Das große Zittern beginnt
In knapp sechs Wochen wird im Stade de France die UEFA Euro 2016 angepfiffen. Gleichzeitig mit der Vorfreude der Fans steigt bei mehreren EM-Teilnehmern die Sorge um einige Stammspieler. Vor allem bei Österreichs Gruppengegner Portugal läuten die Alarmglocken. Ausgerechnet Real-Superstar Cristiano Ronaldo wird - wie schon vor der WM 2014 - im Saisonfinish von einer rätselhaften Verletzung geplagt.
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Insgesamt 44 Pflichtspiele - 34 in der Primera Division und zehn in der Champions League - hat „CR7“ in dieser Saison bereits in den Beinen. Bei sämtlichen Partien stand Ronaldo dabei über die volle Distanz auf dem Platz, nur beim 2:0-Sieg im CL-Achtelfinal-Hinspiel bei der AS Roma wurde er erst in der 89. Minute ausgewechselt. In der „Königsklasse“ zuletzt gefehlt hatte der Portugiese im Viertelfinal-Rückspiel in Dortmund 2014. Vor einer Woche wurde Ronaldo nun aber ein missglückter Fallrückzieher in der Liga gegen Villarreal zum Verhängnis.

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Seit einem misslungenen Fallrückzieher muss Ronaldo pausieren
Der Portugiese verließ kurz vor dem Abpfiff angeschlagen das Feld und fehlte den „Königlichen“ deshalb auch im darauffolgenden Ligaspiel bei Rayo Vallecano. Ursprünglich hätte er am Dienstag in der Champions League gegen Manchester City (0:0) sein Comeback geben sollen, die medizinische Abteilung gab dafür aber wegen einer Muskelüberlastung im rechten Oberschenkel kein grünes Licht. Real-Trainer Zinedine Zidane hofft nun zumindest auf ein Comeback im Rückspiel in einer Woche in Madrid, blieb dabei aber auffällig zurückhaltend.
„Ein Spieler, der immer spielen will“
Wie der spanische Radiosender Cope am Mittwochnachmittag berichtete, könnte es Ronaldo allerdings sogar noch schwerer erwischt haben als angenommen. Eine Kernspintomografie habe nämlich einen Muskelfaserriss im Oberschenkel ergeben. Wann der 31-Jährige wieder spielen kann, bleibt weiter unklar. Im Ligaspiel gegen Real Sociedad am Samstag soll er aber auf jeden Fall fehlen. Laut Cope soll sich Ronaldo nun einer Behandlung mit Stammzellen unterziehen, um so schnell wie möglich wieder fit zu werden.
Real-Coach Zidane gab sich unterdessen auch selbst zumindest eine Teilschuld an der Verletzungspause seines Superstars. „Ich bereue, dass ich Ronaldo nicht ab und zu habe pausieren lassen“, räumte Zidane bereits nach dem Malheur beim Spiel gegen Villarreal ein. „Es wäre wichtig für ihn, einmal nicht durchzuspielen oder einmal gar nicht zu spielen, um sich auszurasten. Er ist aber ein Spieler, der immer spielen will und alles gibt. Das macht es für mich manchmal schwierig“, sagte Zidane.
Parallelen zu Leidensgeschichte vor WM
Die aktuelle Leidensgeschichte Ronaldos erinnert frappant an die Ereignisse unmittelbar vor der Fußball-WM 2014 in Brasilien. Auch damals gab der 31-Jährige - wie auch jetzt - öffentlich Entwarnung. Später gestand Ronaldo allerdings, dass er sowohl im Champions-League-Finale gegen Atletico Madrid (4:1 n. V.) als auch bei der WM-Endrunde, bei der Portugal in der Vorrunde ausschied, am Knie verletzt war und nach eigenen Worten auch seine Karriere aufs Spiel gesetzt habe. „Im Leben gewinnt man nichts, wenn man keine Opfer bringt“, sagte er dem spanischen Sportblatt „Marca“ damals.
