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Ab Dienstag voll auf der Höhe sein

Das Auftaktspiel für Österreichs Nationalmannschaft bei der EM 2016 rückt kontinuierlich näher. Am Dienstag geht es in Bordeaux gegen Ungarn (18.00 Uhr, live in ORF eins) erstmals seit dem 3:0-Sieg gegen Liechtenstein im Happel-Stadion am 12. Oktober 2015 wieder in einem Pflichtspiel zur Sache. Dazwischen lagen gegen die Schweiz, die Türkei, Albanien, Malta und den Niederlanden fünf Testspiele, die durchwachsen verliefen.

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Ab Dienstag muss das Team von Coach Marcel Koller aber wieder voll auf der Höhe sein. Darauf zielte auch die entsprechend gestaltete Vorbereitung ab. „Es gilt, den goldenen Mittelweg zu finden, zwischen der Leichtigkeit in der Qualifikation und dem Sich-Bewusstwerden, dass es jetzt um alles geht. Wenn die Mannschaft das schafft und mit einem Erfolgserlebnis ins Turnier startet, dann traue ich ihnen extrem viel zu“, nannte ORF-Experte Peter Hackmair einen Schlüssel für eine erfolgreiche EM.

Die Passqualität als Grundstein für das Spiel

Es gibt aber noch weitere Faktoren, deren Umsetzung unerlässlich für ein gutes Abschneiden sind. Einer davon ist die von Koller stets erwähnte Qualität im Passspiel. Das ÖFB-Team wurde unter dem Schweizer zu einer Mannschaft, die sich über den Ballbesitz definiert. Vor allem gegen die eher defensiv ausgerichteten Gruppengegner Ungarn und Island sollte die Sicherheit gegeben sein, um sich keine Konter einzufangen. „Da sind Automatismen wichtig. Deshalb macht es auch ganz viel Sinn, dass Koller diesen Aspekt immer in die Trainings einfließen lässt“, sagte Hackmair gegenüber ORF.at.

Alle bereit für EM-Match gegen Ungarn

Österreichs Nationalteam ist in Bordeaux eingetroffen, wo es Dienstagabend beim EM-Match gegen Ungarn einen Sieg geben soll. Die Mannschaft ist bereit für den wichtigen Auftakt.

Das Mittelfeld muss mit Sicherheit überbrückt werden, damit die Offensive entsprechend in Szene gesetzt werden kann. „Das Passspiel bringt dich ins letzte Drittel. Dort geht es oft um Kreativität und um Power. Da haben wir zum Glück Spieler wie einen Marko Arnautovic, Zlatko Junuzovic oder David Alaba, die auch im Eins-gegen-eins vorbei kommen können“, nannte Hackmair Spieler, die für die notwendigen „Überraschungsmomente“ sorgen können.

Die Chancenauswertung muss passen

Sich nur in die Gefahrenzone zu spielen ist aber natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss. Die Torchancen müssen auch genutzt werden, gerade gegen Gegner wie Ungarn und Island. In den Spielen gegen Malta und die Niederlande klappte das nicht nach Wunsch. Gegen die „Oranje“ wurde erstmals seit 23 Spielen oder September 2013 in München gegen Deutschland kein Tor erzielt.

David Alaba bei seiner Torchance gegen die Niederlande

APA/AFP/Hans Punz

Gegen die Niederlande blieb dem ÖFB-Team ein Torerfolg verwehrt

„Gegen Ungarn erwarte ich ein enges Spiel, ein Geduldsspiel. Das ist bei Auftaktspielen immer so, weil keiner zu viel riskieren will. Da gilt es, jede Chance zu nutzen“, weiß Hackmair und ergänzte: „Es ist eine Kopfsache. Viele haben eine perfekte Schusstechnik, da geht es dann um die Lockerheit oder darum, dass dem einen oder anderen wieder der Knopf mit einem Erfolgserlebnis aufgeht. Drauf haben es die Spieler alle, man muss es nur mental abrufen.“

Mental zählt der klare Gedanke

Vor allem der mentalen Stärke kommt bei einem großen Turnier wie der EM eine zentrale Bedeutung zu, sie steht laut Hackmair „über allem“. Die sensationelle Qualifikation hat Euphorie und Hoffnungen geweckt, viele ÖFB-Fans erwarten den Aufstieg ins Achtelfinale - ein zusätzlicher Erfolgsdruck, den es zu meistern gilt. Für Hackmair geht es um die Frage: „Wie sehr können die Spieler das abrufen, was in ihnen steckt, und wie sehr können sie den Schalter umlegen von Freundschaftsspielen zu einem Turnierspiel?“

