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Saison 2000/01 als Höhepunkt

An den 7. November 2000 erinnert man sich in Graz sicher gerne. Denn an jenem Tag schrieb Sturm mit dem 2:2 bei Galatasaray Istanbul ein Stück heimischer Fußballgeschichte. Erstmals überstand ein österreichischer Verein die erste Gruppenphase der Champions League - und das sogar als Gruppensieger. Auf dem Weg zur europäischen Sensation zahlte Sturm aber einiges an Lehrgeld.

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Die Jahre rund um die Jahrtausendwende sind in den Clubannalen von Sturm wohl dick angestrichen. Denn es waren die „goldenen“ Jahre des steirischen Traditionsclubs. Unter der Leitung von Trainer Ivica Osim und angeführt von Ivica Vastic war Sturm das Maß der Dinge in der Meisterschaft. 1998 holten die Grazer mit dem damaligen Rekordvorsprung von 19 Punkten erstmals die Meisterschaft in die Steiermark, ein Jahr später verteidigte man den Titel erfolgreich. Der nationale Erfolgslauf öffnete Sturm auch die Tür zur Millionenliga Champions League.

Jubel von Ivica Vastic (Sturm Graz) im Spiel gegen Real Madrid 1998

APA/Hans Klaus Techt

Ivica Vastic und seine Kollegen durften sich auch mit Real Madrid messen

Und die erreichte Sturm dreimal in Folge - das gelang davor und danach keinem österreichischen Verein. „Champions League ist das größte für einen Fußballer. Ich bin sehr froh, dass ich es in meiner Karriere dreimal mit Sturm Graz erleben durfte“, erinnert sich Franco Foda, aktuell Trainer der Grazer, im Gespräch mit ORF.at. Auch Vastic denkt gerne an die erfolgreiche Zeit zurück. „Von einem Verein wie Sturm hat sich das niemand erwartet“, so der aktuelle Coach von Aufsteiger Mattersburg.

TV-Hinweis

ORF Sport + zeigt die Highlights der Saison 2000/01 am 4. September ab 22.25 Uhr.

Lehrstunden im Premierenjahr

Gleich im ersten Anlauf qualifizierten sich die Grazer in der Saison 1998/99 für die lukrative Gruppenphase. Ujpest Budapest hatte gegen den österreichischen Meister mit Namen wie Vastic, Franco Foda, Mario Haas und Hannes Reinmayr keine Chance. 4:0 und 3:2 lauteten die Ergebnisse aus Sicht der Grazer. Und mit einem Schlag fand man sich in einer Gruppe mit Real Madrid, Inter Mailand und Spartak Moskau wieder - und war um 17 Mio. Schilling reicher.

Kartnig im Ö3-Wecker

Der damalige Präsident Hannes Kartnig hatte im Ö3-Wecker einen dezidierten Wunschgegner:

In der Gruppenphase musste Sturm einsehen, dass österreichische und internationale Klasse zwei Paar Schuhe sind. Zwar verkauften sich die Grazer gut und holten mit einem 0:0 bei Spartak in ihrer ersten Saison gleich einen Punkt, aber es setzte auch herbe Abfuhren wie das 1:5 und 1:6 jeweils gegen Real Madrid. Aber immerhin: Beim 1:6 im Bernabeu-Stadion lag Sturm dank Vastic sogar kurzzeitig in Führung. Und auch in Mailand machte der Außenseiter beim 0:1 keine schlechte Figur.

„Stück für Stück“

Ein Jahr später hinterließ Sturm schon deutlichere Spuren. Über die Hürde Servette Genf kämpfte man sich mit 2:1 und 2:2 erneut in die Gruppenphase. Die Gegner konnten sich mit Manchester United, Olympique Marseille und Dinamo Zagreb erneut sehen lassen. Die ersten drei Spiele ließen jedoch Schlimmes befürchten. Alle Spiele wurden zu null verloren. Der österreichische Meister war der Punktelieferant der Gruppe.

Foda und Vastic 1999 bei Ö3

Im zweiten Jahr musste Sturm deutlich mehr kämpfen. Ivica Vastic war nach dem Aufstieg gegen Servette Genf im Ö3-Interview erleichtert:

Doch dann ging den Grazern der Knopf auf. Vor ausverkauftem Haus in der damals noch nach Hollywood-Star Arnold Schwarzenegger benannten Liebenauer Arena zwang Sturm Dinamo Zagreb dank Tomislav Kocijans Tor in die Knie und feierte den ersten Sieg in der Champions League. Eine Woche später musste sich Olympique Marseille mit 2:3 geschlagen geben. Und im letzten Gruppenspiel zog man sich mit einem 1:2 im Old Trafford von Manchester United beachtlich aus der Affäre. „Es ist damals Stück für Stück gegangen“, so Vastic, der den Ehrentreffer in Manchester per Elfmeter besorgte.

