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Seit 51 Jahren ohne Titel

Eine Siegesparade mit Konfettiregen durch die Straßen der Stadt gehört nach einer Meisterfeier mittlerweile zum Standard. In Cleveland kennt man Titelpartys nur vom Hörensagen. Denn die Stadt im US-Bundesstaat Ohio gehört zu den erfolglosesten Orten der Sportwelt. Die Basketballer der Cleveland Cavaliers haben im Finale der National Basketball Association (NBA) die Chance, den Fluch zu beenden.

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Ab Donnerstag kämpfen Superstar LeBron James und seine „Cavs“ im ersten Spiel der Finalserie auswärts in Oakland um eine erfolgreiche Revanche gegen die Golden State Warriors. Im Vorjahr zog Cleveland gegen Golden State in sechs Spielen der „Best of seven“-Serie den Kürzeren und verlängerte damit die sportliche Misere der Stadt. Während die Titellosigkeit der Warriors nach 40 Jahren endete, müssen die Cavaliers weiter auf die erste Meisterkrone der Clubgeschichte warten.

Überhaupt ist der letzte Titel eines Teams aus Cleveland schon 51 Jahre her, obwohl die Stadt in drei der vier wichtigsten Profiligen der USA - National Football League (NFL), Major League Baseball (MLB) und NBA - vertreten ist. 1965 krönten sich die Footballer der Browns zu NFL-Meistern. Von einer Super Bowl redete damals noch niemand, die erste fand erst zwei Jahre später statt. Seitdem mussten die gebeutelten Fans im Nordosten Ohios einige Tiefschläge verkraften.

Browns: Vom Erfolgs- zum Loserteam

Das Football-Team der Browns war jahrelang das Aushängeschild der Stadt. In den 40er, 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts war Cleveland eine der Topadressen. Insgesamt acht Meistertitel - je vier in der NFL und der früheren Konkurrenzliga All-America Football Conference (AAFC) - holten die Browns nach Ohio. Kein Wunder, dass selbst Starregisseur Billy Wilder seine Komödie „Der Glückspilz“ (im Original: „The Fortune Cookie“), die Hollywood-Legende Walter Matthau einen Oscar einbrachte, rund um das Team der Browns aufzog.

Terrelle Pryor (Cleveland Browns) und Antwon Blake (Pittsburgh Steelers)

Reuters/USA Today Sports/Ken Blaze

Vom früheren Glanz ist bei den Browns (l.) nur noch wenig über

Danach ging es mit dem Team bergab. Die ehemalige Erfolgsmarke wurde zum Synonym für bittere Niederlagen, die aufgrund ihrer Dramatik sogar mit eigenen Schlagwörtern ihren Einzug in die NFL-Lexika fanden. Die schwärzeste Stunde erlebten die Football-Fans in Cleveland 1995, als der damalige Teambesitzer Art Modell den Stolz der Stadt kurzerhand nach Baltimore verfrachtete und dort als Ravens fortführte und zu allem Überdruss vier Jahre später den Titel holte. Erst 1999 kehrten die Browns als NFL-Marke zurück. Die Erfolglosigkeit blieb allerdings.

Indians: Happy End nur in Hollywood

Clevelands Baseballteam ist außerhalb der USA sogar noch bekannter als die Browns. Auch daran ist Hollywood schuld. Die Erfolglosigkeit der Indians bildete 1989 die Rahmenhandlung für die Komödie „Die Indianer von Cleveland“ (Original: „Major League“), in der eine No-Name-Truppe - darunter die späteren Stars Charlie Sheen und Wesley Snipes - für Furore sorgen. Warum die Indians ausgewählt wurden? Der letzte Meistertitel des Clubs mit dem umstrittenen Indianerkopf im Logo datiert aus dem Jahr 1948.

Pitcher Jeff Manship (Cleveland Indians)

Reuters/USA Today Sports/Ken Blaze

Den Indians waren nur auf der Leinwand große Erfolge beschert

Zwar spielten die Indians in der Folge auch immer wieder eine tragende Rolle in der MLB, der insgesamt dritte Gewinn der World Series nach 1920 und 1948 blieb bisher aber ein frommer Wunsch. 1995 und 1997 stand man zwar im Finale, zum großen Wurf reichte es aber nicht. Vor 19 Jahren trennten Cleveland im entscheidenden siebenten Spiel nur drei Outs vom Gewinn der World Series über die Florida Marlins. Aber auch damals schlug der Fluch gnadenlos zu: Pitcher Jose Mesa versagten die Nerven, die Marlins drehten die Partie, und der Titel ging nach Florida.

Cavaliers: Eine Hoffnung namens James

Seit 1970 wird in Cleveland auch Basketball gespielt. Große Erfolge waren den Cavaliers aber die ersten drei Jahrzehnte nicht vergönnt. Das lag vor allem auch an einem gewissen Michael Jordan, der Cleveland im Play-off ein ums andere Mal im Weg stand. 2003 änderte sich die Situation dramatisch. Damals betrat der im nahen Akron aufgewachsene LeBron James die NBA-Bühne und verwandelte die bisherigen Mitläufer in einen ernsthaften Konkurrenten. 2007 erlebte Cleveland erstmals eine Finalserie. James und Co. sahen gegen die routinierten San Antonio Spurs mit 0:4 aber kein Land.

James war es auch, der die Cavaliers 2010 zurück in alte Tristesse beförderte, indem er nach einem unglaublichen Medienspektakel ankündigte, sein Talent nach South Beach zu den Miami Heat zu verlagern. Während die „Cavs“ in der Bedeutungslosigkeit verschwanden, holte James mit den Heat in vier Versuchen zwei Titel. Im Vorjahr kehrte der verlorene und kurzzeitig aus den Herzen der Fans verstoßene Sohn zurück, und die Cavaliers fanden wieder in die Erfolgsspur. Im Finale 2015 musste man aber den Warriors den Vorzug lassen.

„Ein anderes Gefühl“

Heuer stehen die Chancen nicht schlecht, dass das Titeltrauma von Cleveland ein Ende findet. Anders als 2015 muss James nicht alleine die Last tragen. Leistungsträger wie Kyrie Irving, im Vorjahr verletzt, sind diesmal mit von der Partie. Titelverteidiger Golden State geht allerdings mit einem Grunddurchgang der Rekorde im Gepäck - die Warriors gewannen 73 von 82 Spielen - und der Gewissheit, ein 1:3 in der Semifinal-Serie gegen Oklahoma City gedreht zu haben, ins Finale. Zudem fand Superstar Stephen Curry nach seiner in der ersten Play-off-Runde erlittenen Knieblessur wieder in die Spur.

Stephen Curry (Golden State Warriors) gegen LeBron James (Cleveland Cavaliers)

Reuters/USA Today Sports/John G. Mabanglo

Im Vorjahr hatte Stephen Curry (in Weiß) das bessere Ende für sich

Trotzdem ist man in Cleveland zuversichtlich, dass heuer nach 51 Jahren wieder eine Siegesparade durch die Straßen führen wird. „Es fühlt sich anders an“, sagte James nach dem Finaleinzug, „es ist anders, wenn das Team seine volle Stärke hat. Und ich kann es auch mehr genießen.“ Sollte der 31-Jährige auch noch zum entscheidenden Akteur werden, ist ihm ein Denkmal sicher. Das würde wohl neben jenem des legendären Jesse Owens im Fort Washington Park im Zentrum der Stadt stehen. Der Sprintstar gewann vor 80 Jahren in Berlin viermal Olympiagold.

Karl Huber, ORF.at

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