In der Theorie kennen die Spieler Techniken, wie sie mit dem Druck umgehen. Mentalcoaching gehört mittlerweile zum Alltag eines Profis wie Fußballschuhe-Binden. Das Umsetzen in die Praxis ist jedoch eine riesige Herausforderung, jeder Spieler hat dabei andere Ansätze. Es gibt den visuellen Typ, der sich mit einem coolen Tor von sich per Video einstimmt, den lockeren Typ, der sich mit Schmähführen ablenkt, und den auditiven Typ, der auf die Musik setzt.

Zlatko Junuzović im Flugzeug

APA/Robert Jäger

Dicke Kopfhörer helfen: Zlatko Junuzovic beim Entspannen

Zu Letzteren zählte auch Hackmair während seiner Karriere bei Ried und Wacker sowie als Teamspieler in diversen ÖFB-Altersklassen. „Ich habe mich mit Musik sehr gezielt darauf hingesteuert. Das machen auch sehr viele in der aktuellen Mannschaft. Das ist ein Abschotten und Bei-sich-Sein“, erzählt Hackmair, der auch auf Meditation setzte. „Gerade an Spieltagen, an denen es um viel gegangen ist, habe ich versucht, die 100.000 Gedanken wegfliegen zu lassen. Man akzeptiert diese Reize, aber man fokussiert sich auf den Moment.“

Kollers Maxime berücksichtigen

Der wichtigste Moment ist für Koller immer das bevorstehende Spiel. Eine Maxime, die der Schweizer seit dem ersten Tag seiner Amtsübernahme predigt und tief in die Spielerköpfe gepflanzt hat. Auch in Mallemort wiederholte Koller diese Philosophie. „Man sagt immer, dass erste Gruppenspiel ist immer das wichtigste. Für uns ist es immer das nächste. Das sind in dem Fall die Ungarn, dann kommen die Portugiesen und danach die Isländer“, stellte er klar.

Für Hackmair ist das der absolut richtige Ansatz. „Das macht Koller ganz richtig. Das klingt auf Dauer für die Journalisten vielleicht langweilig. Unter Paul Gludovatz (ÖFB-Coach bei viertem WM-Platz der ÖFB-U20 2007, Anm.) oder auch beim Verein haben wir sogar von Halbzeit zu Halbzeit gedacht“, erläuterte Hackmair. Gedanklich darf das ÖFB-Team entsprechend nicht bei der Qualifikation, bei Portugal oder sogar bei einem möglichen Achtelfinale sein.

Einhalten des taktischen Konzepts

In den Testspielen war die Balance zwischen Offensive und Defensive nicht immer gegeben. Der Wille zur Rückwärtsbewegung muss bei jedem Spieler passen. Bei Freundschaftsspielen geht man unbewusst nicht immer an die Leistungsgrenze. 90 Prozent werden aber bei der EM zu wenig sein. „Ich bin davon überzeugt, dass die Spieler jetzt wissen, worum es geht, und die entsprechende Schippe drauflegen können“, sagte Hackmair, der kein Motivationsproblem sieht.

Julian Baumgartlinger

APA/Robert Jäger

Julian Baumgartlinger kennt den Druck bei großen Spielen aus der deutschen Bundesliga

Die Form der Schlüsselspieler

Ein großes Plus ist aber, dass das ÖFB-Team viele Spieler hat, die aufgrund ihrer Erfahrung die Leistung auf den Punkt abrufen können. „Die kennen den Druck aus dem Verein. Wenn man in der Premier League um den Meistertitel oder seit Jahren in der Champions League spielt, ist dann eine unschätzbare Erfahrung“, weiß Hackmair. „Diese Spieler ziehen auch die anderen mit.“

Entscheidend wird jedoch sein wie Alaba, Junuzovic, Aleksandar Dragovic, Arnautovic und Marc Janko nach einer langen Saison in Form sein werden. „Drei, vier Spieler können dir das gewisse Extra geben. Das ist in jeder Mannschaft so. Wenn diese Spieler nicht auf höchstem Niveau sind, könnte es schwierig werden“, erklärte Hackmair, der allerdings im Teamgefüge einen großen Vorteil für das ÖFB-Team sieht. „Die allergrößte Stärke in diesem Team ist der Spirit, jeder kommt gerne, das ist wie eine Familie.“

Christian Wagner, ORF.at, aus Bordeaux

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