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Walisischer Kampf bleibt unbelohnt

Ein Last-Minute-Treffer hat England den ersten Sieg bei der EM in Frankreich gebracht. Die „Three Lions“ entschieden am Donnerstag das britische Bruderduell gegen Wales in Lens dank einem Treffer von Daniel Sturridge in der Nachspielzeit mit 2:1 (0:1) und machten damit einen großen Schritt Richtung Achtelfinale. Die Waliser wurden für ihren aufopfernden Kampf nicht belohnt.

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Die Waliser durften bis zur zweiten Minute der Nachspielzeit von einem Punkt gegen den britischen Rivalen träumen. Der zur Pause eingewechselte Sturridge ließ den Traum jedoch in der 92. Minute brutal platzen und sorgte am Ende für den verdienten Sieg der Engländer. Superstar Gareth Bale (42.) hatte die Waliser zwar entgegen dem Spielverlauf in Führung gebracht, Jamie Vardy, so wie Sturridge zur Pause eingewechselt, gelang jedoch der Ausgleich (56.). England übernahm mit vier Punkten die Tabellenführung in Gruppe B.

Sturridge erlöst England

92. Minute: Sturridge erlöst England mit einem satten Schuss ins kurze Eck und sorgt für die späte Entscheidung im britischen Duell.

Weil es für die Teile des Vereinigten Königreiches in direkten Duellen auch ums Prestige geht und speziell der „kleinere“ Bruder nie verlieren möchte, baute der walisische Teamchef Chris Coleman um. Der wiedergenesene Goalie Wayne Hennessey, Joe Ledley und Hal Robson-Kanu - Letzterer hatte den Siegestreffer gegen die Slowakei erzielt - rutschten in die Startelf. Überhaupt zeigte die Aufstellung, dass es Wales defensiv anlegen würde. Die englische Elf hatte hohen Wiedererkennungswert: Es war die gleiche wie gegen Russland.

England belagert Abwehrmauer

Gareth Bale hatte vor der Partie die Stimmung mit markigen Sprüchen Richtung englischen Teamspirit angeheizt, auf dem Platz hatten aber die Engländer das Sagen. Den ersten Torschuss im Spiel hatten zwar die „Dragons“ durch einen Kopfball von Wayne Chester, richtige Torgefahr erzeugte aber auf der Gegenseite Raheem Sterling, der nach der ersten schönen Kombination einen Stanglpass von Adam Lallana aus kurzer Distanz über das Tor bugsierte (7.) - solche Chancen verwertet der Stürmer von Manchester City im Normalfall.

England - Wales: Chance durch Sterling (7.)

Sterling bekommt den Ball perfekt zur Mitte serviert, haut den Ball aber drüber.

Auch wenn die Engländer das Spiel bestimmten, gegen den Abwehrriegel der Waliser tat man sich sehr schwer. Egal ob kurze Pässe oder weite Flanken von links nach rechts und umgekehrt, so leicht wie bei Sterlings Großchance ließ sich die walisische Abwehr nicht mehr aufreißen. Im Gegenzug hieß es für die „Three Lions“ bei den seltenen Kontern aufpassen. Auch die zu erwartende Härte in einem britischen Duell fehlte nicht.

Bale schlägt wieder zu

Chancen sahen die Fans in Lens nach der anfänglichen Turbulenz lange keine, obwohl die Engländer die Waliser richtiggehend belagerten. Erst in der 26. Minute ging wieder ein Raunen durch den englischen Fanblock: Gary Cahills Kopfball landete genau in den Armen von Goalie Hennessey. Der englische Druck wurde immer größer. Wales musste auf Glück zurückgreifen: James Chester sprang der Ball im Strafraum an die Hand. Die Pfeife des deutsche Schiedsrichters Felix Brych blieb aber stumm (32.). Kurz darauf setzte Chris Smalling einen Kopfball knapp daneben (36.).

Bale trifft per Freistoß (42.)

Hart sieht beim Freistoßtor von Gareth Bale in der 42. Minute nicht gut aus. 1:0 für Wales.

Vom walisischen Superstar Bale hatte man bis dahin nicht viel gesehen. Der 26-Jährige benötigte aber auch nur eine Aktion, um der ersten Hälfte den Stempel aufzudrücken. Drei Minuten vor Schluss hämmerte er einen Freistoß aus über 30 Metern in die rechte untere Ecke und stellte damit den Spielverlauf auf den Kopf (42.). Torhüter Joe Hart machte dabei keine wirklich gute Figur. Den walisischen Fans war das wurscht. Die drehten im gleichen Maße durch, wie den Engländern das Ladl runterfiel.

