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Alle Ingredienzien für einen Klassiker

Die 22 Zentimeter große und drei Kilogramm schwere Vince Lombardi Trophy steht im University of Phoenix Stadium bereit und wartet auf ihren neuen oder vielleicht sogar alten Besitzer. Am Sonntag treffen im großen NFL-Showdown die New England Patriots und Titelverteidiger Seattle Seahawks aufeinander - wobei das mit Spannung erwartete Duell alle Ingredienzien für einen Klassiker beinhaltet.

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In der 49. Super Bowl geht es um nichts weniger als eine Wachablöse in der National Football League (NFL). Während der regierende Meister aus Seattle seine Dynastie einläuten will, wird das erfolgreichste Team des 21. Jahrhunderts alles daran setzen, seinen Status zu verteidigen und wiederzubeleben. Abgerundet wird das Spektakel in der Wüste von Arizona durch zwei starke Quarterbacks, zwei ebenso raffinierten wie erfahrenen Headcoaches und einer Rivalität, die sich zwischen einigen Spielern aufgebaut hat.

Einen Favoriten gibt es im Duell der beiden Topteams der regulären Saison nicht. „Wir glauben an das, was wir tun. Wir glauben an unser System. Wir glauben an unsere Mentalität, an unsere Philosophie - und wir erwarten, dass wir sie da draußen auch umsetzen“, sagte Richard Sherman, der Anführer der starken Seattle-Verteidigung. Patriots-Star Tom Brady ist indes zuversichtlich, gegen die „Legion of Boom“ zu bestehen. „Wir haben einen Plan zusammengestellt, der uns gefällt und mit dem wir glauben, dass wir einige Dinge ausnützen können.“

Richard Sherman (Seattle Seahawks) und Quarterback Tom Brady (New England Patriots)

AP/Elaine Thompson

Cornerback Richard Sherman (r.) hat es auf die Pässe von Tom Brady abgesehen

Brady und Belichick greifen nach Rekorden

Für den 37-Jährigen könnte das Finale überhaupt zu einem Meilenstein werden. Nach den Niederlagen in den Jahren 2008 und 2012 will der Quarterback endlich seinen vierten Super-Bowl-Ring, mit dem er zu Terry Bradshaw und seinem Idol Joe Montana aufschließen würde. „Als Kind habe ich nie daran gedacht, auch nur in einer Super Bowl zu spielen. Also ist es ziemlich unglaublich, dass es möglich wurde, nun in der sechsten zu spielen“, sagte Brady, der bisher die meisten Play-off-Touchdowns (49) der NFL-Geschichte geworfen hat.

Auch für Patriots-Coach Belichick steht abermals ein Rekord auf dem Spiel. Der 62-Jährige kann mit dem im Juni 2014 verstorbenen Chuck Noll gleichziehen, der mit den Pittsburgh Steelers (1974, 1975, 1978, 1979) als einziger Trainer bisher vier Titel geholt hat. „Gegen die Seahawks darfst du dir keine Fehler erlauben. Sie haben eine gute Defensive, machen es dir nicht leicht, spielen diszipliniert und schlau. Deshalb müssen wir unser bestes Match abliefern“, weiß Brady, was es braucht, damit sein Coach und er in den NFL-Olymp aufsteigen.

„Deflategate“ als Schatten über Patriots

Für die Patriots geht es aber vielleicht sogar um mehr als nur einen weiteren Super-Bowl-Titel. „Deflategate“, der Skandal um die zu weichen Bälle beim 45:7-Sieg im AFC-Finale gegen die Indianapolis Colts, war vor dem Endspiel omnipräsent und hängt wie ein dunkler Schatten über dem Super-Bowl-Einzug der Patriots. Vom Duell „Champs versus Cheaters“ (Champions gegen Betrüger) war sogar die Rede. Die Liga untersucht den Fall zwar, mit einem Ergebnis sei jedoch erst in einigen Monaten zu rechnen, hieß es.

Damit beim Saisonhighlight alles mit rechten Dingen zugeht, stehen die 72 im Finale verwendeten Bälle unter strenger Beobachtung. Beide Quarterbacks dürfen sich vor der Partie die Bälle aussuchen, mit denen sie spielen wollen. Danach wird aber mit Tony Medlin von den Chicago Bears eine unabhängige Aufsichtsperson die Spielgeräte überwachen. Seattle-Quarterback Wilson ist das Theater indes egal. „Ich will nur Bälle haben, mit denen ich werfen kann. Das ist das einzige, worauf ich mich konzentriere“, sagte der 26-Jährige.

Offizielle Bälle der Super Bowl

AP/Rick Osentoski

Ein besonderes Augenmerk wird in der Super Bowl auf die Bälle gelegt werden

„Vergangenheit trifft Gegenwart“

Seattle will unbedingt seinen Finalsieg wiederholen. Das letzte Team, das erfolgreich seinen Titel verteidigen konnte, waren ausgerechnet die Patriots in den Jahren 2004 und 2005. „Vergangenheit trifft Gegenwart“, schrieb „USA Today“, wobei sich beide Teams in ihrer Spielphilosophie gar nicht unähnlich sind. „Es gibt Gemeinsamkeiten. Unsere Grundlage dreht sich um die Defensive, darauf baut sich unser Programm auf“, so Carroll vor dem Finale.

Seattle verfügt über die erste Verteidigung seit den Chicago Bears (1985, 86), die in zwei aufeinanderfolgenden Saisonen die wenigsten Punkte und wenigsten Yards aller NFL-Teams erlaubt hat. Im letzten Finale wurden die Denver Broncos um Starquarterback Peyton Manning mit 43:8 demontiert - gelingt das auch mit Brady, dann wäre der zweite Super-Bowl-Titel noch denkwürdiger.

Ein Auge auf Gronkowski

Damit das gelingt, muss Seattle wohl vor allem Bradys liebste Anspielstation, Tightend Rob Gronkowski, aus dem Spiel nehmen. Mit dem 1,98 m großen und 120 kg schweren Modellathleten wird es Seattles Strongsafety Kam Chancellor, der „Gronk“ in Physis und Athletik um nichts nachsteht, zu tun bekommen. Laut Sherman wird der erste Zusammenprall der beiden Kraftpakete „laut“. Denn es seien „zwei große, starke Männer. Aber darum geht es im Football, die Fans dürfen sich auf dieses Duell freuen.“

„Er ist ihr Schlüsselspieler. Die Patriots werden sicher versuchen, ihm den Ball zu geben. Er ist athletisch, schnell und ausgekocht“, sagte Chancellor, der sich auf einen arbeitsreichen Abend einstellt. Auch Coach Carroll weiß natürlich um die Bedeutung von Gronkowski für das Patriots-Spiel. „Wir müssen uns etwas einfallen lassen, um ihn zu bremsen. Er wird an den Ball kommen - die Frage ist nur, wie effektiv er sein wird. Wenn wir nicht unseren Job erledigen, kann er das Spiel kontrollieren“, sagte der Seattle-Headcoach.

Christian Wagner, ORF.at

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