Ein Torschuss in 120 Minuten
Bei Thomas Vanek und den Montreal Canadiens ist die Euphorie nach dem Aufstieg ins Conference Finale der National Hockey League (NHL) längst verflogen. Zwei Niederlagen in ebenso vielen Spielen stehen gegen die New York Rangers zu Buche. Vor allem an Vanek liefen die Spiele bisher vorbei. Sein Marktwert für die anstehenden Vertragsverhandlungen im Sommer droht zu sinken.
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Die Bilanz des 30-Jährigen gegen die Rangers, der in der Serie gegen die Boston Bruins immerhin vier Tore und damit seinen von ihm erwarteten Teil zum Aufstieg beitrug, liest sich bisher ernüchternd. Man könnte auch sagen katastrophal. Nur ein magerer Torschuss in zwei Partien steht für Vanek zu Buche - und der wurde im ersten Spiel aufgezeichnet. In der zweiten Partie war der Steirer noch mehr ein Schatten seiner selbst. Ein missglückter Pass im Konter, ein Schussversuch weit neben das Tor und ein unnötiges Foul im eigenen Powerplay - summa summarum ein verpatzter Abend.
APA/Helmut Fohringer
Coach Therrien ließ Vanek (l.) in Spiel zwei oft auf der Bank sitzen
„Wo ist Thomas Vanek?“
Insgesamt stand der Steirer nur 11:41 Minuten auf dem Eis. Und wenn, dann wurden seine Aktionen vom ungeduldigen Raunen der Zuschauer begleitet. In der entscheidenden Phase verzichtete Trainer Michel Therrien überhaupt ganz auf seinen österreichischen Stürmer. Vier Minuten vor Schluss nahm der Coach bereits Dustin Tokarski vom Eis. Vanek, normalerweise ein Spezialist in Powerplay-Situationen, musste dem Geschehen von der Bank aus zusehen. Viele Beobachter glauben, eine Verletzung könnte Vanek behindern. Doch sowohl sein Trainer Therrien als auch der Stürmer selbst dementierten bisher das immer wieder auftauchende Gerücht.
Der Geduldsfaden der Fans bezüglich Vanek ist jedenfalls langsam überspannt, jener der lokalen Medien zumindest bereits eingerissen. „Wo ist Thomas Vanek“, fragte sich „La Presse“ nach der Vorstellung des nominellen Torjägers. „Der österreichische Stürmer hat Ende des Grunddurchgangs einen Unterschied ausgemacht, in dieser Serie lässt sein Beitrag zu wünschen übrig“, sparte das Blatt nicht mit Kritik. „Le Journal de Montreal“ ging sogar noch weiter: „Thomas Vanek hat sich in ein Phantom verwandelt.“
Ausgerechnet in der wichtigsten Zeit des Jahres rutschte Österreichs erfolgreichster Eishockeyexport in eine schwere Formkrise. Trotz aller Bemühungen scheint der 30-Jährige in Zweikämpfen immer einen Schritt zu spät. Seinen Pässen fehlt die Präzision, bei seinen wenigen Schussversuchen schaut es nicht viel besser aus. „Es sieht aus, als ob Vanek den Puck gar nicht haben möchte“, urteilte „La Presse“ und sah auch Auswirkungen der Formkrise Vaneks auf seine Linienkollegen Tomas Plekanec und den zurückgekehrten Alex Galchenyuk. Die Zeitung ortete im zweiten Spiel fehlende Chemie in Vaneks Sturmlinie.
Familiärer Rückhalt fehlt
Ein Grund für die Krise könnte die Vorgabe des Trainers sein. Therrien fordert von Vaneks Linie mehr Defensivarbeit. „Es ist eine neue Rolle. Wir starten unsere Angriffe oft in der defensiven Zone“, sagte Vanek vor der zweiten Partie. Doch das ist so gar nicht das Spiel des 30-Jährigen, dessen Stärken eindeutig in der Offensive liegen. Auch der mentale Stress der Saison scheint bei Vanek durchzuschlagen. Die zwei Wechsel, zuerst von Buffalo nach New York, dann nach Montreal hat der Psyche des 30-Jährigen mehr zugesetzt als befürchtet.
„Dieses Jahr war für mich mental so schwer, vor allem mit der Familie. Ich bin so viel getradet worden. Man schafft es einen Monat, man schafft es zwei Monate, irgendwann einmal ist es genug, obwohl ich sie öfter besuchen war“, sagte Vanek in einem Interview mit der APA, „wenn das heuer vorbei ist, ist mein erster Gedanke heimzukommen und Zeit mit ihnen zu verbringen.“ So klingt kein Mann, der mit dem Kopf voll und ganz bei der Arbeit und auf den Stanley Cup fokussiert ist. Dabei spielte Vanek trotz der vielen Clubwechsel mit 27 Toren und 41 Assists im Grunddurchgang eine passable Saison.
New York als guter Boden
Vanek ist nach dieser Saison erstmals in seiner Karriere Free Agent und kann sich seinen künftigen Arbeitgeber aussuchen. Auch wenn der Steirer bereits betonte, sich einen neuen Vertrag in Montreal vorstellen zu können, könnte das Management der Canadiens aufgrund der bisherigen Vorstellungen gegen die Rangers ein Angebot in der Schublade lassen. Vaneks jüngster Vertrag war mit rund sieben Millionen Dollar dotiert. Eine Summe, auf die der 30-Jährige im Moment nicht pochen sollte.
Vanek betonte zwar immer wieder, dass die sportlichen Perspektiven und nicht das Geld im Vordergrund stehen. Doch allzu billig wird sich Österreichs Sportler des Jahres 2007 auch nicht hergeben wollen. In der Nacht auf Freitag muss Vanek im dritten Spiel gegen die Rangers aber wieder einmal Werbung für sich selbst machen. Immerhin war der Madison Square Garden heuer für den 30-Jährigen ein guter Boden. Bei zwei von drei Gastspielen des Steirers mit den New York Islanders im „Garden“ erzielten Vanek den entscheidenden Treffer. Die Fans und Medien in Montreal würden sich über eine Wiederholung freuen.
Karl Huber, ORF.at
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