Themenüberblick

„Arbeit, Arbeit, Arbeit“

Bekanntgeworden ist Diego Simeone wenig überraschend durch ein Foul. 1998 in Frankreich brachte der Argentinier im WM-Achtelfinale David Beckham zu Fall, mit Rot vom Feld musste wegen Nachschlagens aber Englands damaliger Jungstar. Sich selbst charakterisierte Simeone als Spieler „mit einem Messer zwischen den Zähnen“. Am Samstag (20.45 Uhr, live in ORF eins und im Livestream) greift er als Trainer von Atletico Madrid nach dem Titel in der Champions League.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Im spanischen Finalduell von Mailand trifft Atletico auf Stadtrivale Real. Es ist auch ein Vergleich zweier Fußballphilosophien. Während Real den Flair eines Nobelclubs versprüht, gilt Atletico als Madrids Arbeiterverein. Eine Ausgangslage, mit der sich Simeone nur allzu gut identifizieren kann. Nach zwei Engagements als Profi leitet er seit Dezember 2011 die Geschicke bei den „Rojiblancos“.

„El Cholo“ schaffte die Wende

Simeone, der seit seiner Zeit im Nachwuchs von Velez Sarsfield den Spitznamen „El Cholo“ („Der Mestize“) trägt, hat dem Verein seither ein ungekanntes Selbstbewusstsein eingeimpft. Atletico galt als erfolglos und stand im Schatten von Real. Zahlreiche Trainerwechsel unter dem umstrittenen ehemaligen Vereinsboss Jesus Gil y Gil und dessen Sohn Miguel Angel Gil Marin taten ihr Übriges. Als Simeone übernahm, lag Atletico nur auf dem zehnten Tabellenrang.

Atletico-Coach Diego Simeone diskutiert energisch mit Bayern-Spielern und deren Coach Pep Guardiola

APA/AP/Matthias Schrader

Im Halbfinale gegen Bayern legte sich Simeone mit „Pep“ Guardiola an

Mit seiner Devise „Arbeit, Arbeit und noch mehr Arbeit“ schaffte der stets in Schwarz gekleidete Simeone aber die Wende. Kampfkraft, Härte und taktische Disziplin fordert der 106-fache argentinische Internationale von seinen Profis. Mit seinem bedingungslosen Siegeswillen schießt Simeone, der schon als Aktiver weder sich noch Gegner geschont hatte, zuweilen jedoch über die Grenzen hinaus.

Spieler „sterben“ für Trainer

Vor zwei Jahren war er für acht Spiele gesperrt worden, nachdem er dem Assistenzschiedsrichter im Abgang nach einem Platzverweis zweimal auf den Hinterkopf gekloppt hatte. Im Halbfinal-Rückspiel gegen die Bayern vor wenigen Wochen dauerte dem 46-Jährigen im Finish der Partie ein Wechsel zu lange, ein Atletico-Offizieller erhielt daraufhin einen unsanften Schlag auf die Schulter.

„Er war schon als Spieler so. Er lebt auch als Trainer das Spiel zu 100 Prozent mit“, meinte dazu Salzburg-Trainer Oscar Garcia, der Simeone aus seiner Zeit in der spanischen Liga kennt. Durch seine Vehemenz hat Simeone aber Fans wie Spieler auf seine Seite gezogen. Sie folgen seinen Anweisungen bedingungslos. „Wir sterben füreinander“, betonte Fernando Torres vor dem Spiel in München. Der seit dem Vorjahr wieder für seinen Stammclub spielende Stürmer erkannte nach seiner Rückkehr: „Der Club wurde revolutioniert, das ist Simeone zu verdanken.“

Kein Interesse an Schönheitspreisen

Nur ein halbes Jahr nach seinem Amtsantritt gewann der Argentinier mit Atletico die Europa League, ein Jahr später wurde Real im Finale der Copa del Rey nach Verlängerung geschlagen. Es war Atleticos erster Sieg gegen den Nachbarn aus dem wohlhabenden Norden seit 14 Jahren. Real revanchierte sich 2014 im Champions-League-Finale, das ebenfalls nach Verlängerung entschieden wurde. Atletico hatte sich wenige Tage zuvor den ersten Meistertitel seit 18 Jahren gesichert. Schon damals war vom „Cholismo“ die Rede, Atleticos kampfbetonter Antithese zum Tiki-Taka, wie es „Pep“ Guardiola pflegt.

Einen Schönheitspreis wird Familienmensch Simeone - angeblich ruft er vor jedem Spiel seine Söhne in Buenos Aires an - mit seinem Stil freilich keinen gewinnen. Effizienz und eine unangenehme Spielweise zeichneten Atletico auch heuer in den Duellen mit Barcelona (Viertelfinale) und Bayern aus. In Mailand soll die Krönung erfolgen. Den Titel im wichtigsten europäischen Clubbewerb hat Atletico noch nie gewonnen. Dann könnte der Verein dem Erfolgscoach ein Denkmal setzen: Viele fordern bereits, dass das neue Atletico-Stadion, das 2017 eröffnet wird, nach Simeone benannt werden soll.

Links: