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Teamchef will sich Respekt verdienen

„Ein neuer Besen kehrt gut.“ Mit diesen Worten hat der Präsident des Österreichischen Eishockeyverbandes (ÖEHV) Dieter Kalt ein neues Kapitel im heimischen Eishockey aufgeschlagen. Der neue Besen heißt Daniel Ratushny. Der 43-jährige Kanadier soll das schaffen, was seit 2005 jedem Teamchef misslang: Österreich in der A-Gruppe halten. Seine Philosophie: Nicht viel nachdenken, sondern spielen.

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Ratushny steht für den schon oft angekündigten, aber dann doch nie wirklich durchgezogenen Neustart im Nationalteam und springt sprichwörtlich ins kalte Wasser. Denn das österreichische Eishockey kannte der ehemalige Verteidiger bisher nur vom Hörensagen. „Ganz ehrlich, ich weiß nicht viel vom österreichischen Eishockey“, sagte Ratushny bei seiner offiziellen Präsentation, „aber ich bin jetzt schon mittendrin, daher bin ich überzeugt, dass die Lernkurve sehr steil sein wird.“ Mittendrin ist der 43-Jährige seit Mitte Mai. Da wurde der Kanadier überraschend zum neuen Cheftrainer von Red Bull Salzburg.

Einfaches System

Nicht nur Österreich ist für Ratushny unbekannt, auch umgekehrt war der Kanadier hierzulande höchstens Insidern, und hier vor allem jenen in Sachen Deutscher Eishockeyliga (DEL), bekannt. Seine Arbeit bei den Straubing Tigers, die er 2012 ins Semifinale der DEL führte - dafür wurde er zum Trainer des Jahres ausgezeichnet -, war letztlich auch für sein Engagement beim ÖEHV ausschlaggebend. Denn Straubing ist in der DEL das, was Österreich im internationalen Eishockey ist: ein traditioneller Mittelständler.

ÖEHV-Trainer Ratushny

GEPA/Florian Ertl

Ratushny impfte auch den Straubing Tigers Siegermentalität ein

Auf Verbandsebene muss Ratushny nun zwei Ziele unter einem Hut vereinen: zum einen die vor der B-WM in Südkorea begonnene Verjüngung des Kaders fortzusetzen und gleichzeitig den Klassenerhalt bei der A-WM in Prag zu schaffen. Doch wie will der neue Teamchef aus einer Fahrstuhlmannschaft ein Siegerteam formen, noch dazu wo er die Spieler noch kaum kennt? „Meine Philosophie von Eishockey ist simpel: Wenn du zu viel nachdenkst, wirst du langsamer, und das ist nicht wirklich effizient. Wenn Spieler auf dem Eis sehr viel über das System nachdenken müssen, ist das nicht gut“, so Ratushny, „das System muss klar und einfach sein.“

Ehemalige Leitwölfe als Unterstützung

Vorerst muss der Teamchef aber erst seine Spieler und die heimischen Verhältnisse kennenlernen. Und damit das schneller funktioniert, bekam Ratushny die ehemaligen Team-Leitwölfe Dieter Kalt, Christoph Brandner und Reinhard Divis als Assistenten zur Seite gestellt. „Diese Jungs haben großes Insiderwissen über das österreichische Eishockey. Sie haben hier jahrelang gespielt, sie kennen die Spieler. Das ist sehr wertvoll und wird mir beim Lernen helfen. Es war, wie wir auf Englisch sagen, ein ‚No-Brainer‘, eine einfache Entscheidung“, so der neue Teamchef.

Angst, dass die Spieler mehr auf die ihnen bekannten Assistenten als auf den noch unbekannten Teamchef hören, hat Ratushny auf Nachfrage von ORF.at nicht. „Als Coach muss man sich Respekt erarbeiten, und ich hoffe, dass ich mir diesen mit meiner Einstellung zu meinem Job und meinem Engagement auch erarbeite. Man bekommt Respekt nicht einfach, man muss sich ihn verdienen“, so der Kanadier, „die Spieler werden einfach wissen wollen, was ist der Plan. Das wird sicher die größte Herausforderung.“

Verjüngung als Vorteil

Der angestrebte einfache Plan muss jedenfalls schnell greifen, um die Kritiker zu überzeugen. Denn der Altersschnitt im Team fiel von Olympia 2014 in Sotschi zur B-WM zwei Monaten später in Südkorea von 31 auf 24 Jahre. Im gleichen Maß fiel aber auch die Leistungsstärke der Mannschaft, auch wenn sie sich für die A-Gruppe in einem Jahr qualifizierte. Die Verjüngung sieht Ratushny dennoch als Vorteil. „Ein Neustart mit jungen Spielern ist immer gut. Junge Spieler wollen zeigen, was sie können, sie wollen sich ihren Platz verdienen. Enthusiasmus und Energie ist ein positiver Faktor, wenn er nicht außer Kontrolle gerät“, so der Kanadier.

Dass einige Stammspieler nach der Aufregung rund um das olympische Turnier - Stichwort Partynacht - ihre Teamkarriere für beendet erklärten, bereitet dem Teamchef keine unruhigen Nächte. „Was früher passiert ist, spielt keine Rolle mehr. Wir starten jetzt und hier neu. Das Problem, dass Spieler nicht mehr für das Team spielen wollen, haben auch andere Nationen“, so Ratushny, „ich hatte bei meinem ersten Einsatz für Team Kanada richtig Gänsehaut und ich bin überzeugt, dass es auch in Österreich genug Spieler gibt, die gerne das Teamtrikot tragen wollen.“

Ratushny stellt sich Kritikern

Eine Herausforderung wird es auch, die Kritiker zu überzeugen. Denn Ratushny, dessen Auswahl ÖEHV-Sportdirektor Alpo Suhonen im Alleingang getroffen hat, verfügt in der heimischen Eishockeyszene noch über keine Lobby. Eine Schonfrist wird der 43-Jährige, dessen Vertrag vorerst ein Jahr mit Option auf ein weiteres läuft, daher wohl nicht bekommen. Was kein Nachteil sein muss - auch Fußballteamchef Marcel Koller war bei seinem Amtsantritt in einer ähnlichen Situation und belehrte schließlich alle Kritiker eines Besseren.

ÖEHV-Trainer Ratushny

GEPA/Felix Roittner

Ein rasanter Aufstieg: Zwei Monate Salzburg-Trainer, jetzt Teamchef

„Es wird kein Problem sein, wenn wir objektive und faire Entscheidungen treffen. Alle wird man sowieso nie zufriedenstellen können“, sagte der neue Teamchef, „aber wenn wir Entscheidungen treffen, von denen wir überzeugt sind, dass sie die besten für das Nationalteam sind, dann werden wir diese Hürde auch überspringen.“ Auch seine Doppelfunktion als Trainer von Salzburg und Teamchef sieht der Kanadier nicht als Problem: „Dadurch, dass die Teamtermine sich nicht mit jenen der Liga überschneiden, gibt es wenige Konflikte.“

Die erste Möglichkeit, die Arbeit des neuen Teamchefs unter die Lupe zu nehmen, gibt es im November. Im Rahmen der Euro Ice Hockey Challenge trifft das Nationalteam in Slowenien auf Japan, Weißrussland und die Gastgeber. Bis dahin soll auch der erste Entwurf von Ratushnys Plan fertig sein. Der Elan beim neuen Teamchef ist jedenfalls groß. „Einen guten Plan zu erarbeiten braucht Zeit und harte Arbeit. Jetzt beginnt die Zeit, um daran zu arbeiten. Und das werden wir tun“, sagte der Kanadier.

Karl Huber, ORF.at

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