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Serbische Fans als Wiederholungstäter

Die nationalistischen Strömungen am Balkan haben am Dienstag erneut für einen Sportskandal gesorgt. Das Spiel in der EM-Qualifikation zwischen Serbien und Albanien musste nach Schlägerei zwischen Spielern und Fans nach 42 Minuten abgebrochen werden. Die Europäische Fußballunion (UEFA) ist nun gefordert. Vor allem den Serben drohen als Wiederholungstäter drakonische Strafen.

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Kurz vor der Halbzeit der brisanten Partie zwischen den beiden Nachbarländern in Belgrad war die Situation eskaliert, nachdem eine Drohne eine Fahne mit der Abbildung „Großalbaniens“ - das auch den von Serbien beanspruchten Kosovo einschließt - per Fernsteuerung ins Stadion geflogen wurde. Zu der Aktion hat sich unterdessen eine albanische Fangruppe aus Mazedonien bekannt. Der englische Schiedsrichter Martin Atkinson unterbrach zunächst beim Stand von 0:0 die Partie und flüchtete mit den Spielern in die Kabine. Nach rund einer Dreiviertelstunde Zuwarten entschied sich der Referee zur Absage.

Verhandlung am 23. Oktober

Von der Disziplinarkommission der UEFA gab es unmittelbar nach dem Spiel keine Stellungnahme. Der europäische Verband wollte die Sonderberichte des Schiedsrichters und der offiziellen Spielbeobachter abwarten. Als Termin für die Verhandlung vor der Kontroll-, Ethik- und Disziplinarkammer nannte der Verband am Mittwochabend in einer Mitteilung den 23. Oktober. Wie erwartet wird sowohl gegen Serbien als auch gegen Albanien ein Verfahren eröffnet. „Natürlich wird es das geben“, hatte ein UEFA-Sprecher bereits davor angekündigt.

Auch der anwesende UEFA-Beobachter war schockiert. „Wir mussten hier bedauernswerte Szenen beobachten. Das Spiel musste abgebrochen werden. Man hat ja gesehen, was hier passiert ist“, sagte der sichtlich gezeichnete Harry M. Been zu den chaotischen Vorfällen, „der Schiedsrichter, die Sicherheitsbeauftragten und ich werden unsere Berichte übermitteln. Ich möchte niemanden vorverurteilen, die UEFA muss entscheiden, wie es weitergeht.“

Flagge „Großalbaniens“

APA/EPA/Koca Sulejmanovic

Diese Fahne war der Auslöser für die Schlägerei auf dem Spielfeld

UEFA-Präsident Michel Platini bezeichnete die Vorfälle als „unentschuldbar“ und sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur AP: „Unser Spiel sollte niemals mit jeglicher Art von Politik vermischt werden.“ Ähnlich zu Wort gemeldet hat sich auch der Präsident des Weltverbandes (FIFA), Josef Blatter. Der Schweizer verurteilte die Geschehnisse in der serbischen Hauptstadt via den Kurzmitteilungsdienst Twitter scharf. „Fußball sollte niemals für politische Botschaften benutzt werden. Ich missbillige zutiefst, was letzten Abend in Belgrad geschehen ist“, so Blatter.

Lange Liste der Schande

Vor allem der serbische Fußball steht dank seiner Anhänger nach dem Vorfall am Dienstag einmal mehr am Pranger. Serbische Hooligans sorgten in der jüngeren Vergangenheit immer wieder für negative Schlagzeilen. Im September 2009 attackierten Anhänger von Partizan Belgrad den Franzosen Brice Taton, einen Toulouse-Fan, in der serbischen Haupstadt beim Kaffeetrinken. Der 28-Jährige erlag später seinen schweren Verletzungen.

Im Oktober 2010 provozierten serbische Fans bereits nach sechs Minuten den Abbruch der EM-Qualifikationpartie gegen Italien in Genua. 16 Personen wurden verletzt, 17 festgenommen, darunter auch der Rädelsführer Ivan Bogdanov. Der Serbe wurde zu 39 Monaten Haft verurteilt. Detail am Rande: Gegen Albanien war Bogdanov bereits wieder im Stadion. Damals wurde Serbiens Fußballverband zu einer Geldstrafe von 120.000 Euro verurteilt und musste ein Heimspiel vor leeren Rängen bestreiten.

Serbischer Fan verbrennt albanische Fahne

Reuters/Alessandro Garofalo

Serbische Fußballfans fallen in den Stadien immer wieder unangenehm auf

Die Serie an Gewalt von serbischen Fans riss damit aber nicht ab. Bei der WM-Qualifikation der U21-Auswahlen im Oktober 2012 zwischen Serbien und England kam es erneut zu Ausschreitungen und rassistischen Sprechchören gegen die Gäste aus Großbritannien. Damals setzte es 80.000 Euro Geldstrafe und nach erfolgreicher englischer Berufung zwei „Geisterspiele“ für die serbischen U21-Kicker. Heuer sorgten erneut die Fans von Partizan Belgrad in der Europa League mit antisemitischen Bannern gegen den englischen Topclub Tottenham Hotspurs für Aufregung.

Skurrile Situation möglich

Auch wenn der jüngste Spielabbruch in Belgrad von albanischen Nationalisten provoziert worden sein könnte - Stichwort Drohne -, muss Serbien als Veranstalter wieder mit einer harten Strafe vonseiten der UEFA rechnen. Schon nach den Ausschreitungen in Genua war der serbische Verband mit einer, mittlerweile verstrichenen, zweijährigen Bewährungsfrist belegt worden. Mehrere Spiele vor leeren Rängen und eine noch höhere Geldstrafe als zuletzt sind so gut wie sicher.

Auch Albanien wird zumindest um eine Geldstrafe nicht herumkommen. Laut Medienberichten verhinderte die Weigerung der albanischen Spieler, das Feld wieder zu betreten, auch nachdem sich die Gemüter wieder etwas beruhigt hatten, eine Fortsetzung des Spiels. Zudem hatten albanische Spieler den Serben Stefan Mitrovic attackiert, nachdem dieser die provokante Fahne zu Boden gerissen hatte. Offen ist auch, wie die Partie gewertet wird oder ob es zu einer Neuaustragung unter Ausschluss der Zuschauer - evenutell auf neutralem Boden - kommt.

Sollte die UEFA in ihrer Reaktion auf den Vorfall in Belgrad bis zum Äußersten gehen und - was aber unwahrscheinlich ist - Serbien und sogar Albanien vom laufenden Bewerb ausschließen, dann würde sich in der EM-Qualifikationsgruppe I eine skurrile Situation ergeben. Denn in dieser Gruppe kämpfen nur fünf Teams um die Tickets. EM-Gastgeber Frankreich spielt außer Konkurrenz als sechste Mannschaft mit. Fallen Serbien und Albanien weg, würden Portugal und Dänemark wohl ihre EM-Tickets sicher haben. Und Außenseiter Armenien dürfte als Dritter am Play-off teilnehmen.

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