„Joker“ Vardy sticht

Englands Teamchef Roy Hodgson reagierte auf den unbefriedigenden Pausenstand mit Personalrochaden. Leicester-Torjäger Jamie Vardy ersetzte den neuerlich farblosen Harry Kane, Daniel Sturridge sollte es anstelle von Sterling richten. Am Spiel änderte sich nichts. England machte weiter Dampf, die Waliser vertrauten mit der Führung im Rücken noch mehr auf ihre Abwehr und versuchten, das Tempo aus dem Spiel zu nehmen. Gas gaben nur die Fans aus Cymru. Die feuerten jede gelungene Passaktion ihrer Mannen frenetisch an.

Mehr Pässe spielten die Engländer, die fielen aber oft zu ungenau aus. Gelang eine Aktion, öffneten sich auch Räume. So scheiterte Rooney mit einem gefühlvollen Schuss an Hennessey (55.). Weil es mit Gefühl nicht ging, musste ein „schmutziges“ Tor her: Nachdem die Waliser den Ball nicht aus der Gefahrenzone brachten, kam der Ball zum völlig freien Vardy, und der „Joker“ netzte locker ein (56.). Wales reklamierte vergeblich Abseits, der Ball war von einem walisischen Kopf zum Leicester-Goalgetter gesprungen - alles korrekt.

Vardy gleicht zum 1:1 aus (56.)

Vardy trifft bei seinem EM-Debüt zum verdienten 1:1. Die Vorlage kommt vom Waliser Williams.

Sturridge wird zum Matchwinner

Der Stein, der den „Three Lions“ vom Herzen fiel, war wohl bis in den letzten Winkel Nordenglands zu hören gewesen. Hodgson durfte sich für die Wechsel auf die Schulter klopfen. Seine Engländer spielten jetzt befreit auf, die walisische Abwehr wirkte mit einem Mal nicht mehr sattelfest. Einzig mangelnder Schusstechnik, etwa von Eric Dier (62.) oder Sturridge (66.) hatten es die Waliser zu verdanken, dass sie nicht in Rückstand gerieten. Auf den Tribünen regierten jetzt die englischen Fans, die göttlichen Schutz für die Queen herbeisangen.

Gareth Bale beim Dribbling

APA/AP/Kirsty Wigglesworth

Bale (Mi.) und Wales kämpften verbissen, aber vergeblich um einen Punkt

Um die Offensive noch weiter zu stärken, zog Englands Teamchef seinen letzten Trumpf - Jungstar Marcus Rashford betrat erstmals bei einer EM den Rasen. Was für den 18-Jährigen sprach: Rashford hatte bisher noch bei jedem Debüteinsatz, egal ob für Manchester United oder England, ein Tor erzielt. Auch die Waliser hatten zu diesem Zeitpunkt schon gewechselt. So hatte der unter der Wahrnehmungsgrenze agierende Robson-Kanu Jonathan Williams Platz gemacht.

Chancen der Waliser konnte man an einer Hand abzählen. Ein missglückter Kopfball von Bale (75.) und ein verzogener Weitschuss von Aaron Ramsey waren schon die Highlights. England spielte weiter Powerplay, die Waliser verteidigten den Spielstand und warfen sich in jeden Schuss - sogar unter Einsatz der eigenen Männlichkeit. In der Nachspielzeit verwandelten sich die Freudentränen der walisischen Fans in jene der Trauer. Sturridge stocherte den Ball in die Maschen (90.+2) und traf damit den kleinen Bruder mitten ins Herz.

Karl Huber, ORF.at

EM, Gruppe B, zweiter Spieltag

Donnerstag:

England - Wales 2:1 (0:1)

Lens, Stade Bollaert-Delelis, 34.000 Zuschauer, SR Brych (GER)

Torfolge:
0:1 Bale (42.)
1:1 Vardy (56.)
2:1 Sturridge (92.)

England: Hart - Walker, Cahill, Smalling, Rose - Alli, Dier, Rooney - Lallana (73./Rashford), Kane (46./Vardy), Sterling (46./Sturridge)

Wales: Hennessey - Gunter, Chester, A. Williams, Davies, Taylor - Ramsey, Allen, Ledley (67./Edwards) - Robson-Kanu (72./J.Williams), Bale

Gelbe Karten: Keine bzw. Davies

Tabelle:
1. Wales * 3 2 0 1 6:3 6
2. England * 3 1 2 0 3:2 5
3. Slowakei * 3 1 1 1 3:3 4
4. Russland 3 0 1 2 2:6 1
* im Achtelfinale

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