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„Three Lions“ beißen sich Zähne aus

England hat sich am Montag bei der EM in der Gruppe B neben Wales das zweite Achtelfinal-Ticket gesichert. Die „Three Lions“ mussten sich im Stade Geoffroy Guichard in Saint-Etienne trotz klarer Überlegenheit gegen die Slowakei mit einem torlosen Remis begnügen. Damit musste die Auswahl von Roy Hodgson am letzten Spieltag noch Wales vorbeiziehen lassen und zog als Zweiter in die K.-o.-Runde ein.

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Während sich die Waliser mit Superstar Gareth Bale beim 3:0 im Parallelspiel über Russland keine Blöße gaben, bissen sich die Engländer gegen tiefstehende Slowaken förmlich die Zähne aus. Trotz 35:6 Torschüssen blieb das Gehäuse von Torhüter Matas Kozacik wie vernagelt. Sollte sich Österreich in der Gruppe F zum Abschluss noch den zweiten Platz sichern, könnte es nun im Achtelfinale am nächsten Montag (21.00 Uhr) in Nizza zu einem Duell mit den „Three Lions“ kommen. Auch die Slowakei darf noch von einem Platz in der K.-o.-Runde träumen.

Verpasste Torchance von Dele Alli (ENG)

APA/AP/Laurent Cipriani

Trotz Überlegenheit musste sich England mit einem 0:0 begnügen

Hodgson lässt kräftig rotieren

Dass sich Roy Hodgson vor dem Duell mit der Slowakei überhaupt Kopfzerbrechen machten musste, lag weniger am Gegner selbst als vielmehr am Überangebot hochklassiger Torjäger. „Es wäre kein Problem, an der gleichen Mannschaft festzuhalten“, so der England-Teamchef. „Aber es gibt Spieler, die gern spielen würden und an die Tür geklopft haben.“ Vor dem Hintergrund des praktisch fix feststehenden Achtelfinal-Einzugs ließ Hodgson deshalb einmal kräftig rotieren und veränderte seine Startformation gegenüber den ersten beiden Spielen gleich an sechs Positionen.

So liefen vor den Augen von Prinz William und 39.050 Zuschauern an vorderster Front - wie schon vor Anpfiff vermutet - neben Adam Lallana Leicester-Goalgetter Jamie Vardy und Daniel Sturridge von Liverpool anstelle der bisher enttäuschenden Harry Kane und Raheem Sterling von Beginn an auf. Im Mittelfeld ersetzte Jack Wilshere den bärenstarken Kapitän Wayne Rooney, dem Hodgson vor der K.-o.-Runde offensichtlich einmal eine Verschnaufpause gönnen wollte. Zudem spielte Jordan Henderson anstelle von Dele Alli. Die Außenverteidigerpositionen besetzte der 68-Jährige mit Nathaniel Clyne und Ryan Bertrand anstelle von Kyle Walker und Danny Rose.

Prinz William und Greg Dyke

APA/AFP/Paul Ellis

Zum Torjubel durfte Prinz William im Stade Geoffroy Guichard nicht ansetzen

Der slowakische Teamchef Jan Kozak hat seine richtige Mischung nach der Auftaktpleite gegen Wales im zweiten Gruppenspiel offenbar gefunden und schickte sein Erfolgsteam vom 2:1-Sieg über Russland aufs Feld. Die Fäden sollte wieder Napoli-Star Marek Hamsik ziehen, der gegen die „Sbornaja“ nicht nur durch den Traumpass zum Führungstor von Vladimir Weiss glänzte, sondern auch durch den vorentscheidenden Treffer zum 2:0. Die Solospitze bildete wie schon in den ersten beiden Partien erneut Ondrej Duda von Legia Warschau.