Dank Heimstärke zum Gruppensieg

In der Saison 1999/2000 durfte Sturm erneut in der Qualifikation zur Champions League antreten, auch wenn man in der Meisterschaft dem FC Tirol Innsbruck den Vortritt lassen musste. Zwei Runden Qualifikation mussten daher überstanden werden. Zuerst wurde Hapoel Tel Aviv mit 3:0 und 2:1 abgefertigt, dann warf Sturm den 14-fachen Meister der Niederlande Feyernoord Rotterdam mit einem 2:1 daheim und einem 1:1-Remis aus dem Bewerb. Ein Hinweis, dass vor allem in Graz für Sturm was gehen könnte.

Ehemaliger Sturm-Trainer Ivica Osim im Jahr 1999

APA/Robert Jäger

Trainer Ivica Osim formte aus Sturm ein Team von internationalem Kaliber

Was dann in der Gruppenphase passierte, damit hatten allerdings wohl nur die größten Optimisten gerechnet. In Graz hatten weder die Glasgow Rangers noch AS Monaco und Galatasaray Istanbul eine Chance. Das 2:2 in der Türkei bescherte Sturm sogar den Gruppensieg. Da war es schließlich egal, dass man in Glasgow und Monte Carlo jeweils mit 0:5 unter die Räder kam.

Auch in der damals ausgespielten zweiten Gruppenphase mit den Gegnern Manchester United, dem FC Valencia und Panathinaikos Athen hielt Sturm mit. Die Athener wurden sogar daheim 2:0 und auswärts 2:1 besiegt. „Dass wir damals unter den besten 16 Clubs in Europa waren, war für einen Verein wie Sturm sensationell. Von Mannschaften wie Bayern, Juventus oder Barcelona erwartet man sich, dass die dort mitspielen. Die sind Stammgäste in der Champions League“, so Vastic, „aber von einem Verein wie Sturm hat sich das niemand erwartet.“

„Mannschaft mit richtigen Kumpels“

Der Erfolgslauf war für die damaligen Akteure im Rückblick nicht überraschend. „Es war eine Mannschaft mit richtigen Kumpels. Wir waren alle gut befreundet, nicht nur auf dem Platz. Es gab großen Respekt unter den Spielern“, erklärt Vastic gegenüber ORF.at das Erfolgsrezept von damals, „es hat auch von der Qualität gepasst, es war eine gute Mischung. Der Zusammenhang und Teamgeist war der Schlüssel zum Erfolg.“

Für Foda war die Kontinuität in der Kaderplanung zur damaligen Zeit einer der Hauptgründe. „Es war natürlich ein Vorteil, dass wir praktisch vier Jahre mit der gleichen Mannschaft gespielt haben“, erinnert sich der Deutsche, „man kann es mit heute nicht mehr vergleichen. Wir hatten damals große finanzielle Möglichkeiten, weil wir ja sehr oft in der Champions League waren. Es war eine sehr erfahrene Mannschaft.“

Aufstieg und tiefer Fall

Teams mit einem ähnlichen Erfahrungswert findet man laut Foda 15 Jahre später in Österreich nur selten. „Weil sich das Ganze auch vom Finanziellen her verändert hat“, so der 49-Jährige, „gute Spieler gehen sofort weg. Früher sind gute Spieler von Deutschland nach Österreich gekommen, heute ist das eigentlich nur noch bei Salzburg möglich.“ Nach Sturm schafften es nur noch Rapid 2005/06 und die Wiener Austria 2013/14 in die Gruppenphase. Den Erfolgslauf von Sturm konnten aber beide Wiener Vereine nicht kopieren.

Auch für die Grazer waren die drei goldenen Jahre nicht nur ein Segen. Denn die damalige Führungsriege bei Sturm wurde vom eigenen Glanz geblendet. Dem jähen Aufstieg folgte der tiefe finanzielle Fall. Nur wenige Jahre nach dem Einzug in die zweite Gruppenphase musste der Club nach Fehlinvestitionen Konkurs anmelden. Besonders tief war der Fall von Präsident Kartnig. Der Clubboss wechselte nach Betrugsvorwürfen vom VIP-Club zuerst auf die Gerichts- und schließlich auf die Gefängnisbank.

Karl Huber, ORF.at

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