Auch in diesem Jahr ließ der portugiesische Superstar bereits anklingen, dass er - angeschlagen oder nicht - in einem möglichen CL-Endspiel auf jeden Fall auflaufen will. „Wenn es ein Finale wäre, würde ich spielen“, unterstrich der 31-Jährige trotz Bedenken der spanischen Ärzte bereits vor dem Halbfinal-Hinspiel am Dienstag in Manchester gegenüber dem spanischen TV-Sender Antena 3. Sollten die „Königlichen“ tatsächlich ins Endspiel am 28. Mai in Mailand einziehen, blieben dem Portugiesen bis zum EM-Auftaktspiel gegen Island lediglich 17 Tage Verschnaufpause. Vier Tage später steht das Duell mit Österreich auf dem Programm.
Sorgen auch bei Italien und Deutschland
Dass die kräfteraubende Saison allerdings schon jetzt ihren Tribut fordert, ist nicht zu übersehen. Selbst ein nicht zu 100 Prozent fitter Ronaldo wäre für Portugals Teamchef Fernando Santos ein weiterer herber Rückschlag. Mit Linksverteidiger Fabio Coentrao, der sich im Training beim AS Monaco eine gravierende Verletzung am Oberschenkel zuzog und operiert werden musste, und Danny, der bei seinem Club Zenit Sankt Petersburg wegen eines Kreuzbandrisses bis zu neun Monate ausfällt, muss die „Selecao“ bei der Euro schon auf zwei Stammspieler verzichten.
Allerdings wird nicht nur Österreichs Gruppengegner knapp vor dem EM-Anpfiff von Verletzungssorgen geplagt. Auch Italien, das in der Gruppe E auf Belgien, Irland und Schweden trifft, muss bei der EM auf zumindest zwei Spieler verzichten. Juve-Mittelfeldspieler Claudio Marchisio wird in Frankreich mit einem Kreuzbandriss ebenso fehlen wie der designierte Ersatztorhüter Mattia Perin. Zudem steht hinter Torino-Stürmer Ciro Immobile aufgrund einer Zyste im ohnehin schon verletzten rechten Oberschenkel ein großes Fragezeichen.

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Zuletzt brillierte Schweinsteiger als Fan bei Spielen von Freundin Ana Ivanovic
Weltmeister Deutschland (in Gruppe C gegen Ukraine, Polen und Nordirland) muss wiederum um einen Einsatz von DFB-Kapitän Bastian Schweinsteiger bangen. Der 31-Jährige erlitt bei Manchester United einen Innenbandteilriss im rechten Knie und hatte zuletzt genügend Zeit, sich Tennisspiele seiner Freundin Ana Ivanovic anzuschauen. Auch Schalke-Abwehrspieler Benedikt Höwedes, Wolfsburg-Mittelfeldspieler Julian Draxler und Liverpool-Legionär Emre Can sind zumindest fraglich. England (in Gruppe B gegen Russland, Wales und die Slowakei) muss auf jeden Fall auf Ersatzgoalie und Arnautovic-Teamkollege Jack Butland verzichten.
Koller kann aufatmen
ÖFB-Teamchef Marcel Koller kann aufatmen: Seine Sorgenkinder Marc Janko und Aleksandar Dragovic stehen nach ihren Verletzungen kurz vor dem Comeback. Ihrem Einsatz bei der EM sollte daher nichts im Weg stehen.
Bei ÖFB-Sorgenkindern geht es aufwärts
ÖFB-Teamchef Marcel Koller kann unterdessen etwas durchatmen. Der Heilungsprozess von ÖFB-Torjäger Marc Janko nach seinem Muskelfaserriss im Oberschenkel verläuft nach Plan. Der 32-jährige Basel-Spieler hofft, in spätestens zwei Wochen wieder auf dem Platz zu stehen. Auch ÖFB-Abwehrchef Aleksandar Dragovic befindet sich nach seinem Anfang April erlittenen Bänderriss im Sprunggelenk bereits wieder im leichten Lauftraining. „Ich will unbedingt Fußballspielen“, unterstrich der Spieler von Dynamo Kiew. „Aber da der Titel sicher ist, wäre es in Blickrichtung EM fahrlässig, ein unnötiges Risiko einzugehen.“
Wolfgang Rieder, ORF.at
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