England drückt aufs Tempo

Von einem Versteckspiel hielten die Mannschaften zunächst nichts, beide spielten einmal munter drauflos und ließen sich Platz zur Entfaltung. Die „Three Lions“, diesmal ganz in Rot gekleidet, wussten diesen aber besser zu nutzen und rührten gleich zu Beginn kräftig in der slowakischen Defensive um. Vor allem Vardy - mit dem Selbstvertrauen von 24 Ligatreffern ausgestattet - erwies sich als ständiger Unruheherd. Zunächst verlängerte der 29-Jährige eine Flanke per Knie über das Tor (5.), dann ließ er per Kopf für Sturridge abtropfen. In allerhöchster Not konnte aber Viktor Pecovsky gerade noch vor dem einschussbereiten Liverpooler retten (9.).

Vardy alleine vor Kozacik (17.)

Hoher Ball in die Spitze auf Vardy, der alleine Richtung slowakisches Tor laufen kann. Der Leicester-Stürmer scheitert an Keeper Kozacik. Kurz darauf ein rüder Ellbogencheck von Bertrand an Pekarik.

In der 17. Minute hätte es aber klingeln müssen. Ein langer Abschlag von Goalie Matus Kozacik landete in der englischen Hälfte genau auf dem Fuß von Henderson, der blitzschnell schaltete und Vardy auf die Reise schickte. Der Leicester-Torgarant lief Slowakei-Kapitän Martin Skrtel auf und davon und alleine auf Kozacik zu. Der slowakische Schlussmann packte aber eine Glanzparade aus und verhinderte so gerade noch das fünfte Länderspieltor des Torjägers. Die „Three Lions“ hatten nun aber Blut geleckt und Gefallen an der Partie gefunden. Praktisch im Minutentakt erspielte sich die Hodgson-Truppe nun Chance um Chance, der erste Treffer war nur noch eine Frage der Zeit.

Immer besser kam nun auch die Liverpool-Achse mit Lallana, Sturridge, Außenverteidiger Clyne und Mittelfeldakteur Henderson in Schwung. Das Einzige, was fehlte, war das Tor, mit dem man den ersten Platz in der Gruppe B wieder von Wales, das zeitgleich gegen Russland 2:0 führte, zurückerobert hätte. So wurde ein Schuss von Lallana im Sechszehner gerade noch abgeblockt, den Abpraller konnte Vardy nicht kontrollieren (36.). Einen Henderson-Versuch von der Strafraumgrenze entschärfte wiederum Jan Durica, der sich mit vollem Einsatz in den Schuss warf und mit dem Kopf klärte (44.). So blieb es bei einer 10:1-Pausenführung bei den Torversuchen.

Missverständnis in der englischen Abwehr (53.)

Fast das 1:0 für die Slowakei: Missverständnis zwischen Smalling und Tormann Hart - Mak lässt den Sitzer aus. Im Gegenzug kommt Englands Clyne zu einer guten Chance.

Nach dem Seitenwechsel musste England dem hohen Tempo der ersten 45 Minuten zunächst einmal etwas Tribut zollen. Die Slowakei nutzte die Verschnaufpause und traute sich nun selbst etwas nach vorne. Plötzlich stand nun auch ManCity-Tormann Joe Hart im Mittelpunkt. Nach einer Flanke wollte Chris Smalling für seinen Schlussmann abtropfen lassen, die Rückgabe fiel aber viel zu schwach aus, und Robert Mak spritzte dazwischen. Zum Glück für die „Three Lions“ traf der Slowake den Ball aber nicht richtig (53.). Bei einem Schuss von Weiss wirkte Hart dann aber hellwach (55.).

Rooney darf doch mitmischen

Hodgson musste nun reagieren und brachte mit Rooney für Wilshere sowie Alli für Lallana zwei frische Kräfte für die letzten 30 Minuten auf das Feld. Und der Wechsel hätte sich praktisch gleich mit der ersten Aktion bezahlt gemacht. Henderson tankte sich auf der rechten Seite durch und legte für Tottenham-Mittelfeldspieler Alli auf, der sofort halfvolley übernahm. Skrtel rutschte in den Schuss aber noch hinein und putzte für den geschlagenen Torhüter Kozacik auf der Linie aus (61.).

Alli mit der Großchance (61.)

