„La Decima ist, was wir alle wollen“
Als arrogant, unnahbar und abgehoben ist Cristiano Ronaldo in den letzten Jahren immer wieder bezeichnet worden. Die Tränen der Freude und wohl auch der Genugtuung, die der Portugiese im Jänner in Zürich bei der Krönung zum FIFA-Weltfußballer 2013 vergoss, bestätigten dieses Bild nicht. Und doch waren bei weitem nicht alle Experten, Spieler oder Trainer aus Europas Topligen damit einverstanden, dass Ronaldo zum zweiten Mal nach 2008 den Ballon d’Or erhielt.
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Nicht nur der in dieser Frage natürlich parteiische „Kaiser“ Franz Beckenbauer meinte, dass Bayern-Flügel Franck Ribery diesmal an der Reihe gewesen wäre, zumal der Franzose mit den Münchnern das Triple geholt hatte. Die herausragenden Qualitäten Ronaldos und seine unglaubliche Trefferquote in Primera Division wie auch Champions League rückten in dieser Diskussion in den Hintergrund, weil der 29-Jährige im Jahr 2013 mit Real Madrid keinen Titel gewonnen hatte.

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Aus den Händen des großen Pele erhielt der gerührte Ronaldo den „Ballon d’Or“
Am kommenden Samstag kann Ronaldo in seiner Heimat Portugal, genauer im Estadio da Luz in Lissabon, seinen Kritikern endgültig die passende Antwort geben. 31 Saisontore in der spanischen Liga und ein Champions-League-Rekord von bisher 16 Saisontreffern, mit dem er noch dazu seinen großen Barcelona-Rivalen Lionel Messi übertraf, brachten die Zweifler ohnehin schon zum Verstummen. Ein Finalsieg in der Königsklasse über Reals Stadtrivalen, den frischgebackenen Meister Atletico, wäre zweifellos die Krönung.
„Verlangen und Druck“ ständig präsent
Die Verletzungsprobleme der vergangenen Wochen, zuletzt laborierte Ronaldo an einer Muskelverletzung im linken Oberschenkel, scheinen überwunden. „Ich werde zu 100 Prozent fit sein“, versprach „CR7“ den „Madridistas“, die auf den zehnten Triumph der „Königlichen“ in Champions League bzw. Europacup der Meister hoffen. „La Decima ist, was wir alle wollen“, brachte es Ronaldo im Vorfeld der Partie auf den Punkt. „Vom ersten Moment an, wenn man zu Real kommt, spürt man das Verlangen und den Druck, die Champions League zu gewinnen.“
Das Gefühl, die legendäre Silbertrophäe in den Himmel zu stemmen, kennt Ronaldo schon. 2008 gewann er mit Manchester United die Champions League. Fast fünf Jahre nach seinem bombastischen 90-Millionen-Transfer nach Madrid wird es nun Zeit für Ronaldo, den Pokal auch mit dem „Weißen Ballett“ zu holen. Geschont wurde er seit seinem bisher letzten Spiel in der Liga bei Valladolid (1:1) am 7. Mai, als Real seine Hoffnungen auf den Meistertitel begraben musste.
Letzter Schatten soll weichen
Voll fokussiert und ausgeruht geht Ronaldo nun in den Showdown von Lissabon. „Wenn man monatelang alle drei Tage spielt, ist es normal, dass der Körper irgendwann einmal negativ reagiert. Das passiert vielen Spielern“, erklärte er während der Regenerationsphase. Dass sich im Falle einer Finalniederlage wieder all jene zu Wort melden würden, die ihm regelmäßiges Versagen in entscheidenden Spielen vorwerfen, ist dem 109-fachen portugiesischen Internationalen auch bewusst. Nicht einmal seine One-Man-Show für Portugal im WM-Quali-Play-off gegen Schweden im Herbst befreite ihn von diesem Schatten.

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Ronaldo geigt mit Real auf allen Bühnen - am Samstag auf der größten im Finale
Bevor Ronaldo im Juni in Brasilien mit Portugal auf den WM-Pokal losgeht, sollen die meisterlich gelaunten Atletico-Stars die volle Wucht seiner Klasse spüren. „Beide Mannschaften wollen unbedingt gewinnen. Die kleinen Details werden entscheidend sein“, so Ronaldo über die Ausgangsposition vor dem Champions-League-Finale. „Es ist wichtig, dass wir konzentriert und ruhig vorgehen. Wir müssen decken, spielen, Spaß haben und dürfen uns nicht verrückt machen lassen.“
„Großoffizier“ auf dem Weg zur Unsterblichkeit
Damit hat Ronaldo durchaus Übung, denn sowohl bei Real als auch in Portugal ruhen die Hoffnungen so gut wie immer fast ausschließlich auf seinen Schultern. „Druck gehört zum Fußball dazu, besonders bei Real. Ich bin es gewohnt, immer gewinnen zu müssen“, gab der begnadete Offensivmann vor der Abreise nach Lissabon zu Protokoll. „Ich mag diesen Druck, weil er mich zu einem besseren Spieler macht. Solche Situationen erzeugen die Dosis von Adrenalin, die ich brauche.“
„Großoffizier des Ordens des Infanten Don Henrique“ darf sich Ronaldo seit Anfang des Jahres nennen - für seine Verdienste um das Ansehen Portugals in der Welt. Auf der Insel Madeira, wo der mittlerweile zigfache Millionär 1985 in bescheidenen Verhältnissen das Licht der Welt erblickte, gibt es ein Ronaldo-Museum - von ihm selbst errichtet. Was weltweite Marketingarbeit, Präsenz in Sozialen Netzwerken und Werbeverträge betrifft, kann ihm ohnehin niemand das Wasser reichen. Am Samstag aber kann sich Ronaldo sportlich unsterblich machen - zumindest bei den Fans von Real Madrid.
Harald Hofstetter, ORF.at
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