dem Anschlusstreffer.
Die Spanier, die in der Gruppenphase noch der Wiener Austria vorgezeigt hatten, wie es international geht, fordern nun am 24. Mai in Lissabon Real zum historischen Duell. Denn ein Stadtderby gab es im Endspiel der Königsklasse noch nie. Spanisches Finale ist es nach Real Madrid - Valencia im Jahr 2000 hingegen schon das zweite. Die Zwei ist auch das Stichwort für ein weiteres Kuriosum. Zum zweiten Mal hintereinander spielen sich zwei Teams aus ein und demselben Land den Titel aus. Im Vorjahr gab es in London das deutsche Endspiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund.
Karl Huber, ORF.at
Champions-League-Halbfinale, Rückspiel
Mittwoch:
Chelsea - Atletico Madrid 1:3 (1:1)
London, Stamford Bridge, 38.000 Zuschauer, SR Rizzoli (ITA)
Torfolge:
1:0 Torres (36.)
1:1 Adrian (44.)
1:2 D. Costa (60./Foulelfer)
1:3 Turan (72.)
Chelsea: Schwarzer - Ivanovic, Cahill, Terry, Cole (54./Eto’o) - Ramires, David Luiz - Willian (77./Schürrle), Hazard, Azpilicueta - Torres (67./Ba)
Atletico: Courtois - Juanfran, Miranda, Godin, F. Luis - Koke, Tiago, Suarez, Turan (84./Rodriguez) - D. Costa (76./Sosa), Adrian (66./Garcia)
Gelbe Karten: Cahill bzw. D. Costa, Adrian
Atletico mit einem Gesamtscore von 3:1 weiter
Finale am 24. Mai im Estadio da Luz in Lissabon gegen Real Madrid
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