Der kurz zuvor eingewechselte Dele Alli kann eine Hereingabe von Henderson fast perfekt verarbeiten und scheitert nur an Skrtel, der unmittelbar vor der Linie klärt.

Die „Three Lions“ zogen nun wieder ihr gewohntes Powerplay vor dem slowakischen Strafraum auf, die Vorstöße hatten aber viel vom Elan der ersten Hälfte verloren. Zu den größten Chancen zählte ein Schupfer von Eric Dier auf Sturridge, der den Ball hauchdünn verpasste (74.). Ein Rooney-Schuss wurde zur Ecke abgewehrt (75.). Auch der im Finish noch eingewechselte Kane blieb ohne Stich. Letztlich scheiterten die Engländer an aufopfernd verteidigenden Slowaken, dem fehlenden Glück und der mangelnden Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor, dürfen sich aber mit einem Achtelfinal-Ticket trösten.

Wolfgang Rieder, ORF.at

Stimmen zum Spiel:

Roy Hodgson (England-Teamchef): „Ich bin mir nicht sicher, ob es einen großen Unterschied gemacht hätte, wenn wir mit Rooney, Alli oder Walker begonnen hätten. Es war ja nicht so, dass wir keine Chancen herausgespielt hätten - wir haben sie nur einfach nicht genutzt.“

Jan Kozak (Slowakei-Teamchef): „Wir haben gegen ein Team gespielt, das auf Angriff gepolt war. Es war sehr wichtig, dass wir heute einen Punkt gegen England geholt haben. Ich hatte nicht erwartet, dass der Gegner uns so früh anläuft, aber wir haben mit unseren Auswechslungen auf dieses hohe Pressing reagiert, um es zu neutralisieren.“

Gary Cahill (England-Abwehrspieler): „Natürlich sind wir enttäuscht, dass wir nicht gewonnen haben und als Gruppensieger weitergekommen sind. Wir sind pausenlos angerannt, die Slowaken haben uns aber immer wieder die Tür vor der Nase zugeschlagen. Ich glaube nicht, dass uns die Umstellungen geschadet haben. Wir hatten extrem viel Ballbesitz und auch gute Chancen, aber das Glück hat auch gefehlt. Davon brauchst du etwas, wenn ein Gegner so defensiv verteidigt, wie das die Slowaken getan haben.“

Joe Hart (England-Tormann): „Wir hatten zahlreiche Chancen und viel Ballbesitz. Doch die Slowakei hat sehr gut verteidigt. Als Gruppenzweiter haben wir jetzt ein bisschen mehr Regenerationszeit - das ist zumindest ein positiver Aspekt. Wir haben heute alles versucht, aber es sollte einfach nicht sein.“

Matus Kozacik (Slowakei-Tormann): „Die Engländer hatten viel Ballbesitz und sind immer wieder gefährlich vor dem Tor aufgetaucht. Ich bin zufrieden, dass wir kein Tor kassiert haben und das Unentschieden über die Zeit gebracht haben. Wir haben es noch nicht zu hundert Prozent geschafft, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass wir im Achtelfinale sind. Es ist fantastisch.“

EM, Gruppe B, dritte Runde

Montag:

Slowakei – England 0:0

St. Etienne, Stade Geoffroy Guichard, 39.050 Zuschauer, SR Carlos Velasco Carballo (ESP)

Slowakei: Kozacik - Pekarik, Skrtel, Durica, Hubocan - Pecovsky (67. Gyömber) - Mak, Kucka, Hamsik, Weiss (78. Skriniar) - Duda (57. Svento)

England: Hart - Clyne, Cahill, Smalling, Bertrand - Henderson, Dier, Wilshere (56. Rooney) - Lallana (61. Alli), Vardy, Sturridge (76. Kane)

Gelbe Karten: Pecovsky bzw. Bertrand

Tabelle:
1. Wales * 3 2 0 1 6:3 6
2. England * 3 1 2 0 3:2 5
3. Slowakei * 3 1 1 1 3:3 4
4. Russland 3 0 1 2 2:6 1
* im Achtelfinale

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