Manipulation auf Futures-Ebene
Dem Tenniszirkus droht ein Manipulationsskandal von unerwarteter Seite: Wie erst jetzt bekanntwurde, waren bereits im Vorjahr zwei Schiedsrichter vom Internationalen Tennisverband (ITF) gesperrt worden. Vier weitere wurden nun suspendiert. Ihnen wird vorgeworfen, die Meldung von Spielständen bewusst verzögert zu haben, um entsprechende Wetten zu platzieren.
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Den Kasachen Kirill Perfenow hatte es bereits im Februar 2015 erwischt: Die ITF warf ihm vor, einen „Versuch, Matchscoring zu manipulieren“ unternommen zu haben, und sperrte ihn lebenslang. Der Kroate Denis Pitner war im August für ein Jahr gesperrt worden, weil er Details zum gesundheitlichen Zustand eines Spielers einem anderen Trainer verriet, außerdem habe sich Pitner in regelmäßigen Abständen in einen Wett-Account eingeloggt, mit dem Tenniswetten abgeschlossen wurden, wie die ITF erst jetzt in einem Statement erklärte.

Reuters/Stefan Wermuth
Schiedsrichter als dunkle Gestalten: Die ITF versuchte, die Sperre bzw. Suspendierung von sechs Referees möglichst geheim zu halten
Vier weitere Schiedsrichter wurden zudem vor Kurzem suspendiert, gegen sie laufen Ermittlungen, bestätigte die ITF einen entsprechenden Bericht der britischen Zeitung „The Guardian“. „Um eine Vorverurteilung in Bezug auf eine zukünftige Verhandlung zu verhindern, können wir keine Details offiziell bekanntgeben, was die Art und Weise der Untersuchungen betrifft“, erklärte die ITF. „Sollte ein Offizieller einen Verstoß begangen haben, wird es öffentlich bekanntgegeben“, so der Verband weiter.
Livescores mit Verspätung
Dem „Guardian“ zufolge habe es sich bei den inkriminierten Spielen jeweils um Partien auf der Futures Tour, der niedrigsten internationalen Kategorie im Profitennis, gehandelt. Konkret sollen die Schiedsrichter aktuelle Spielstände mit bis zu einer Minute Verspätung in jenes technische System eingegeben haben, an das Livescore-Seiten und Wettanbieter gekoppelt sind. In jenem Zeitfenster seien dann jeweils Wetten - und satte Gewinne - auf den bereits gespielten Punkt möglich geworden.
Das Livescore-System, an das die Wettanbieter angebunden sind, wurde 2012 von der ITF in einem 70 Millionen Dollar schweren Auftrag an das Unternehmen Sportradar beauftragt. Damit sollten Livescores von sehr kleinen Turnieren weltweit verbreitet werden können. Im Deal vorgesehen ist, dass die Schiedsrichter jede Änderung des Spielstandes sofort in das System eintragen. Genau dort hakten die mutmaßlichen Wettbetrüger ein.
Referees informieren Partner per SMS
Laut „Guardian“ kam es sogar vor, dass Schiedsrichter die Informationen darüber, wer den nächsten Punkt macht, per SMS an die Wettbetrüger weiterreichten, damit diese auf den entsprechenden Punkt setzen konnten. Die Vorgehensweise sei jeweils bei Futures-Turnieren in Osteuropa angewendet worden, die nicht im Fernsehen übertragen wurden und bei denen die Sicherheitsbestimmungen entsprechend nachlässig gewesen seien. Bei den Turnieren seien die auf freiwilliger Basis agierenden Schiedsrichter zudem besonders offen für Korruption.
Als „zutiefst verstörend“ bezeichnete der frühere Schiedsrichterausbildner und Profireferee Richard Ings die Entwicklungen. „Ich war über 15 Jahre im professionellen Tennis als Schiedsrichter und ATP-Administrator tätig. In dieser Zeit habe ich Schiedsrichter kleinere Vergehen verüben gesehen. Aber ich habe es noch nie gesehen, dass sich Referees über die Integritätsregeln im Tennis wegen Sportwetten hinweggesetzt haben.“
Die ITF versuchte zudem laut „Guardian“, die Vorfälle möglichst vertraulich und ohne großes Aufsehen abzuhandeln, obwohl der Verband seine Regeln im Vorjahr dahingehend änderte, dass Regelverstöße nun öffentlich gemacht werden müssen. Weshalb die Sperren und Suspendierungen aber erst nach dem „Guardian“-Bericht bestätigt wurden, blieb seitens der ITF unbeantwortet. Ebenso offen ließ die ITF, um welche Spiele es sich genau handelt.
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