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Systematischer Betrug angeprangert

Enthüllungen über Doping und Korruption im russischen Sport überschatten den Reformkongress des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) in Monte Carlo. Statt ein Zeichen des Aufbruchs zu setzen, sieht sich das IOC mit einem Skandal konfrontiert. IOC-Sprecher Mark Adams bezeichnete die Vorwürfe als „ernsthafte Anschuldigungen“ und teilte mit, dass die Ethikkommission die Angelegenheit untersucht.

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„Sollte es etwas geben, was das olympische Komitee und unseren Ethikkodex beeinflusst, werden wir nicht zögern, alle nötigen Maßnahmen durchzuführen“, sagte Adams. Auch der Leichtathletik-Weltverband (IAAF), der seit Ausstrahlung der ARD-Doku „Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht“ besonders im Blickpunkt steht, kündigte Untersuchungen an.

Mariya Savinova und Ekaterina Poistogova jubeln

picturedesk.com/EPA/Kerim Okten

Marija Sawinowa (l.) zählte zu den „goldenen“ Vertreterinnen des Systems

Immerhin belegen Videoaufzeichnungen die Verstrickung des Cheftrainers der russischen Leichtathleten, Alexej Melnikow, in Doping, ebenso ein heimlicher Handymitschnitt, der zeigt, wie die 800-m-Olympiasiegerin von 2012, Marija Sawinowa, ihre Einnahme von verbotenen anabolen Mitteln erklärt. „Wie das ARD-Fernsehen zeigte, sind bei der Ethikkommission der IAAF bereits Untersuchungen zu Problemen des Dopings in der russischen Leichtathletik im Gange“, hieß es im Statement des Weltverbandes, der sich offiziell jedoch weiteren Bewertungen enthielt.

Hoffnung auf schnelle Ergebnisse

Nach Angaben der IAAF sind zurzeit 68 russische Leichtathleten wegen Dopings gesperrt. „Vorverurteilungen machen im Moment keinen Sinn. Wir müssen belastbare Verfahren haben“, sagte IAAF-Council-Mitglied Helmut Digel. „Ich hoffe, dass man in dem Fall schnell zu Ergebnissen kommt. Je länger er vor uns hergeschoben wird, desto größer wird der Schaden.“ Zweifel hat er, dass in Russland Justiz und Staat an einer Aufklärung interessiert sind.

Im Biathlon kämen mehr als 80 Prozent der Athleten, die von in den letzten Jahren suspendiert wurden, aus den ehemaligen Sowjetstaaten, sagte Nicole Resch, Generalsekretärin der Internationalen Biathlon Union. „Man darf nicht vergessen, Sporterfolge in kommunistischen Systemen waren ein beliebtes Instrument, ein Land oder eine Region auf der Weltkarte zu platzieren“, sagte Resch. „Dass hierbei Athleten instrumentalisiert wurden, kann ich nicht ausschließen.“

Abgetrennte Trainingsgruppen vor Olympia

Der frühere russische Damen-Trainer Wolfgang Pichler hat hingegen systematisches Doping bei den russischen Biathleten ausgeschlossen. „Es wird immer schwarze Schafe geben. Aber alle, das ist Schmarrn“, sagte der Deutsche der dpa. Zugleich hält er es aber für vorstellbar, dass im Zuge der Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Sotschi im Auftrag des Sportministeriums am Verband vorbei eine Gruppe von Athleten aufgebaut wurde, „die gezielt für die Heimspiele an den anderen vorbei vorbereitet wurde“.

Pichler hatte in der vergangenen Saison Olga Saizewa, Jekaterina Glasyrina, Swetlana Slepzowa, Jana Romanowa und Jekaterina Schumilowa betreut. „Für diese Athletinnen lege ich meine Hand ins Feuer“, sagte er. Zugleich wurde aber eine Konkurrenzgruppe aufgemacht, aus der die letzten beiden EPO-Dopingsünderinnen - Jekaterina Jurjewa als Wiederholungstäterin und Olga Starych - erwischt und gesperrt wurden. Auch Nachwuchshoffnung Alexander Loginow wurde positiv getestet.

RUSADA: „Keine Tatsachen“

Die russische Anti-Doping-Agentur (RUSADA) reagierte indes defensiv und zurückhaltend. „Es gibt keine Tatsachen und keine Originaldokumente, die einen Verstoß gegen Anti-Doping-Regeln belegen“, sagte RUSADA-Exekutivdirektor Nikita Kamajew am Donnerstag. Den Film habe er nicht gesehen und könne ihn deshalb auch nicht kommentieren. Bis die RUSADA eine offizielle Anfrage zu diesem Thema bekommt, „meinen wir, dass jegliche Spekulationen oder jegliche Erklärungen unbewiesen sind“, betonte Kamajew.

IAAF-Vizepräsident Sebastian Coe ist hingegen betroffen von den Enthüllungen des Betrugs- und Dopingskandals in Russland. „Das sind sehr schwerwiegende Vorwürfe“, sagte der frühere Weltklasseläufer am Donnerstag. „Ich verstehe, dass sie jetzt Gegenstand von Ermittlungen von der IAAF und seiner Ethikkommission sind. Es wäre unangemessen, die Sache weiter zu kommentieren, bis die Untersuchungen abgeschlossen sind“, meinte Coe, der kürzlich seine Kandidatur für das IAAF-Präsidentenamt ankündigte.

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